Wirecard hatte schon 2018 Kontakte ins Kanzleramt

  22 Juli 2020    Gelesen: 433
Wirecard hatte schon 2018 Kontakte ins Kanzleramt

Was wusste die Bundesregierung über die Unregelmäßigkeiten beim insolventen Dax-Konzern Wirecard und wann? Das Kanzleramt bekennt nun: Es gab mehrfach Kontakte. Die Opposition will es noch genauer wissen und plant eine Sondersitzung.

Das Bundeskanzleramt hatte seit Ende 2018 mehrfach Kontakt zum inzwischen insolventen Dax-Konzern Wirecard sowie zu Beratern des Unternehmens. Dabei spielten auch der ehemalige Beauftragte für die Nachrichtendienste des Bundes, Klaus-Dieter Fritsche, sowie wie bereits bekannt Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eine Rolle, wie ein Regierungssprecher auf Anfrage mitteilte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel habe bei ihrer China-Reise im September 2019 das Thema der geplanten Übernahme des chinesischen Unternehmens Allscore Financial durch Wirecard angesprochen. "Zum Zeitpunkt der Reise hatte sie keine Kenntnis von möglichen schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard", hieß es. Die Bundesregierung setze sich in ihren bilateralen Kontakten mit anderen Ländern regelmäßig auch für die wirtschaftlichen Interessen deutscher Unternehmen in diesen Ländern ein.

Wirecard hatte im vergangenen Monat zuerst Luftbuchungen in Höhe von mutmaßlich 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und wenig später Insolvenz angemeldet. Die Opposition im Bundestag sieht beim Fall Wirecard offene Fragen, wann genau die Regierung von Unregelmäßigkeiten bei dem Zahlungsabwickler wusste und ob sie zu wenig dagegen unternommen hat. Der Finanzausschuss des Bundestags wird deshalb am 29. Juli eine Sondersitzung abhalten. Neben Finanzminister Olaf Scholz sollen auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Vertreter etwa der Finanzaufsicht Bafin geladen werden.

Merkels Wirtschaftsberater hatte Kontakte

Merkel sprach laut Regierungssprecher am 3. September 2019 mit zu Guttenberg im Vorfeld ihrer Reise nach China. Guttenberg beriet Wirecard. Merkels Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller habe zu Guttenberg nach der Reise am 8. September 2019 per E-Mail informiert, dass das Thema bei dem Besuch in China zur Sprache gekommen sei, und "weitere Flankierung" zugesagt. Als Nachbereitung der Reise habe Röller sowohl mit dem deutschen Botschafter in Peking als auch mit dem chinesischen Botschafter in Berlin Kontakt gehabt und gebeten, die Anliegen der Wirtschaft - unter anderem auch von Wirecard - weiterzuverfolgen.

"Eine weitere Flankierung der Übernahme von Allscore durch Wirecard durch das Bundeskanzleramt erfolgte nicht", hieß es. "Zu laufenden oder vergangenen strafrechtlichen Ermittlungen gegen das chinesische Unternehmen Allscore oder gegen dessen Gründer lagen dem Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit der dargelegten Flankierung keine Informationen vor."

Den Angaben zufolge wandte sich Fritsche am 13. August 2019 an das Bundeskanzleramt und bat um einen Gesprächstermin für die Wirecard AG bei Röller am 11. September 2019. Zur Vorbereitung dieses Termins habe sich die Arbeitsebene des Kanzleramts telefonisch an das Bundesfinanzministerium gewandt und um Informationen zum Unternehmen gebeten. Das Finanzministerium habe daraufhin per E-Mail am 23. August 2019 Hinweise zu öffentlich verfügbaren Informationen ans Kanzleramt übermittelt.

Kontakte mindestens seit 2018

Welche Rolle Fritsche rund um Wirecard genau spielte, ist unklar. Weiter hieß es, am 13. Mai dieses Jahres habe das Büro von Wirecard-Vorstandschef Markus Braun telefonisch um einen Termin für ein Telefonat mit Röller gebeten. Das Telefonat sei für den 19. Mai 2020 vereinbart und kurzfristig auf den 20. Mai 2020 verschoben worden. In dem Telefonat habe Braun den in der Presse zirkulierten Vorwurf der Bilanzfälschung zurückgewiesen und vollständige Aufklärung zugesichert. Röller habe die Ausführungen zur Kenntnis genommen.

Kontakt zwischen Wirecard und dem Kanzleramt gab es dem Regierungssprecher zufolge auch im November 2018. Damals wandte sich das Unternehmen demnach über das Büro von Staatsministerin Dorothee Bär an das Bundeskanzleramt und bat um einen Termin für Vorstandschef Braun mit der Bundeskanzlerin und dem Chef des Bundeskanzleramtes. Ein entsprechender Gesprächstermin sei am 22. Januar 2019 verneint worden. Das stattdessen angebotene Gespräch mit Röller, dem Leiter der Abteilung für Wirtschafts-, Finanz- und Energiepolitik des Kanzleramtes, sei von Braun nicht wahrgenommen worden.

Quelle: ntv.de, ara/dpa


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