Drei Männer in blau sind sich nicht grün

  09 Januar 2021    Gelesen: 279
Drei Männer in blau sind sich nicht grün

Kurz vor Beginn des CDU-Parteitags kommen die drei Kandidaten für den Vorsitz zur zweiten Befragung durch die Mitglieder zusammen. Spannend sind weniger die politischen Differenzen, als die Bemühungen von Laschet, Merz und Röttgen, jeweils offene Scharten auszuwetzen.

Treffen sich drei Männer ähnlichen Alters aus Nordrhein-Westfalen an einem Freitagabend an einem runden Tisch, ist der Gedanke von Tanja Samrotzki tatsächlich naheliegend: Die Moderatorin der Befragungsrunde mit den drei Kandidaten für den CDU-Bundesvorstand fühlt sich an eine Skat-Runde erinnert. Dass das gut funktionieren könnte, liegt weniger an den persönlichen Sympathien der Herren füreinander als an ihren politischen Ansichten. Mit denen verhält es sich nämlich wie mit den dunkelblauen Sakkos und den graublauen Krawatten des Trios: Die Unterschiede sind nuancenhaft.

Drei Themen werden an diesem zweiten Frageabend nach Mitte Dezember besprochen, zu denen Mitglieder ihre Fragen eingeschickt hatten: Klima- und Umweltpolitik, innere Sicherheit und Außen- und Europapolitik. Allenfalls in puncto Klima gibt es so etwas wie Dissens, als NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sich zum Verteidiger der Industrie und des kleinen Mannes aufschwingt. Laschet belehrt den früheren Umweltminister Norbert Röttgen, dass der Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie keinesfalls einfach beizulegen sei: "Es gibt Unternehmen, die aus Deutschland abwandern in Länder, die schlechtere Standards haben."

Friedrich Merz, der das Instrument der CO2-Bepreisung als Instrument der Klimapolitik lobpreist, muss sich von Laschet anhören, dass es für die Menschen sehr wohl einen Unterschied mache, wenn der Liter Sprit 20 Cent mehr kostet. Es bleibt der einzige halbwegs emotionale Moment eines etwa 80-minütigen Gesprächs, das ganz ohne Lacher und Schmunzler auskommt. Nette Worte in Form von Zustimmung heben Merz und Laschet füreinander auf. Beide setzen offenkundig darauf, das öffentliche Bild von Röttgen als isoliertem Einzelkämpfer zu untermauern.

Ein Rennen auf Augenhöhe

Eine Woche ist es noch hin, bis die CDU ihren ersten volldigitalen Bundesparteitag abhält, bei dem einer der drei zum Nachfolger der Langzeitvorsitzenden Angela Merkel gewählt werden soll. Der formalen Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer waren die Fußstapfen der Kanzlerin nach eigener Einschätzung dann doch zu groß. Weshalb sie schon vor bald einem Jahr, infolge der Thüringer Regierungskrise, ihren Verzicht auf eine Wiederwahl erklärt hatte.

Wer aber das digitale Votum der 1001 Parteitagsdelegierten erhalten wird, gilt als völlig offen. Selbst der noch im Frühjahr als Außenseiter gewertete Norbert Röttgen hat realistische Chancen. Er liegt laut einer Umfrage von Infratest-Dimap im Auftrag der ARD gleichauf mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet in der Gunst der CDU-Wähler. Beide kommen auf 25 Prozent, Friedrich Merz auf 29 Prozent Zustimmung. Das muss vor allem Merz nervös machen, der lange als Favorit gehandelt wurde und nun an Boden verloren hat.

Doch die Delegierten entscheiden ohnehin unabhängig von Umfragen. Ob sie noch so unentschlossen sind, dass Formate wie die Kandidatenbefragung kurz vor dem Parteitag noch einen Effekt haben, ist offen. Andererseits gilt ja auch Merz schwache Bewerbungsrede auf dem Parteitag 2018 als ausschlaggebend für dessen knappe Niederlage gegen Kramp-Karrenbauer. Die Kandidaten jedenfalls legen sich ins Zeug. Weil sie aber erst am Ende des Abends zwei Minuten freie Redezeit erhalten, ist das Finale tatsächlich der interessanteste Part der Veranstaltung.

Drei sehr unterschiedliche Schwerpunkte

Als erstes tritt Röttgen ans Rednerpult und er verwendet erstaunlich viel Zeit auf Neujahrsgrüße und Dank an die Menschen, die den Livestream verfolgen. Anschließend versucht Röttgen die Aufmerksamkeit auf seine erfolgreiche Kampagne zu lenken. "Ich habe monatelang diskutiert", sagt Röttgen. "Ich habe nicht nur geredet, ich habe auch zugehört." Er wolle die Partei jünger, weiblicher, moderner machen: "Ich möchte mitmachen. In welcher Funktion auch immer möchte ich dienen." Und: "Ich bin kein Lager, ich stehe für alle." Es sind sehr viele "Ichs" bei dem Kandidaten, dem der notorische Ruf des Einzelkämpfers anhängt. Aber vielleicht spricht da auch Röttgens gerechter Stolz ob seiner von Parteimitgliedern und Journalisten nicht für möglich gehaltenen Aufholjagd.

Laschet hingegen beginnt mit einer Entschuldigung für seine bisher schwache Performance in dem Kandidatenrennen: "Ich habe mich zehn Monate nicht in diesen Wettbewerb begeben können, weil wir über Monate von dieser Pandemie gefesselt waren", sagt Laschet. Schon in der gesamten vorangegangenen Debatte hat Laschet keine Frage beantwortet, ohne praktische Beispiele aus seiner Arbeit als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes zu nennen.

Laschets Amt ist sein Ass, dass er mit Verve auf den Tisch knallt: "Sie werden fragen, was bringen Sie denn mit?", sagt Laschet. "Ich bringe mit: Regierungserfahrung, Leitung eines großen Landes, Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen und, was vielleicht auch nicht ganz schädlich ist für einen CDU-Vorsitzenden, auch schon mal eine Wahl gewonnen zu haben." Die Breitseite gilt vor allem Merz, der seit 2005 überhaupt kein politisch relevantes Mandat innehatte.

Merz reicht die Hand

Doch der letzte Redner unternimmt gar keinen Versuch dieses Manko zu adressieren. Er ist an diesem Abend mit dem Auswetzen ganz anderer Scharten befasst. Merz beackert erkennbar die Vorwürfe, dass mit ihm kein Bündnis mit den Grünen zu machen sei, dass er zu konservativ für die Mitte-Wähler sei, dass er den Parteiapparat gegen sich habe.

Schon in der Klimadebatte zeigt sich Merz vorbereitet, nennt ein paar Zahlen und äußert sich enthusiastisch zur CO2-Bepreisung. In der Debatte über die innere Sicherheit lobt er die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg dafür, die Polizei mit Körperkameras ausgestattet zu haben. Merz verspricht nicht weniger als eine "ökologische Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft". Die Antwort auf eine Mitgliederfrage zum islamistischen Terror leitet Merz damit ein, dass der Rechtsterrorismus "unterschätzt" worden sei. Merz betont mehrfach, wie wichtig ihm die EU sei: Die CDU solle "die Europapartei der Bundesrepublik Deutschland bleiben".

Kein Wörtchen Kritik an den Merkel-Jahren kommt Merz über die Lippen, und auch mit dem Parteiapparat sucht er die Aussöhnung. Im November hatte Merz noch den Vorwurf erhoben, das Partei-Establishment versuche ihn mit der pandemiebedingten Absage des Parteitags am 4. Dezember zu verhindern. "Mein Team wird der gewählte Bundesvorstand der CDU Deutschlands sein", sagt Merz nun. Er dankt Generalsekretär Paul Ziemiak und seinen Mitarbeitern "für die exzellente Vorbereitung" des bisherigen Kandidatenrennens. Es ist Merz ausgestreckte Hand auch an die Gegner in seiner Partei. In einer Woche weiß er, ob sie angenommen wird.

Quelle: ntv.de


Tags:


Newsticker