Da steht er, der stolze Neuzugang der Flugbereitschaft der Bundeswehr: schneeweiß, die schwarz-rot-goldene Banderole um den Flugzeugbauch gewickelt und mit dem Schriftzug BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND versehen. Der neue A350 der Bundesregierung ist bereit für seinen Jungfernflug nach Kairo. Normalerweise beeilen sich die mitreisenden Journalisten beim Einsteigen. Falls das Protokoll keine Plätze zugewiesen hat, gilt es, sich die besten zu sichern. Am liebsten natürlich die am Fenster. An diesem Tag lassen sich alle Zeit und begrüßen den "Neuen" mit leuchtenden Augen und gezückten Handykameras. Selbst Heiko Maas, der seit seinem Amtsantritt als deutscher Außenminister Flugmeilen sammelt wie andere Leute Payback-Punkte, ist von dem neuen Superflieger sichtlich angetan.
Maas freut sich über neues "fliegendes" Büro
Bereitwillig lässt er sich vor dem Flugzeug fotografieren, bestaunt die riesigen Flugzeugturbinen, geht dann durch die Gänge, inspiziert den VIP-Bereich, der bei genauerem Hinsehen (noch) gar nicht so luxuriös ist wie man vielleicht erwarten könnte und lässt sich erstmal in eines der Sofas im Besprechungsraum fallen. Maas ist in der Vergangenheit genauso wie alle, die sich der Flugbereitschaft anvertraut haben, mehr als einmal irgendwo auf der Welt liegengeblieben, weil wieder einmal eine technische Panne den Flug unmöglich gemacht hat.
Opfer des peinlichsten Flugausfalls und das auch noch vor den Augen der "ganzen Welt" wurde Angela Merkel im November 2018, als der A340 "Konrad Adenauer" den Dienst verweigerte und die Bundeskanzlerin mit einer spanischen Linienmaschine zum G20-Gipfel nach Argentinien fliegen musste. Ihre Ankunft in Buenos Aires mit einem vollen Tag Verspätung war eine Blamage allererster Güte für die Flugbereitschaft, die Bundeskanzlerin und die ganze Bundesrepublik.
"Nach New York und zurück - ohne zu tanken"
Das soll mit dem neuen Airbus der Vergangenheit angehören. Der A350 mit dem Namen "Kurt Schumacher" ist zuverlässiger als seine Vorgänger, sparsamer im Kerosinverbrauch und vor allem ausdauernder. Der Außenminister - auf dem Flug bequem in Jeans, Pulli und Sneakers - freut sich, dass er jetzt nonstop nach Neuseeland fliegen könnte. "Oder nach New York und zurück - ohne zu tanken!" Die öden und zeitraubenden Tankstopps auf dem Nato-Stützpunkt im kanadischen Goose Bay sind Geschichte.
Spätestens nach dem Super-GAU beim G20-Gipfel in Buenos Aires war klar, dass die neuen Flugzeuge schnell in Dienst gestellt werden müssen - auch um den Preis, dass die VIP-Ausstattung noch zu wünschen übrig lässt. Und so hat der A350 - anders als sein Vorgänger - weder ein eigenes Schlafzimmer noch eine Dusche für die Bundeskanzlerin oder ihre Minister.
Was in den Ohren mancher Pauschaltouristen wie überflüssiger Luxus klingt, ist internationaler Standard. Bedenkt man, dass Angela Merkel und ihre Kollegen im Normalfall nach stundenlangen Flügen ohne Umwege direkt an einen Konferenztisch eilen, an dem sie wiederum stundenlang verhandeln, ist das durchaus gerechtfertigt. Aber es nützt nichts: Auf diesen Luxus werden die VIP-Passagiere noch warten müssen und sich vorläufig in zwei Sessel kuscheln, die man so weit zurückklappen kann, dass sie als behelfsmäßige Betten genutzt werden können. Frühestens im nächsten Jahr werden zwei weitere A350 an die Bundeswehr ausgeliefert - dann mit der vollen Ausstattung.
Heike Boese gehörte zu den ersten Journalistinnen im neuen Regierungsflieger.
Immerhin gibt es schon jetzt einen kleinen Garderobenraum, bei dessen Planung womöglich die stets mitreisende Visagistin der Bundeskanzlerin wertvolle Tipps geben konnte. Der Schminkspiegel ist mit Profilämpchen für ein perfekt ausgeleuchtetes Make-up ausgestattet. Wer nach einem Transatlantikflug schon an der Rolltreppe von Fotografen und Kameras empfangen wird, weiß dieses Gadget zu schätzen. Und auch, wenn Angela Merkel Corona-bedingt in den vergangenen Monaten ihrer Kanzlerschaft nicht mehr so oft reisen wird, werden eine künftige Außenministerin oder vielleicht sogar eine Bundespräsidentin eines Tages sehr dankbar dafür sein.
Bei allen Annehmlichkeiten im vorderen Bereich - in der "Holzklasse", in der Journalisten und Crewmitglieder fliegen, hat sich nicht viel verändert. Zwar gibt es jetzt Internet an Bord, aber die Kollegen, die größer als der deutsche Durchschnittsmann mit seinen 1,80 Meter sind, klemmen sich genauso die "Knie hinter die Ohren" wie vorher auch.
Das sind übrigens jene, die sonst immer als Erste im Flieger sein wollen, um die vorderste Reihe zu entern. Diesmal war allerdings das "Jungfernflug nach Kairo - ich war dabei-Foto" ausnahmsweise wichtiger als die sonst so wertvolle Thrombose verhindernde Beinfreiheit.
Quelle: ntv.de
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