Eine der brutalsten olympischen Stunden

  06 Dezember 2020    Gelesen: 424
Eine der brutalsten olympischen Stunden

Fäuste fliegen, Blut strömt, der Hass regiert: Das olympische Wasserball-Finale 1956 zwischen Ungarn und der Sowjetunion ist mehr Schlacht als Sport. Das liegt vor allem an der politischen Lage. Nur drei Wochen zuvor schlagen sowjetische Truppen den Aufstand in Budapest blutig nieder.

Als Ervin Zadors Augenbraue aufplatzt, sein Blut durch sein Brusthaar rinnt, ins Wasser tropft und die Zuschauer mit erhobenen Fäusten den Beckenrand stürmen, wird das "Blutspiel" von Melbourne am 6. Dezember 1956 abgebrochen - die fehlende Minute noch herunterticken zu lassen, das wäre einfach nur unverantwortlich gewesen. Das Finale im Wasserball 1956 zwischen Ungarn und der Sowjetunion ist eine der brutalsten Stunden, die Olympia sportlich erlebt hat. Fäuste fliegen, Blut strömt, der Hass regiert, so ist es in zeitgenössischen Publikationen zu lesen. Nur, dass sich das Wasser im Schwimmstadion rot gefärbt haben soll, gilt inzwischen dann doch als einigermaßen übertrieben.

Wasserball ist ohnehin eine Disziplin an der Kante zum Kampfsport. Die politisch aufgeheizte Lage tut ihr Übriges: Nur drei Wochen vorher haben sowjetische Truppen den Aufstand in Budapest blutig niedergeschlagen. Die zu diesem Zeitpunkt bereits abgereisten ungarischen Sportler bangen um ihre Familien, ihre Existenzen. 5500 Zuschauer, zumeist ungarischstämmige Australier, lassen die Schwimmhalle von Melbourne mit ihrer Empörung erbeben, sie riechen Rache. Die Ungarn haben sich zum Ziel gesetzt, die UdSSR mit Beleidigungen aus dem Konzept zu bringen, was vortrefflich gelingt. Es sei ein "Blood in the water match" gewesen, schreiben australische Zeitungen.

Die Ungarn spielen ihre Favoritenrolle trotz aller Emotionen souverän aus und gewinnen 4:0. Der Olympiasieg! Als Revanche mit sportlichen (und teils unsportlichen) Mitteln. Die wohl schönste Geschichte zum Spiel ist diese: Ervin Zador, der Mann mit der blutigen Brust, wandert in die USA aus und trainiert dort den jugendlichen Mark Spitz, der zum besten Schwimmer der Welt aufsteigen wird. Spitz wird viele Jahre später die Stimme des Quentin-Tarantino-Dokudramas zum "Blutspiel": 2006 erscheint "Freedom's Fury" - der Zorn der Freiheit.

n-tv


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