Am Ende flossen die Tränen. "Ich werde bald den Posten verlassen, den auszufüllen die Ehre meines Lebens war", sagte May vor gut einem Jahr vor der schwarzen Tür des Regierungssitzes 10 Downing Street in London. Am 24. Juli 2019 war dann Schluss. May musste ihrem Nachfolger Boris Johnson Platz machen. Bei ihrem Amtsantritt war sie oft mit der "Eisernen Lady", Margaret Thatcher, verglichen worden. Doch May war eher eine hölzerne Lady.
Ihr steifes Auftreten und ihre gestanzten Phrasen brachten ihr Spitznamen wie "Maybot" ein, eine Mischung aus May und Roboter. Viel Spott gab es für ihre ungelenken Versuche, bei Besuchen in Afrika mit Tanzeinlagen eine gute Figur zu machen. Später nahm sie es mit Humor und tänzelte unbeholfen zu Abbas "Dancing Queen" bei einem Parteitag ans Rednerpult. Dabei war Tanzen nicht das einzige, was sie nicht konnte.
Sie war von ihrer Partei gewählt worden, um den EU-Austritt Großbritanniens aus der EU zu bewerkstelligen - doch sie scheiterte grandios. Viel zu spät hatte sie erkannt, dass sie die Hilfe der Opposition brauchte, um ihr Brexit-Abkommen durchs Parlament zu bringen. Eine vorgezogene Neuwahl im Sommer 2017 hatte ihre Situation deutlich verschlimmert - sie hatte sich als miserable Wahlkämpferin herausgestellt. Drei Mal wurde später "ihr" Abkommen vom Parlament abgeschmettert.
Ihr Nachfolger Boris Johnson hatte mehr Glück, doch das Austrittsabkommen, mit dem er das Land schließlich aus der EU führte, ist weitgehend dasselbe. Der Unterschied: Johnson hatte weniger Skrupel, die Partner von der nordirisch-protestantischen DUP links liegen zu lassen, mit deren Hilfe May seit der verkorksten Wahl regierte hatte. Die No-Deal-Gegner in der eigenen Partei warf er kurzerhand aus der Fraktion. Belohnt wurden die Haudrauf-Methoden prompt mit einer satten Mehrheit bei einer weiteren vorgezogenen Parlamentswahl im vergangenen Dezember. Die Briten hatten das Gezerre um den Brexit endgültig satt.
Harsche Einwanderungspolitik
Doch der Brexit gilt nicht als einziges Feld, in dem May versagt hat. Aus ihrer Zeit als Innenministerin (2010-2016) stammt die Politik des "hostile environment" (der feindseligen Umgebung) für illegale Einwanderer, die zum sogenannten Windrush-Skandal führte. Ziel war es, Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis den Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie zum Gesundheitssystem zu verwehren.
Wer keine lückenlose Dokumentation seines rechtmäßigen Aufenthalts vorweisen konnte, wurde abgeschoben oder nach einem Auslandsaufenthalt nicht mehr ins Land gelassen. Dem fielen Hunderte Menschen aus der Karibik und deren Nachkommen zum Opfer, die in den späten 40er bis 70er Jahren als Gastarbeiter nach Großbritannien gekommen waren und nie mit offiziellen Dokumenten ausgestattet wurden.
Was macht Theresa May heute? Hin- und wieder macht sie ihrem Unmut über die neue Regierung Luft. Beispielsweise, wenn es um die Einführung eines Punktesystems für Einwanderer geht oder um die Berufung des in Sicherheitsfragen unbedarften Brexit-Unterhändlers David Frost zum Nationalen Sicherheitsberater. Doch meist bleibt sie unscheinbar.
In ihrer Freizeit kassiert sie inzwischen bei Reden kräftig ab. Zwischen 56.000 und mehr als 115.000 Pfund, das sind etwa 62.000 bis 126.500 Euro, erhielt sie in den vergangenen Monaten pro Auftritt, wie aus einem Register für Nebeneinkünfte von Parlamentariern hervorgeht. Ein großer Teil davon floss allerdings in eine Firma, mit der sie gemeinnützige Zwecke unterstützen will.
May suchte nach Kompromissen
Was bleibt von May? Die BBC-Reporterin Laura Kuenssberg prophezeite, die Zeit unter Theresa May könne im Nachhinein einmal vergleichsweise milde beurteilt werden. "Ihre Amtszeit könnte in Erinnerung bleiben als eine, in der noch nach einem Kompromiss (mit der EU) gesucht wurde, bevor dann ein enormes, riesiges Chaos entstand", meinte Kuenssberg im vergangenen Jahr.
Damals war von der Coronavirus-Pandemie noch keine Rede gewesen. Betrachtet man die chaotische Bilanz der Johnson-Regierung mit mehr als 45.000 Toten durch das Virus und der Sackgasse, in der sich die Gespräche über ein Anschlussabkommen mit Brüssel inzwischen befinden, scheint das nicht mehr allzu unrealistisch.
Quelle: ntv.de, hek/dpa
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