Der Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 stockt nach massiven Sanktionsdrohungen der USA. Der deutsche Hafen Mukran in Sassnitz auf Rügen steht seit Wochen unter Dauerdruck von US-Politikern. Die Senatoren Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson drohten in einem Brief mit Einschränkungen, sollte die umstrittene Gasleitung aus Russland fertiggestellt werden.
Die Bundesregierung hat darauf offenbar mit einem Milliardenangebot reagiert. Einem Bericht der Wochenzeitung "Zeit" zufolge unterbreitete Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Anfang August seinem US-Amtskollegen Steven Mnuchin zunächst mündlich und später auch schriftlich den Vorschlag, Deutschland sei bereit, den Bau von zwei Spezialhäfen zum Import von Flüssiggas zu finanzieren.
Durch die Investition soll demnach die umstrittene Ostseepipeline gerettet werden. Über Terminals in den Häfen Brunsbüttel und Wilhelmshaven wollen US-Firmen amerikanisches Gas nach Deutschland exportieren.
In dem schriftlichen Vorschlag, der laut "Zeit" am 7. August nach Washington ging, verspreche die Bundesregierung, "die öffentliche Unterstützung für die Konstruktion" der Terminals "massiv durch die Bereitstellung von bis zu einer Milliarde Euro zu erhöhen".
Die US-Regierung hatte im Juli gedroht, am Bau von Nord Stream 2 beteiligte Unternehmen mit Strafen zu überziehen. Einer der Gründe für den amerikanischen Widerstand besteht darin, dass US-Präsident Donald Trump amerikanisches statt russisches Gas an Deutschland verkaufen will. Dafür ist der Bau von mehreren Terminals nötig.
Für das Milliardeninvestment in die Spezialhäfen fordert die Bundesregierung dem Bericht zufolge allerdings ein weitreichendes Entgegenkommen der US-Regierung. "Im Gegenzug werden die USA die ungehinderte Fertigstellung und den Betrieb von Nord Stream 2 erlauben", heißt es demnach in dem schriftlichen Vorschlag aus Berlin. "Die existierenden rechtlichen Möglichkeiten für Sanktionen werden nicht ausgeschöpft."
Am 24. und 25. September werden auch die EU-Staatschefs in Brüssel bei ihrem Gipfeltreffen über die Zukunft der Pipeline beraten. Nach dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny hatten diverse Politiker der Unionsparteien einen Baustopp von Nord Stream 2 gefordert.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte unterdessen davor, die Ostsee-Erdgasleitung als einen möglichen Beitrag zur europäisch-russischen Verständigung zu sehen. In ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union sagte sie: "Denjenigen, die engere Beziehungen zu Russland fordern, sage ich: Die Vergiftung von Alexej Nawalny mit einem hoch entwickelten chemischen Kampfstoff ist kein Einzelfall."
Das gleiche Muster habe man zuvor in Georgien und der Ukraine, in Syrien und Salisbury gesehen - und bei der Einmischung in Wahlen weltweit. "Dieses Muster ändert sich nicht - und keine Pipeline wird daran etwas ändern", sagte von der Leyen.
Die Bundesregierung lässt die Zukunft des Projekts bislang offen. Nawalny wird seit August in der Berliner Charité behandelt. Er soll nach Angaben von Speziallabors mit einem Nervenkampfstoff vergiftet worden sein. Als eine Möglichkeit gilt, dass ein russischer Geheimdienst für die Tat verantwortlich ist. Russland bestreitet die Vorwürfe.
spiegel
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