Mafia-Jäger stellt Hunderte vor Gericht

  13 Januar 2021    Gelesen: 398
Mafia-Jäger stellt Hunderte vor Gericht

Seit Jahren jagt der italienische Staatsanwalt Gratteri die Mafiaorganisation 'Ndrangheta. Nun kommt es zum größten Prozess gegen die Verbrecher, die auf fünf Kontinenten aktiv sind und besonders grausam gegen ihre Gegner vorgehen.

In Italien beginnt an diesem Mittwoch einer der größten Mafia-Prozesse der vergangenen Jahrzehnte. Angeklagt bei dem Verfahren sind rund 350 mutmaßliche Mitglieder und Helfer der Organisation 'Ndrangheta. Experten sehen den Prozess in der süditalienischen Stadt Lamezia Terme als ein Signal des Staates: Die Justiz kann damit Stärke gegen die Organisierte Kriminalität zeigen. Erwartet wird, dass das Verfahren ein bis zwei Jahre dauert. Für die Verhandlungen in der Stadt in Kalabrien wurde extra ein Gebäude hergerichtet. Es wurde Ende 2020 vom italienischen Justizminister Alfonso Bonafede der Öffentlichkeit vorgestellt.

Dieser betonte, dass darin rund 1000 Beteiligte auch mit nötigem Corona-Abstand Platz finden könnten. Den Beschuldigten werden Mafia-Zugehörigkeit, Mord, illegaler Waffenbesitz, Drogenhandel, Erpressung, Geldwucher und vieles mehr vorgeworfen. Unter anderem sollen Menschen Schweinen zum Fraß vorgeworfen worden sein, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Vielen drohen bei einer Verurteilung hohe Haftstrafen. Erwartet werden etwa 900 Zeugen, darunter ehemalige Mafia-Leute, die bereit sind, das sogenannte Gesetz des Schweigens, die Omertà, zu brechen. Rund 90 weitere Angeklagte hatten sich nach Medienberichten für ein Schnellverfahren entschieden. Für sie soll es am 27. Januar vor Gericht losgehen.

Der Prozess ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit der Justiz. Der prominente Mafia-Jäger und leitende Staatsanwalt von Catanzaro, Nicola Gratteri, führt die Ermittlungen. Seit Jahren verfolgt er die Mafia, laut RND bringt er jedes Jahr Hunderte Verdächtige hinter Gitter - auf der Todesliste der 'Ndrangheta stehe er ganz oben. Er wurde schon wiederholt bedroht und erhielt Personenschutz. Die Fahnder konzentrierten sich für den Prozess auf den Clan der Familie Mancuso aus der Provinz Vibo Valentia und befreundete kriminelle Gruppen. Doch Mafia-Experten erwarten, dass das Verfahren darüber hinaus verstärkt ans Licht bringt, wie eng die Beziehungen zwischen Teilen von Politik und Wirtschaft mit der 'Ndrangheta sein können.

Vor über einem Jahr, im Dezember 2019, hatten rund 2500 Polizisten bei einer der größten Operationen gegen die Mafia seit den 1980er Jahren mehr als 300 Menschen festgenommen. Darunter waren Unternehmer, Juristen und Politiker. Auch in Deutschland, der Schweiz und Bulgarien wurde ermittelt.

"Vielleicht mächtigste kriminelle Vereinigung der Welt"
Die 'Ndrangheta gilt als die brutalste und mächtigste Mafia-Organisation in Italien. Sie hat ihren Ursprung in der Region Kalabrien mit der Hauptstadt Catanzaro. Aus ihrer Heimat steuert sie weltweit große Teile des Kokainhandels und verdient jährlich viele Milliarden Euro mit illegalen Geschäften.

Der Name der 'Ndrangheta stammt nach Angaben der Kriminologin Anna Sergi von der englischen University of Essex aus dem Griechischen. Das griechische Wort "andranghateia" steht für eine Gruppe von "Ehrenmännern", das Wort "andrangatho" für militärisches Kämpfen.

In den 80er Jahren hatte ein anderer sogenannter Maxi-Prozess gegen die sizilianische Cosa Nostra in Palermo weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Damals waren mehr als 400 mutmaßliche Mitglieder angeklagt, ein Großteil wurde verurteilt. Auch als Rache brachte die Mafia später die Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino um.

Der Richter Roberto Di Bella, der sich seit fast 30 Jahren mit der kalabrischen Mafia beschäftigt, nennt die 'Ndrangheta "die vielleicht mächtigste kriminelle Vereinigung der Welt". Sie sei aber mit Sicherheit am weitesten verbreitet - bis auf alle fünf Kontinente. Zu ihren Betätigungsfeldern gehören Drogenhandel, Erpressung, Geldwäsche und illegale Müllentsorgung. Dabei stützt sich die 'Ndrangheta - stärker als andere Mafia-Organisationen - auf Familienstrukturen und Blutsverwandtschaft. Diese Struktur sorgt für starken Zusammenhalt, "weil es nur wenige Abtrünnige gibt", wie Di Bella sagt.

Quelle: ntv.de, vpe/dpa/AFP


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