Ein Fragezeichenspiel des FC Bayern

  04 Januar 2021    Gelesen: 516
  Ein Fragezeichenspiel des FC Bayern

Ein krachendes 5:2 nach einem peinlichen 0:2 gegen den FSV Mainz 05: Auch beim Start ins neue Jahr stimmt die Reaktion des FC Bayern auf einen Rückstand. Der zur Pause verärgerte Trainer Hansi Flick erhebt die Aufholjagd zum "Maßstab".

Für Jérôme Boateng war die Sache klar. Foul, ganz eindeutig. Eine andere Meinung? Nicht zulässig. Diese Vehemenz brüllte er schließlich auch Schiedsrichter Markus Schmidt entgegen. Der reagierte. Mit Gelb. Dass der hünenhafte Innenverteidiger des FC Bayern nach einem Rempler des doch eher schmächtigen Mainzers Jonathan Burkardt aus der Luft zu Boden ging, das empfanden weder der Unparteiische noch sein VAR-Kompagnon in Köln als ahndenswert. Womöglich wäre die Szene aus der 32. Minute völlig egal gewesen, hätte Burkardt nicht Sekunden später die Führung erzielt. Mit einem wuchtigen Schuss, vorbei an Manuel Neuer. Zum achten Mal (!) in Serie lag der FC Bayern mit 0:1 zurück.

Und es wurde sogar noch ein bisschen turbulenter für die Mannschaft von Hansi Flick. Denn nach einem sehr präzisen Kopfball von Alexander Hack stand es zur Pause 2:0 für das Team, das in dieser Saison gerade einmal sechs Punkte eingefahren und zwei Trainer verschlissen hatte. Nun, das Ende der Geschichte ist bekannt: Weil die Münchner in der zweiten Hälfte mächtig aufdrehten, weil sie Neuer und doppeltes Aluminium-Glück hatten, stand am Ende dieses 14. Spieltags ein 5:2 auf dem sportlichen Berichtsbogen. Irgendwie standesgemäß im Duell Titelfavorit gegen Abstiegskandidat.

Flick wird überraschend deutlich

Joshua Kimmich, der nach längerer Verletzungspause wieder in der Startelf stand und seine Mannschaft in der zweiten Halbzeit als rechter Verteidiger (zumindest offiziell) immer wieder antrieb, verriet: Man habe sich zur Pause, als es in der Bayern-Kabine etwas lauter zuging, "an der Ehre gepackt" gefühlt. Der Start ins Fußballjahr 2021, er war dann doch noch gelungen. Zumindest im Ergebnis. Viel mehr aber nicht, so sah es jedenfalls Flick. "Wir werden natürlich ein paar Dinge ansprechen müssen. In der ersten Hälfte war unser Defensivverhalten nicht das, was man sich von einer Spitzenmannschaft vorstellt."

Tatsächlich zieht sich das aber nun schon seit ein paar Wochen durch. 21 Gegentore nach 14 Spieltagen, das gab's für die Münchner zuletzt 2008. Damals war übrigens Jürgen Klinsmann Trainer. Damals standen Lucio und Martin Demichelis in der Abwehrmitte. Damals verteidigten Philipp Lahm und Massimo Oddo auf den Außenbahnen. Nun erleben ihre Nach-Nach-Nach-Nach-Nachfolger in dieser Saison einen sehr überraschenden Einbruch der Stabilität. Die Innenverteidiger um David Alaba, Boateng und Niklas Süle leisteten sich regelmäßig Nachlässigkeiten. Benjamin Pavard durchlebt auf rechts eine amtliche Formkrise und Alphonso Davies nimmt nach seiner Verletzung erst langsam wieder die Rolle ein, in der er letzte Saison Fußball-Europa faszinierte.

Kimmich mahnt die Einstellung an

Dass sich in der Schadensbilanz der Mannschaft aber weiterhin kaum GAU-Einträge finden, liegt an der furiosen Offensive. Robert Lewandowski, Thomas Müller, nach langer Zeit wieder einmal Serge Gnabry und endlich auch Leroy Sané kaschierten, was am anderen Ende des Spielfelds bedenklich wackelte. Wieder einmal. "Zurzeit brauchen wir immer so einen Weckruf", befand Sané, der nicht nur das schöne Tor zum Ausgleich erzielte, sondern nach der Höchststrafe zuletzt gegen Bayer Leverkusen ein wirklich gutes Spiel machte. Warum die Mannschaft ständig einen Weckruf benötigt, das wusste der 24-Jährige allerdings nicht. Eine richtig gute Antwort auf dieses sportliche Fragezeichen fanden auch die anderen Münchner nicht.

Kimmich, der in den vergangenen Wochen dringlich vermisst wurde und nun direkt wieder ins Anführer-Hemdchen schlüpfte, mahnte derweil ein Einstellungsdefizit an: "In der ersten Halbzeit", so fand er, "war das nicht nur spielerisch, sondern auch vom Kopf, von der Einstellung und vom Kämpferischen her zu wenig. Das hatten die Mainzer uns deutlich voraus. Wichtig war, dass wir dann eine Reaktion gezeigt haben. Die Mentalität stimmt. Das ist brutal wichtig, wenn man auf dem Platz steht und weiß, dass der Gegner 2:0 führt und beinahe das dritte Tor macht." Die Einstellung war schließlich auch das, was Flick als Positives aus dem Spiel zog: "Wir haben den Sieg erzwungen mit Mentalität. Wir wissen aber, dass die erste Halbzeit nicht das war, was wir uns vorstellen. Die Mannschaft hat in der zweiten Halbzeit gezeigt, dass sie auch anders kann. Das ist der Maßstab."

Quelle: ntv.de


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