Der frühere Vorstandschef Dieter Zetsche kehrt kommendes Jahr nicht wie geplant als Aufsichtsratschef zum Autobauer Daimler zurück. Angesichts der Mitverantwortung für die Probleme des Konzerns, die Kritiker dem langjährigen Topmanager geben, lehnt dieser das Mandat nun doch ab. "In letzter Konsequenz habe ich mich entschieden, dass ich das nicht will, dass ich darauf verzichte", sagte der 67-Jährige der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Dass er jetzt - nach 40 Jahren Berufsleben - "von manchen nicht als Hoffnungsträger, sondern als Belastung angesehen würde - nein, das brauche ich nicht", ergänzte er.
Zetsche war von Januar 2006 bis Mai 2019 Vorstandschef beim Stuttgarter Autobauer, ehe er seinen Posten an Ola Källenius abgab. Allerdings war in den Führungsgremien verabredet worden, dass Zetsche 2021 den Aufsichtsratsvorsitz von Manfred Bischoff übernehmen solle.
Vorwurf strategischer Fehlentscheidungen
Diese Pläne stießen allerdings zuletzt auf immer mehr Kritik bei vielen Daimler-Aktionären. Zetsche wird unter anderem vorgeworfen, sich zum Ende seiner Zeit als Vorstandschef auf den Rekorden der zurückliegenden Jahre ausgeruht und wichtige Weichenstellungen vor allem zum Umstieg in die Elektromobilität verschlafen zu haben. Die derzeitige Krise sei - mal abgesehen von unmittelbaren Folgen der Corona-Pandemie - hausgemacht, heißt es. Im zweiten Quartal hatte der Konzern rund zwei Milliarden Euro Verlust eingefahren. Ein Sparprogramm wurde aufgelegt.
Bereits im Jahr 2019 hatten sich die Folgen von Versäumnissen und strategischen Fehlentscheidungen deutlich gezeigt. Dreimal hatte der Autokonzern Investoren mit einer Gewinnwarnung aufgeschreckt, einige kostspielige Autoentwicklungen erwiesen sich als Flop. Die angeordneten Rückrufe einiger Dieselmodelle wegen manipulierter Abgaswerte kratzten ebenso am Image wie die Ermittlungen wegen der Beteiligung an einem Kartell im Lkw-Geschäft. Und was die Umweltverträglichkeit der Autos betrifft, herrscht massiver Nachholbedarf.
Zetsche sagte jetzt, er habe im Sommer lange darüber nachgedacht, ob sein ursprünglicher Entschluss, kommendes Jahr in den Daimler-Aufsichtsrat zurückzukehren, noch gelte. "Natürlich hätte ich diese Aufgabe gerne gemacht. Ich glaube auch, dass ich sie gut gemacht hätte", sagte er, bekannte jedoch: "Ich habe mich gefragt, ob ich wirklich dem Unternehmen einen Dienst tue. Und ob ich mir einen Gefallen tue, wenn ich diese Aufgabe jetzt übernehme." Zu der Frage, wer nun statt ihm neuer Aufsichtsratschef werden könne, äußerte sich Zetsche nicht näher. "Da bin ich raus, darüber habe ich keine Entscheidungen zu treffen."
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