Abschiedsfeiern im Kollegenkreis sind bekannt: Man steht versammelt im Konferenzraum - wahlweise in der Küche oder wo auch immer gerade Platz ist -, der Chef hält eine Rede, der Abschiednehmende ist gerührt, hat womöglich ein paar Tränen im Auge, es gibt Kuchen, vielleicht auch Sekt für die bald ehemaligen Kollegen und ein Geschenk für den von nun an Ehemaligen. Konzertkarten, ein Gutschein, was auch immer. Nun sind Fußballer aber keine normalen Arbeitskollegen und so fällt das Kaffeekränzchen aus - und das Geschenk ist ein wenig größer.
Es gab diesmal die silberne Supercup-Trophäe. Der FC Bayern ist Quadrupel-Sieger. Nach Meisterschaft, Pokal und Champions League kam nun auch noch der europäische Supercup hinzu. Stolz reckte Javi Martinez den Pokal in die Höhe - das Geschenk kam wohl gut an. Wobei, hat der FC Bayern tatsächlich Javi Martinez beschenkt oder der Spanier vielmehr seinen Klub?
Schließlich ist der 32-Jährige der Matchwinner. Er hatte das Siegtor zum 2:1 (1:1, 1:1) in der 104. Minute für sein Team geschossen. Dank ihm konnten die Bayern zum vierten Mal in dieser Saison unter einem Spalier auf einer Bühne stehen, Konfetti regnete, es gab einen Pokal.
Martinez schweigt zur Zukunft
Eine Geschichte, sie zu erfinden wäre zu kitschig: Der Spanier flog etwas überraschend überhaupt noch mit nach Budapest, viele dachten, er würde eher den Flieger nach Spanien nehmen, um nach acht Jahren in München zu seinem Heimatverein Athletic Bilbao zurückzukehren. Doch Trainer Hansi Flick nahm ihn mit. Wechselte ihn dann in der 99. Minute ein - ein Zeitpunkt, den es nur gab, weil Martinez' Kollegen in der regulären Spielzeit den FC Sevilla nicht bezwingen konnten. Und dann traf der Spanier auch noch fünf Minuten später das Tor. Im womöglich/wahrscheinlich letzten Spiel für die Bayern.
Aber: Ist Martinez wirklich der Abschiednehmende? Seine Rückkehr nach Bilbao scheint abgesprochene Sache. Für gerüchteweise gerade einmal 10 Millionen Euro - ein Schnäppchen, die Bayern zahlten 2012 die damalige Rekordsumme von 40 Millionen Euro. Nun aber grätschte Martinez in die womöglich zu schöne Geschichte: "Wenn ich am Sonntag dabei bin, werde ich alles geben. Solange ich hier bin, werde ich alles tun, um das Trikot zu verteidigen", sagte der Spanier bei Sky. Am Sonntag, da geht es in der Bundesliga gegen die TSG Hoffenheim (15.30 Uhr im ntv.de-Liveticker). So viel also zum Abschied mit der perfekten Feier.
Auch Flick wollte seinen Defensivmann nicht rauswerfen: "Was seine Zukunft betrifft, so ist das heute nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen." Und ergänzte: "Das muss er auch alleine entscheiden."
"Ich will der Mannschaft immer helfen"
Egal, ob nun der Supercup oder das Hoffenheim-Duell das letzte Spiel sein wird - oder spielt Martinez sogar noch im deutschen Supercup gegen Borussia Dortmund und am dritten Bundesliga-Spieltag gegen Hertha BSC, schließlich endet die Transferperiode erst am 5. Oktober? So oder so, der Abschied dürfte Martinez nicht leicht fallen. Den Fans - ja, die Uefa setzte ihren Willen durch und verkaufte 15.500 Tickets für das Prestigeduell zwischen dem Champions-League-Sieger und dem Europa-League-Triumphator - präsentierte er stolz den Pokal, klopfte sich dann mit der rechten Faust auf das Klub-Wappen auf dem Trikot. "Immer wenn ich im Bayern-Trikot spiele, versuche ich, alles zu geben, mit 100 Prozent zu spielen. Das habe ich auch heute gezeigt", sagte er: "Ich will der Mannschaft immer helfen, heute mit einem Tor."
Helfen durfte er zuletzt aber immer weniger. Wenn er spielte, dann meist nicht über die volle Zeit, einige Male stand er in der abgelaufenen Saison nicht einmal im Kader. Nur 24 Spiele absolvierte Martinez wettbewerbsübergreifend. Sein Vertrag läuft im kommenden Jahr aus, nur jetzt also bekommen die Münchner noch eine Ablöse für den, der mit ihnen achtmal die Meisterschaft, fünfmal den DFB-Pokal, zweimal die Champions League und nun auch zweimal den Uefa-Supercup gewonnen hat. Auch zum ersten Triumph in diesem Wettbewerb hatte Martinez übrigens entscheidend beigetragen: 2013 ging es gegen den FC Chelsea, der Spanier hatte in der Nachspielzeit der Verlängerung das 2:2 erzielt - nur so konnte der FC Bayern die Partie im Elfmeterschießen 5:4 für sich entscheiden. Flick sagte: "Er ist ein Spieler, wenn er gebraucht wird, ist er auch zu hundert Prozent da."
Martinez' Tor - es ist eins, das in die Kategorie "besonders" fällt. Nicht wegen der Genialität des Tores - Martinez stand goldrichtig, als Sevilla-Torwart Bono den Schuss von David Alaba nur ins Feld abblocken konnte. Der Spanier befand sich auf Höhe des Elfmeterpunktes und köpfte wuchtig ein. Sondern eben wegen der Geschichte drum herum. Einer "absolut schönen", wie Flick sagte. Sprücheklopfer Thomas Müller meinte: "Die Kirsche auf der Sahne war unser Mister Supercup." Er lobte: Der Kopfball seines Kollegen sei "eine überragende Waffe". Und dann wurde Müller sogar noch etwas melancholisch: Sollte Martinez das Team verlassen, verliere man "einen super Kollegen und verrückten Vogel". Einen, der die ganz kitschigen Fußballgeschichten schreibt. Und womöglich gibt es dann zurück in München ja doch noch eine Abschiedsfeier mit Kuchen und Geschenk.
Quelle: ntv.de
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