Der Flughafen Tegel ist nur acht Kilometer vom Berliner Olympiastadion entfernt. Doch das Symbol der alten Mauerstadt wurde im November 2020 geschlossen. Ein Segen für die Anwohner im Berliner Norden, ein Unglück für die Bundesliga-Mannschaft des FC Bayern München. Sie wollten nur schnell weg, den Flieger nach Doha bekommen. Mussten nun aber zum BER in Berlins Osten. Geplanter Abflug 23:15 Uhr. Letztes Bild in den sozialen Medien: 0:19 Uhr. Da noch Daumen hoch.
Im Wüstenstaat Katar findet dieser Tag die Klub-WM statt, der ewige Deutsche Meister vertritt dort Europas Farben. Sie hatten sich bemüht. In Abstimmung mit der DFL und den Rechteinhabern war sogar die Partie gegen Hertha BSC um 30 Minuten nach vorne verlegt worden. Aber am Ende ging es sich nicht aus. Vom Westend bis nach Schönefeld sind es 33 Kilometer, ein paar zu viel. Auch ein FC Bayern darf nicht mehr starten, die Münchener gehen erst am Morgen, mit über siebenstündiger Verspätung in die Luft.
Regeln stoppen den FC Bayern
Dass es so kam, geht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2011 zurück. Dort heißt es: "Reguläre Linienflüge in der Kernnachtzeit von 0 bis 5 Uhr sind ausgeschlossen - im Gegensatz zur 24-h-Genehmigung, die am Flughafen Schönefeld bestand." Der Fußball verliert seine Privilegien. Ausgeschlossen heißt neuerdings auch für ihn ausgeschlossen. Für den FC Liverpool, der aufgrund der Pandemie-Lage nicht zum Champions-League-Spiel nach Deutschland einreisen darf und auch für den FC Bayern München, der die Nacht in Berlin verbringen muss und erst um 7 Uhr in der Früh in Richtung Katar abheben kann - mit einem schnellen Zwischenstopp in München. Dort musste wegen der Warterei in Berlin die Crew von Flug QR 7402 getauscht werden, wie die Bayern auf Twitter mitteilten. Wie es nun um das Fifa Hygiene-Konzept, die notwendigen PCR-Testungen und die Chancen der Bayern bei der Klub-WM bestellt sein wird, werden die nächsten Tage zeigen.
Bis zu diesen Minuten kurz nach Mitternacht ist der Tag für die Bayern gut gelaufen. Nach einem packenden Bundesliga-Spiel gegen Hertha BSC bauen sie ihren Vorsprung in der Liga auf 10 Punkte aus. Ein Treffer von Kingsley Coman bleibt ohne Antwort der Gastgeber, die alles probieren, doch wenig Glück im Abschluss haben. Bei den Münchenern bleibt Robert Lewandowski zum ersten Mal seit dem 10. Spieltag Anfang Dezember ohne eigenen Treffer. Der Pole vergibt in der Anfangsphase sogar einen Elfmeter und verliert somit Boden im Kampf um den Gerd-Müller-Rekord. Er verharrt bei 24 Toren, 16 hinter der Marke des legendären Bayern-Stürmers.
Lewandowski bremst sich selbst aus
Im Berliner Schneetreiben verzichtet Hertha-Trainer Pal Dardai erst einmal auf die beiden Neuzugänge Sami Khedira und Nemanja Radonjic. Auf der Gegenseite bringt Hansi Flick Offensivpower auf den Platz. Er agiert vorne mit dem fünfköpfigen Monster Robert Lewandowski, Thomas Müller, Serge Gnabry, Leroy Sané und Kingsley Coman und stellt Joshua Kimmich dahinter. Die 4-1-5 Formation wird beim Aufrücken der Außenverteidiger Benjamin Pavard und Lucas Hernandez in manchen Phasen des Spiels zu einem 2-1-7.
Da findet sich Raum für die Gastgeber, denen Dardai Umschaltspiel verordnet hat und die bereits in der dritten Minute durch Dodi Lukebakio zu einem ersten Abschluss kommen. Hoch und runter geht es auf dem mit Schleppnetzen vom Schnee befreiten Platz. In den ersten 15 Minuten kommen beide Teams zu guten Chancen, Hertha-Keeper Rune Jarstein hält Lewandowskis Elfmeter, ein Fall für die Geschichtsbücher, und dann irgendwann senkt sich ein abgefälschter Schuss von Coman über den Norweger ins Tor.
Während der Ball auf dem Platz zunehmend im Schnee verschwindet, immer schwerer zu kontrollieren wird, rote Bälle an die Trainerbank gelehnt werden, Leroy Sanés Haare von einer Schneekrone verziert werden, geht das muntere Spiel weiter. Hin und wieder wird es unterbrochen. Dann liegen Spieler auf der Erde, so wie der muntere Matheus Cunha, der in der 34. Minute mit dem Kopf gegen Coman rennt und behandelt werden muss. Dann ist Halbzeit und danach spielen die Bayern. Angetrieben von Quarterback Joshua Kimmich kommen sie immer wieder zu Abschlüssen, doch langsam geht ihnen die Kraft aus. Noch bringt Hertha in den Umschaltsituationen keine Spieler vor den Ball, ihre Bemühungen enden so immer wieder in der Bayern-Abwehr oder beim Libero Manuel Neuer, der viel Zeit außerhalb seines Strafraums verbringt.
Auch die Einwechslung Radonjics für den glücklosen Krystzof Piatek bringt Hertha nicht den gewünschten Erfolg. Sie schieben das Spiel zwar über die linke Seite an, auf der der Serbe seine Gegenspieler mit viel Tempo überläuft, aber noch zu häufig aus dem Abseits startet. Hertha stellt nun die Passwege zu, beginnt die Schlussoffensive mit Khedira. Der kommt in der 80. Minute für Santiago Ascacibar. Ein Tor aber will nicht mehr fallen. Die beste Chance vergibt Cunha freistehend vor Neuer. Der Brasilianer lupft den Ball in der 89. Minute aus vollem Lauf am Bayern-Keeper, aber auch am Tor vorbei. So bleibt es beim 1:0 Erfolg der Bayern. "Man kann nicht in jedem Spiel zelebrieren," sagt ein zufriedener Thomas Müller und eilt in die Kabine. Er muss einen Flieger bekommen.
"Die hamwa janz jenau im Visier"
Wie es nun immer wieder der Fall ist, haben sich während des Spiels vor den Toren des Olympiastadions ein paar Fans versammelt. Sie trinken Bier und machen sich bemerkbar. Sie singen unter den kritischen Augen der Security Lieder gegen die Geisterspiele und für die Bayern. Im Stadion raunt man sich zu, es handle sich hierbei um eine Berliner Dependance einer Münchener Ultra-Gruppierung. "Die hamwa janz jenau im Visier. Seit einer jeraumen Zeit hat die Schickeria hier einen Ableger: Die Ickeria", sagt einer. Zwei Streifenwagen der Polizei schicken die Fans nach dem Spiel nach Hause. Langsam ziehen sie davon.
Wahrscheinlich werden sie schon bald von den Bayern überholt. Direkt nach Abpfiff geht es für sie die 30 Kilometer zum BER. Von dort wollen sie ja eigentlich vor Mitternacht in Richtung der Wüstensonne Katars abheben. Das Spiel gegen Al-Ahly steht bereits Anfang der Woche an. Den Auftrag in der Liga haben sie erledigt. Nun soll der Titel bei der Klub-WM her. "Wir wollten mit einem Sieg nach Katar abreisen", sagt Hansi Flick. "Jetzt wird es ein schöner Flug." Nur, wie sich dann herausstellt, erst nach einer eher unangenehmen Nacht dort draußen vor den Toren der Hauptstadt.
Dardai und Hertha wird das weniger interessieren. Der neue Sportchef Arne Friedrich verkündet, dass er nach einer Niederlage selten so stolz auf das Team war, Neuzugang Khedira erwartet in den kommenden Wochen "definitiv Punkte", doch mit nur einem aus den vergangenen sechs Spielen droht nun am Sonntag der Fall auf den Relegationsplatz. Nächsten Samstag geht es zum Aufsteiger nach Stuttgart. Dort müssen Cunha und Co Punkte sammeln. Auch für einen mutigen Aufritt gegen Bayern München gibt es eben keine Punkte, wenn der Gegner trifft und man selbst die besten Chancen liegenlässt.
Quelle: ntv.de
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