Was wird verschärft und was nicht?

  18 Januar 2021    Gelesen: 323
Was wird verschärft und was nicht?

Deutschland steht vor einer Verlängerung und Verschärfung des Corona-Lockdowns. Hauptgrund ist die Sorge, dass sich auch hierzulande hochansteckende Virus-Mutationen ausbreiten könnten. Am Abend wollen die Ministerpräsidenten der Länder dazu ein Lagebild von Fachleuten einholen. Am Dienstag beraten Bund und Länder über die weiteren Schritte. Ein Überblick über das, was mutmaßlich verschärft werden soll und was nicht.

Welche Verschärfungen sind im Gespräch?

Schon vor den an diesem Dienstag geplanten vorgezogenen Beratungen von Bund und Ländern über eine erneute Verschärfung des Lockdowns zeichnen sich einem Medienbericht zufolge erste Details möglicher neuer Corona-Regeln ab. Nach Informationen des Magazins "Business Insider" will das Kanzleramt eine bundesweit einheitliche nächtliche Ausgangssperre einführen, wie es sie in Frankreich gibt. Ebenfalls im Gespräch sei die Einführung einer schärferen Maskenpflicht beim Einkaufen und im Nahverkehr. Demnach sollen künftig nur die qualitativ hochwertigen FFP2-Masken getragen werden dürfen, gegebenenfalls aber auch einfachere OP-Masken. Politiker und Experten sind sich aber uneinig darüber, wie sinnvoll diese Maßnahme ist. Mehrere deutsche Experten befürworten die bayerische Maßnahme. Allerdings wird betont, dass die Verfügbarkeit der Masken und die richtige Handhabe essenziell seien.

Zudem sei eine Art Homeoffice-Pflicht light geplant. Vom Tisch sei dagegen offenbar eine Reduzierung des Bus- und Bahnverkehrs. Bei Schulen und Kitas zeichne sich eine Fortschreibung der bestehenden Maßnahmen ab - also Notbetreuung und Homeschooling.

Vizekanzler Olaf Scholz stellte am Sonntagabend eine Verlängerung des Lockdowns bis Mitte Februar in Aussicht: "Ich gehe davon aus, dass das schon 14 Tage sein können, die noch einmal dazu kommen", sagte der Finanzminister in einem "Bild"-Talk. Der aktuell geltende Lockdown ist bis Ende Januar befristet.

Welche Meinungen gibt es dazu?

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach spricht sich für einen harten, dreiwöchigen Lockdown aus. Ausgangssperren ab 20 Uhr seien aus seiner Sicht für drei Wochen vertretbar. Ob diese allerdings den erhofften Effekt bringen, bezweifelte der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann zuletzt in einem Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament". In Bayern dürfen Einwohner bereits das Haus zwischen 21 und 5 Uhr nur aus beruflichen oder medizinischen Gründen oder zum Gassi gehen verlassen. In anderen europäischen Ländern gelten teilweise viel strengere Ausgangssperren. In Frankreich dürfen Einwohner etwa auch tagsüber nur für eine Stunde das Haus verlassen, um einkaufen zu gehen oder Sport zu treiben. Dass es dazu auch in Deutschland kommt, ist jedoch unwahrscheinlich - bisher gibt es dafür keinerlei Forderungen.

Für den Nahverkehr plädiert Lauterbach für Besetzungsobergrenzen und FFP2-Maskenpflicht. SPD-Chefin Saskia Esken sprach bei "Anne Will" wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der Homeoffice-Pflicht: Man werde in den Unternehmen möglicherweise Homeoffice anordnen müssen, sagte sie. Auch Scholz forderte, die Betriebe in Sachen Homeoffice mehr in die Pflicht zu nehmen, es könne dort "nicht bei Appellen" bleiben, sagte er in dem "Bild"-Talk. "Wir müssen da noch einen Schritt weiter machen." Von einer Homeoffice-Pflicht wollte er aber nicht sprechen: Es werde immer darauf ankommen, "dass das betrieblich auch geht. Wir wollen ja pragmatisch bleiben und nichts Unmögliches verlangen". Scholz geht es vor allem darum, "Kontakte zu vermeiden, bei der Arbeit und auch auf dem Arbeitsweg."

Wird noch was gefordert?

Ja, Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fordert im Kampf gegen das Virus eine Initiative zur Ausweitung von Corona-Schnelltests. "Mit Abnahmegarantien und einer Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung muss Gesundheitsminister (Jens) Spahn sicherstellen, dass ausreichend Schnelltests produziert und auch von Privatpersonen gekauft und angewendet werden können", sagte Göring-Eckardt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Regelmäßige Schnelltests sollten laut Göring-Eckardt in allen Berufen, in denen Menschen regelmäßig mit wechselnden Kontakten arbeiten, für mehr Sicherheit sorgen. Als Beispiel nannte sie Ärzte, Pflegekräfte oder Polizisten.

Der Bundesfinanzminister sprach sich derweil dafür aus, "die Corona-Wirtschaftshilfen noch einmal großzügiger auslegen." Und: "Wir sollten monatliche Leistungen bis zu 1,5 Millionen Euro in den Blick nehmen. Wir müssen auch etwas für Einzelhändler mit Saisonware tun."

Auf welcher Grundlage wird am Dienstag entschieden?

Am Abend lassen sich die Spitzen von Bund und Ländern noch einmal von führenden Wissenschaftlern über deren neue Erkenntnisse informieren. "Da sind die dabei, die sie alle kennen", sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Sonntagabend bei "Anne Will" und nannte namentlich den RKI-Präsidenten Lothar Wieler und den Charité-Virologen Christian Drosten.

Warum herrscht so eine Eile?

Zur Frage, warum die Bund-Länder-Beratung so kurzfristig angesetzt wurde und warum die Lage so dränge, sagte Bouffier: "Was wir gar nicht einschätzen können, ist das britische Virus. Das ist der Grund, warum wir jetzt tagen." Dieses Mal werde man auch Wissenschaftler aus Großbritannien dabei haben. "Da wird es darum gehen: Welche Erkenntnisse habt ihr?" In Großbritannien hat sich eine wahrscheinlich deutlich ansteckendere Mutation des Coronavirus stark verbreitet. Sie wurde inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen. Auch in Südafrika ist eine vergleichbare Variante aufgetaucht. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Dynamik noch einmal beschleunige, wenn sich die Virus-Mutationen weiter ausbreiteten, sagte Altmaier. "Deshalb müssen wir jetzt - und das ist explizit meine Meinung als Wirtschaftsminister - auf der Ministerpräsidentenkonferenz die Weichen so stellen, dass wir in den nächsten Wochen die Infektionswelle endgültig brechen und ein erneutes Hochschießen der Dynamik bis Ostern verhindern."

Wie sind die aktuellen Zahlen?

Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert-Koch-Institut (RKI) 7141 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 214 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI bekanntgab. Montags sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Vor genau einer Woche hatte das RKI 12.497 Neuinfektionen und 343 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet. Auffallend ist allerdings, dass für mehrere Länder sehr niedrige Neuinfektionszahlen ausgewiesen werden. So meldet Rheinland-Pfalz laut RKI lediglich zwei neue Fälle binnen 24 Stunden, Bayern nur 269, das Saarland 14 und Sachsen 421. Diese Regionen waren zuletzt stärker vom Infektionsgeschehen betroffen.

Und noch eine gute Nachricht zum Schluss

Die Virologin Marylyn Addo erwartet in der Pandemie vom Frühjahr an und im Sommer eine deutliche Entspannung. "Schon wegen des wärmeren Wetters und der höheren Impfquote", sagte die Leiterin der Sektion Infektiologie vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Quelle: ntv.de, mit dpa und Reuters


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