Containerriesen fahren Corona-Flaute davon

  24 Januar 2021    Gelesen: 361
Containerriesen fahren Corona-Flaute davon

Die Frachtschifffahrt boomt. Die Auftragsbücher sind voll, die Schiffe ausgelastet, die Preise für Container hoch. Moller Maersk und Hapag Lloyd profitieren mit satten Kursgewinnen. Doch die Kehrseite sind Staus, Lieferengpässe und Chaos in den Häfen. Als Nächstes zahlt der Verbraucher drauf.

Für eine kriselnde Branche scheint die Achterbahnfahrt im Corona-Jahr 2020 glimpflich enden zu wollen. Während die Weltwirtschaft noch unter dem Schock der zweiten Pandemie-Welle steht, zeigt das Geschäft der Fracht-Reedereien eine schnelle und völlig unerwartete Erholung. Ob neue Möbel, Bohrmaschinen zum Heimwerken oder Hometrainer, um zu Hause fit zu bleiben: Der Hunger der Verbraucher nach neuen Waren wächst und damit auch der nach Containern, in denen die Konsumgüter, die großteils in Asien produziert werden, gen Westen transportiert werden.

"Das erste Quartal war gut, das zweite unglaublich schwach. Seit dem dritten Quartal sieht man, dass die Nachfrage wieder steigt. Die Leute kaufen mehr, weil sie nicht in den Urlaub fahren oder im Restaurant essen können", sagt Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen ntv. Damit gerechnet hatte er nicht.

Für Schub im Containergeschäft sorgt vor allem die Tatsache, dass die hohe Nachfrage auf ein begrenztes Angebot an Frachtraum trifft. Es ist "ein Engpassproblem", zitiert die "Financial Times" (FT) Lars Jensen vom Analysehaus Sea Intelligence. "Die Preise werden von Kunden bestimmt, die um eine begrenzte Ressource kämpfen - Container". Die Folge sind deutlich gestiegene Frachtpreise. Laut Branchenangaben ist der Transport eines Standard-Containers auf der Route von Asien nach Nordeuropa derzeit im Schnitt mehr als viermal so teuer wie vor acht Wochen. Statt 2000 US-Dollar werden 9000 US-Dollar fällig.

Der Kampf um die Ressource Container

Sogar Preise von bis zu 12.000 US-Dollar pro Container sind dem britischen Spediteur Edge Worldwide begegnet. Es gebe Fälle, in denen der Anstieg der Versandkosten bereits größer sei als der Gewinn durch den Verkauf der Waren, zitiert die FT den britischen Verband der Haushaltsgerätehersteller. Irgendwann müssten die Einkäufer diese Kosten an den Endverbraucher weitergeben, heißt es.

Schuld an dem Engpass bei Containern ist der erste Lockdown Anfang 2020: Damals reduzierten die großen Reedereien ihre Kapazitäten und gaben gemietete Frachtschiffe zurück. Tausende Container strandeten in Europa und den USA. Sie wurden nicht nach Asien zurück verschifft, weil es für sie dort schlicht keinen Bedarf gab. Die meisten Waren werden sowieso nur in eine Richtung, von Ost nach West, transportiert. Die Folge: Was der Westen heute - im Nachfrageboom - an Containern zu viel hat, hat Asien zu wenig.

Bei Börsianern kommt das sichtlich gut an: Die Aktien der Reedereien A.P. Moller Maersk und Hapag Lloyd sind seit November um knapp 50 Prozent beziehungsweise über 100 Prozent geklettert. Allerdings hat die Preisexplosion auch eine Kehrseite.

Staus, Lieferengpässe, Inflation

Eine Umfrage von IHS Markit ergab, dass die Lieferzeiten in der Eurozone im Dezember so lang waren wie seit dem Höhepunkt der Pandemie im April nicht mehr. "Versorgungsengpässe und höhere Frachtraten könnten das Handelswachstum etwas dämpfen" und auch zu "vorübergehend höherem Inflationsdruck im Laufe des Jahres" beitragen, zitiert die FT einen ING-Ökonomen.

Hapag-Lloyd-Chef Habben Jansen warnt nicht nur vor Lieferengpässen. Die Börsen-Euphorie über die gestiegenen Frachtraten ist zu diesem Zeitpunkt auch aus einem anderen Grund übertrieben. Übermäßig profitieren kann sein Unternehmen von diesem Trend nämlich noch nicht, wie er im Interview mit ntv sagt: "Alle reden immer über die Spotraten. Die Verträge, die wir letztes Jahr abgeschlossen haben, werden 'normal' erfüllt", sagt er. "Wenn wir den Durchschnittspreis von 2020 nehmen, liegen wir fünf Prozent über dem von 2019. Das ist keine Riesensumme."

Nach jahrelangem ruinösem Preiskampf, der in Pleiten und Fusionen mündete, ist die Trendwende mitten in der Corona-Krise für die Branche dennoch bemerkenswert. Die Finanzkrise 2008/09 haben die Reedereien weniger gut weggesteckt. Damals war die Situation umgedreht: Es gab zu viele Frachter und die Preise waren niedrig. Hapag Lloyd brauchte Finanzspritzen der Eigentümer, um sich über Wasser halten zu können. Auch danach musste der Niederländer Habben Jansen, der seit 2014 an Bord ist, immer wieder an der Kostenschraube drehen - auch zu Beginn der Pandemie.

Trotz aller Vorsicht geht Habben Jansen davon aus, dass der Boom 2021 anhalten wird. Kunden dürften versuchen, Engpässe, wie es sie derzeit gibt, zu vermeiden, sagt er. Außerdem ist seine Reederei im Unterschied zur Konkurrenz gut aufgestellt: Seine Flotte hat der Chef von Deutschlands größter Reederei gerade erst für knapp eine Milliarde Euro erneuert. Auch neue, sogar größere Container hat er mit Weitsicht beizeiten geordert.

Quelle: ntv.de


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