In der Debatte um den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca wenden sich mehrere Experten gegen grundsätzliche Bedenken. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der "Rheinischen Post": "Alle Impfstoffe haben ein reguläres Zulassungsverfahren durchlaufen und sind hochwirksam." Für die nächsten Monate bleibe absehbar, dass nicht ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stünden. "Deshalb muss priorisiert werden. Solange das so ist, kann es keine Wahlmöglichkeiten geben."
Die Wirksamkeit des Impfstoffes von Astrazeneca ist etwas geringer als bei Biontech/Pfizer und Moderna. Deshalb hatte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, gefordert, dass medizinisches Personal und Pflegekräfte nicht diesen Corona-Impfstoff gespritzt oder zumindest eine Wahlmöglichkeit bekommen. Zwar sei der Impfstoff genauso sicher wie die anderen und habe nach aktueller Studienlage auch nicht mehr Nebenwirkungen. "Doch die geringere Wirksamkeit lässt sich nicht wegdiskutieren", sagte Montgomery ebenfalls der "Rheinischen Post". Er habe Verständnis für medizinisches Personal, das sich nicht mit dem Astrazeneca-Impfstoff impfen lassen wolle.
Tatsächlich gibt es Berichte, dass die Verimpfung der gelieferten Mengen des Astrazeneca-Wirkstoffs stockt. So kritisierte die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann, dass am Wochenende bei einer "Sonderimpfung im medizinischen" Bereich 54 Prozent von 200 zur Impfung angemeldeten Personen nicht erschienen seien, ohne den Termin abzusagen. Der RBB berichtete, von den 30.000 seit vergangener Woche in Berlin eingetroffenen Dosen seien bisher erst knapp 1000 verimpft worden. In der Hauptstadt haben auch unter 65-Jährige die Walhfreiheit, nur wenige Ärzte und Pflegekräfte entschieden sich demnach für Astrazeneca.
Paul-Ehrlich-Institut prüft Fälle
Neben der geringeren Wirksamkeit des Vakzins spielen dabei auch Meldungen über starke Nebenwirkungen bei geimpftem Pflegepersonal eine Rolle. Das für die Impfstoffkontrolle zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) prüft diese Hinweise, auch für den Impfstoff von Biontech/Pfizer: "Aktuell untersucht das Referat Arzneimittelsicherheit des Paul-Ehrlich-Instituts, ob die gemeldeten Reaktionen über das hinausgehen, was in den klinischen Prüfungen beobachtet wurde, und ob - sofern das der Fall ist - Gründe dafür erkennbar sind", sagte eine Sprecherin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Aus den klinischen Prüfungen sei grundsätzlich bekannt, dass der Impfstoff von Astrazeneca häufig Impfreaktionen auslöse, und auch, dass bei den beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna die Reaktionen nach der zweiten Dosis stärker ausfallen können. An diesem Donnerstag will das Bundesinstitut im aktuellen Sicherheitsbericht eine Bewertung und Einordnung aller Fälle abgeben, die bis einschließlich 14. Februar gemeldet worden waren.
Virologe Christian Drosten forderte, an dem Astrazeneca-Vakzin festzuhalten. Es gebe keinen Grund, in Deutschland nicht mit dem Mittel zu arbeiten, sagte der Charité-Virologe im Podcast "Coronavirus-Update" bei NDR-Info. Wenn er sich die öffentliche Diskussion um diesen Impfstoff anschaue, habe er den Eindruck, dass vieles falsch verstanden worden sei. Drosten sprach sich dafür aus, hierzulande unbedingt auch auf den nach seiner Einschätzung "sehr guten" Astrazeneca-Impfstoff zu bauen. "Wir müssen alles dransetzen, jetzt so schnell wie möglich in der Breite zu impfen", bilanzierte der Virologe. "Die Impfstoffe, die wir haben, die sind extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte. Es gibt immer irgendwo ein Haar in der Suppe und manche schauen da mit dem Vergrößerungsglas drauf." Das solle man nicht tun. Wichtig sei, dass die Impfstoffe das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs minimierten.
Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verteidigt den Astrazeneca-Impfstoff. Den "Boykottaufruf" von Montgomery halte er für "völlig verantwortungslos", twitterte er. Er selbst werde ab Ende Februar als Impfarzt in Leverkusen eingesetzt. "Das gesamte Team, auch ich, werden uns mit dem Astra-Impfstoff impfen. Wir vertrauen ihm."
Vertrauensbildend äußerte sich auch Gesundheitsminister Jens Spahn bei ntv und RTL. Er betonte, dass alle drei in Deutschland zugelassenen Impfstoffe sicher seien und wirksam gegen eine Covid-19-Erkrankung schützten. Auf die Frage, ob sich Spahn auch mit dem Impfstoff der Firma Astrazeneca impfen lassen würde, sagte Spahn: "Ja, ich würde mich impfen lassen, wenn ich eine Impfung angeboten bekommen würde. Ausdrücklich auch mit Astrazeneca. Das ist ein sicherer und wirksamer Impfstoff."
Quelle: ntv.de, jog/dpa
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