Und wieder einmal ist es ein Fax, EIN FAX (!), das die Fußball-Welt erschüttert. Neuneinhalb Jahre nach dem Fax-Beben um Eric Maxim Choupo-Moting - die Eruptionen waren allerdings vor allem in Köln und Hamburg zu spüren - knattert am 25. August 2020 ein hochexplosives Papier aus dem Dienstgerät des FC Barcelona. Lionel Messi, der bei den Katalanen mindestens den Status des Klubheiligen innehat, will weg. Was seit Wochen Thema ist, was seit Wochen als nettes Sommerthema zelebriert wird, nimmt nun sehr konkret Gestalt an. Das Undenkbare wird Realität. Die mutßmaßlich erfolgreichste Ehe im Weltfußball - 35 gemeinsam erspielte Titel - steht vor der Scheidung. Und die droht richtig eklig zu werden.
Der 33-Jährige will mehreren spanischen Medien zufolge eine Klausel in seinem Vertrag ziehen, durch die er am Ende jeder Saison einseitig kündigen könne. Aber da gibt es ein gewaltiges Problem: Die Frist zur Aktivierung der Klausel ist aus Sicht des Klubs für die gerade mit dem Debakel gegen den FC Bayern in der Champions League beendete Spielzeit bereits im Juni abgelaufen. Das schreibt unter anderem die "Mundo Deportivo". Der Superstar selbst sei derweil der Ansicht, die Frist müsse unbedingt verlängert werden, weil auch die Saison wegen der Corona-Zwangspause verlängert worden sei.
Messi spielt nun bereits seit zwei Jahrzehnten für den Klub. Als damals 13-Jähriger wechselt er von den Newell’s Old Boys zu den Katalanen. Dem Profiteam des FC Barcelona gehört er bereits seit 2004 an. Er ist der dienstälteste Spieler im Aufgebot. Sein Vertrag läuft bis zum 30. Juni 2021. Die dort festgeschriebene Ablöseklausel beträgt laut Medien 700 Millionen Euro.
Reunion mit Neymar - oder Pep?
An Interessenten soll es nicht mangeln. Wie immer, wenn es um teure Superstars und sehr viel Geld geht, wird Königsklassen-Finalist Paris St. Germain gehandelt. Dort könnte es zur spektakulären Reunion von Messi und Neymar kommen, also der beiden Superstars, die einst bei Barça perfekt harmonierten und 2015 zusammen die Champions League gewannen. Ein Titel, den Messi unbedingt noch einmal gewinnen möchte, zum dann fünften Mal! Es ist die sportliche Top-Perspektive, die ihn so dringend reizt.
Möglich wäre das mit der Krone Europas eventuell auch mit Manchester City. Laut ESPN soll es in der vergangenen Woche bereits einen telefonischen Austausch zwischen City-Trainer Josep Guardiola und Messi gegeben haben. Beide kennen sich aus der erfolgreichen Zeit mit dem FC Barcelona. Dem Bericht zufolge hält man es in Manchester für möglich, Messi zu finanzieren. Dritter Kandidat ist Inter Mailand. Dort hat sich der Argentinier gerade erst ein Luxus-Loft gekauft. Auch der Papa, sein Berater, hat in der Mode-Metropole bereits eine Wohnung.
Noch ist nichts fix. Noch hat sich Messi selbst nicht mal zu Wort gemeldet. Und noch haben sie ihren Klubheiligen nicht aufgegeben. Am Dienstagabend, nachdem Barça den Eingang des Fax bestätigt hatte, versammelten sich gut 100 Fans vor dem Camp Nou, der Spielstätte des Klubs, und flehten den Superstar (in dessen Abwesenheit) an, zu bleiben. Als Schuldigen für den Frust von Messi machten die Anhänger die Führung des Vereins um Präsident Josep Maria Bartomeu aus. Tatsächlich kam es zwischen den Alphatieren in der vergangenen Saison mindestens zweimal zur Fast-Eskalation.
Das endgültige Ende von Tiki-Taka?
So wehrte sich Messi gegen Anschuldigungen, dass die gesamte Mannschaft den Rauswurf von Ex-Coach Ernesto Valverde forciert habe. Und er wehrte sich gegen Anschuldigungen, dass die Spieler nicht bereit seien, in der Corona-Krise auf Gehalt zu verzichten. Hinzu kamen die sportlichen Erschütterungen. Und sie kamen unerwartet häufig. Stärker als je zuvor war der Klub in eine immer fatalere Abhängigkeit von ihrem Superstar gedriftet. War Messi gut, war Barça gut. War er nicht gut, war's Barça auch nicht. Einzig Marc-André ter Stegen, der Nationaltorwart, konnte die eine oder andere Peinlichkeit mehr noch verhindern.
Nicht aber die Demütigung im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Bayern. Mit 2:8 (1:4) ging die Mannschaft unter. Wehrlos, kraftlos. Wie ausgelaugt, überaltert und nicht mehr gut ausbalanciert das Team ist, das wurde an diesem Abend in allerbrutalster Weise deutlich. Die spanischen Medien sprachen von einem "kaltblütigen Mord"am FC Barcelona, von Lächerlichkeit, Blamage, Schande, sogar von einem Massaker und einem "Weltrekord der Jämmerlichkeit".
Ein Abgang von Messi wäre das endgültigste Zeichen des Zerfalls der einst so ruhmreichen Mannschaft, die Europa jahrelang mit ihrem bewunderten Tiki-Taka entnervt hatte. Die in den vergangenen Jahren - nach den Abgängen der großen Taktgeber Xavi und Andrés Iniesta - aber auch mehr und mehr von ihrer Einzigartigkeit verloren hatte. Der Versuch, das Team mit teuren Zukäufen zu stabilisieren, misslang völlig. Weder Philippe Coutinho noch Ousmane Dembélé oder Antoine Griezmann funktionierten (bisher).
Das am Boden liegende Ensemble soll nun von Ronald Koeman wiederbelebt werden. Der Niederländer folgt auf Quique Setién, dessen Leiden nach dem Bayern-Debakel nach nur einem halben Jahr an der Seitenlinie der Blaugrana beendet wurden. Koeman, so hatte es zunächst geheißen, wolle eine neue Mannschaft um Messi aufbauen. Aber offenbar haben seine Pläne den Argentinier nicht überzeugen können. Nach seinem Amtsantritt soll der 57-Jährige im Gespräch mit dem argentinischen Superstar dessen Sonderstellung infrage gestellt haben. "Die Privilegien im Kader sind vorbei, alles muss für die Mannschaft getan werden", soll Koeman einem Bericht des Online-Portals "Diario Olé" zufolge gesagt haben: "Ich werde unflexibel sein, man muss an das Team denken."
Ein Beben. Per Fax. Verrückt.
Quelle: ntv.de
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