Fin Bartels also. Wäre man jetzt vor diesem Mittwochabend wohl auch nicht drauf gekommen, dass der Name des 33-Jährigen auf ewig mit einer der größeren Sensationen der deutschen Pokal-Geschichte in Verbindung gebracht werden wird. Nun ist Bartels freilich ein Mann, der immer schon wichtige Tore in wichtigen Spielen geschossen hat, beispielweise hat er am 4. Dezember das Topspiel der 2. Bundesliga gegen den VfL Bochum (vor)entschieden. Auch Union Berlin, Borussia Dortmund und der Hamburger SV - ganz wichtig für einen Hanseaten - wissen, wie schmerzhaft Bartels-Tore sein können. Und nun eben der FC Bayern, der sich nach dem finalen Schlag des Kielers im Elfmeterdrama im DFB-Pokal blamierte.
Und wie lässig Bartels, dessen lange Karriere von einer bizarren Verletzungshistorie geprägt ist, die Münchner aus dem Wettbewerb schubste: ein paar trabende Schritte Anlauf und dann den Ball mühelos mit der Innenseite in die rechte Ecke geschoben. Manuel Neuer war geschlagen, die Sensation perfekt. Erstmals seit mehr als 20 Jahren scheiterte der FC Bayern mal wieder in der zweiten Runde des DFB-Pokals. Am 1. November 2000 verloren die Münchner beim Oberligisten 1. FC Magdeburg ebenfalls im Drama aus elf Metern. Die Niederlage bei Holstein war nun indes die erste seit 17 Jahren gegen einen unterklassigen Verein.
Die Wucht des Rekordmeisters, mit der er im vergangenen Jahr, ganz besonders im verlängerten Triple-Halbjahr beinahe jeden Gegner erdrückt hat, sie ist weg. Ebenso wie das Spielglück. Und auch Torwart Neuer kann in diesen Tagen und Wochen nicht mehr alle Möglichkeiten des Gegners einfach miasanmia-nichts wegtitanisieren. Die monströse Überverfassung der vergangenen Monate, mit der nahezu jeder Torschaden pariert wurde, ist einer wieder normalen (einer immer noch überragenden) Form gewichen. Den Gegner aber einfach laufen lassen und "dann auf Manu hoffen", wie Trainer Hansi Flick zuletzt doch eindringlich gewarnt hatte, das funktioniert nicht mehr. Zumindest nicht mehr immer.
Täglich grüßt die Murmel-Abwehr
Nun lag diese Niederlage nicht an Neuer. Wie schon am Freitagabend gegen Borussia Mönchengladbach war er gegen die abgezockten Abschlüsse der Gegner machtlos. Und fassungslos. Denn die Gegentore der Münchner fallen derzeit fast alle nach dem immer gleichen Schema - und das trotz personell veränderter Abwehr: Langer Ball hinter die hochstehende Abwehr, freilaufender Stürmer, Duell gegen Neuer. "Das ist das Muster, das wir jetzt schon oft gesehen haben. Wir haben das ganz klar angesprochen, wir müssen die Zentrale, die Mitte absichern." Beim 1:1 gelang das auf beeindruckende Weise nicht. So sprintete Bartels sowohl (erneut) Niklas Süle als auch dem schwachen Rechtsverteidiger Bouna Sarr davon. Was Neuer von den unerklärlichen Aussetzern seiner Vorderleute hält? Nicht viel. Das zumindest erkennt man an den so vielen wütenden Reaktionen auf dem Platz. Öffentlich sprechen tut der Kapitän derzeit nicht.
Das übernahm, wie so oft (auch wenn es nicht läuft), Thomas Müller. In einem fast zwei Minuten langen Monolog in der ARD nahm er das Spiel in epischer Breite und Genauigkeit auseinander, mit der durchaus überraschenden Erkenntnis, dass es sein FC Bayern eigentlich doch gut gemacht habe. Gegen Kieler, die es aus ihrer Sicht natürlich auch gut gemacht hatten. So verdichtete sich seine ausufernde Analyse schließlich in zwei sehr prägnanten Sätzen: "Es war keine Pokalsensation, die sich von Anfang an abgezeichnet hat", sagte Müller. "In den Details haben wir dann die Fehler gemacht und Kiel hat es wie beim Elfmeterschießen relativ kaltschnäuzig gemacht."
Zudem lieferte sich der 31-Jährige noch einen kuriosen Wortwechsel mit Reporterin Valeska Homburg. Nach der Frage zur Stimmung in der Bayern-Kabine sagte Müller eher ungehalten: "Sie lachen jetzt hier." Woraufhin Homburg antwortete: "Nee, ich lache nicht." Müller ließ nicht locker: "Natürlich haben Sie gelacht!" Sie hatte gelacht. Tatsächlich.
"... wir wollten das Triple verteidigen"
Sei's drum. Gelacht haben an diesem Mittwochabend viele. Wie das immer so ist, wenn sich der FC Bayern vorzeitig gegen einen kleine(re)n Klub verabschiedet. Sei es wie einst gegen MSV Duisburg (1975, 2:3), den FC Homburg (1977, 1:3), die SpVgg Bayreuth (1980, 0:1) oder die legendären Begegnungen gegen den FV 09 Weinheim (1990, 0:1) und beim TSV Vestenbergsgreuth (1994, 0:1).
In ganz so brutaler Tradition steht die Pleite gegen den Tabellendritten der 2. Bundesliga nun nicht, für einen amtlichen "Schock" (so Flick) beim Rekordmeister taugt sie schon. "Wir sind enorm enttäuscht, wir wollten das Triple verteidigen." Tatsächlich ist der erste Titel nun bereits Geschichte. Und weitere Unannehmlichkeiten drohen, sollte die Mannschaft ihre Nachlässigkeiten weiter mit sich rumschleppen. Und so wiederholte Flick am sehr späten Mittwochabend das, was er seit Wochen lautstark anprangert: "Wir müssen eine bessere defensive Kompaktheit haben. Wir müssen wieder mehr Druck auf den Ball bekommen und die Tiefe absichern."
Kurios, dass diese Worte wieder und wieder verhallen ...
Quelle: ntv.de
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