Polnische Disziplinarkammer hebt Immunität von Richterin auf

  13 Oktober 2020    Gelesen: 556
Polnische Disziplinarkammer hebt Immunität von Richterin auf

Zum ersten Mal hat die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts in Polen die Immunität einer Richterin aufgehoben: Beata Morawiec hatte die Reformen des Justizsystems kritisiert. Nun soll sie strafrechtlich verfolgt werden.

Die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts in Polen hat am späten Montagabend entschieden, die Immunität der Krakauer Richterin Beata Morawiec aufzuheben, sie von ihrem Dienst zu suspendieren und ihre Bezüge um die Hälfte zu reduzieren. Wie die "Gazeta Wyborcza" berichtet, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Die im Jahr 2018 eingerichtete umstrittene Disziplinarkammer für polnische Richter berät nicht zum ersten Mal über die Unabhängigkeit von Richtern. Doch es ist das erste Mal, dass die Kammer die Immunität einer Richterin aufgehoben hat.

In Polen genießen Richter und Staatsanwälte Immunität. Eine strafrechtliche Verfolgung ist nur möglich, wenn die Immunität zuvor gerichtlich aufgehoben wurde.

Das Gericht urteilte, es sei "sehr wahrscheinlich", dass Morawiec Korruptionsdelikte begangen habe, wie es die Staatsanwaltschaft ihr vorwerfe. Morawiec bestreitet die Vorwürfe.

Mehrere Richter und der Beauftragte für Menschenrechte kritisierten das Urteil.

Morawiec ist die Vorsitzende der Richterorganisation "Themis", die die Reformen des polnischen Justizsystems durch die nationalkonservative Regierungspartei PiS immer wieder gerügt hat. Andere regierungskritische Richter und Verbände sehen in dem Urteil einen Versuch von Justizminister Zbigniew Ziobro, der auch Generalstaatsanwalt ist, Richter einzuschüchtern.

Die Justiz versucht, eine Richterin auszuschalten
Der Schritt sei ein Versuch, "eine Richterin auszuschalten, die für die Rechtsstaatlichkeit kämpft, und einen Effekt der Einschüchterung für andere Richter zu erzielen", sagte der Warschauer Bezirksrichter Igar Tuleya, den selbst in diesem Monat ein ähnliches Verfahren erwartet. Tuleya erinnerte daran, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) Polen aufgefordert habe, die Verfahren der Disziplinarkammer auszusetzen, bevor geklärt ist, ob die Kammer ausreichend unabhängig von der Justiz ist. Polens Beauftragter für Menschenrechte, Adam Bodnar, empfahl Morawiec, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klagen.

Wegen ihrer Reformen des Justizsystems liegt die Regierung in Warschau mit der EU-Kommission überkreuz. Die Kommission überwacht die Einhaltung von EU-Recht. Sie hat vor dem Europäischen Gerichtshof bereits mehrere Verfahren gegen Polen eingeleitet.

spiegel


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