Schalke wird auch aus der Ferne verhöhnt

  22 Februar 2021    Gelesen: 1025
  Schalke wird auch aus der Ferne verhöhnt

Beim FC Schalke gehen die Lichter aus, auch weil keiner trifft - zumindest nicht mehr für den Fußball-Bundesligisten. Der FC Bayern macht sich derweil selbst das Leben schwer. Das hat er mit Marco Rose gemeinsam: Beide haben anstrengende Monate vor sich.

Schalkes bitterer Stürmertausch

Natürlich, Witze auf Kosten des FC Schalke 04 sind dieser Tage arg billig. Die Situation beim traditionsreichen Revierklub ist desolat - und das auf allen Ebenen. Sportlich, auf Funktionärsebene und Teile der Fanszene wollten am Tag des Derbys auch irgendetwas Unpassendes inszenieren. Nein, es gehört sich wirklich nicht, über den FC Schalke zu schmunzeln. Aber da sind halt diese Zahlen: Nach dem desolaten 0:4 im Derby gegen Borussia Dortmund hat alleine Erling Haaland in 17 Spielen zwei Tore mehr geschossen als ganz Schalke in 22. Um solcherlei demütigende Gegenüberstellungen - und vor allem den Abstieg - zu verhindern, hatte man im Januar den Klubhelden Klaas-Jan Huntelaar zurück ins Katastrophengebiet gelockt. Tore sollte der Holländer liefern, so wie damals, als er mit dem FC Schalke in der Champions League spielte.

Die Älteren erinnern sich. Die Jüngeren aber, die haben keine Erinnerungen an den "Hunter", denn der 37-Jährige stand erst zehn Minuten für den FC Schalke der Neuzeit auf dem Platz. Die Harmlosigkeit heilen sollte Huntelaar, dabei wird er selbst nicht gesund. Erst hinderte eine Wadenverletzung, nun bremst ein Muskelfaserriss den Hoffnungsträger. Tragisch, traurig, ein bisschen komisch.

Und wie zum Hohne bringt sich auf Schalke einer in Erinnerung, der sein Glück in Königsblau nicht fand und sich im Somme verabschiedet hatte: Guido Burgstaller, in Gelsenkirchen stets bemüht und meistens glücklos, schießt auf einmal ein Tor nach dem anderen: Achtmal traf der Österreicher in den letzten sieben Spielen für den FC St. Pauli. Und auf Schalke werden sie jetzt vielleicht denken, dass der Burgstaller auf dem Platz doch den Huntelaar auf der Tribüne ausstechen würde. Lachen tut dabei niemand.

FC Bayern spart auf eigene Kosten

Man muss noch nicht mal zynisch sein, wenn man dem FC Bayern gewaltigen Stress und außergewöhnliche Belastungen zubilligt. Man meint damit dann natürlich nicht die fünf Stunden in der noblen Businessclass einer Chartermaschine, die die Bayern-Bosse jüngst als peinigende Zumutung, als ganz großen Skandal identifizierten. Der Rekordmeister wird seit dem großen Champions-League-Triumph tief im August quer über die Kontinente von Wettbewerb zu Wettbewerb gehetzt. Immerhin: Der DFB-Pokal-Rennerei entledigte man sich durch ein verregnetes Ausscheiden in Kiel erfolgreich selbst.

Müde Beine und die als größeres Problem identifizierten leergespielten Köpfe kompensierte man sehr lange erfolgreich mit sportlichem Pragmatismus: Immer irgendwie noch ein Tor mehr schießen als der Gegner. Am Ende gewann in der Regel der FC Bayern, der in der Hinrunde siebenmal (!) einen Rückstand zu einem Sieg umbiegen konnte. Das funktionierte lange so gut, dass wenigstens die Sorge um die Meisterschaft kein zusätzlicher Stressfaktor im eng getakteten Kalender war. Eine Menge Kraft gekostet hat das aber doch. Nach einem Punkt aus den beiden Spielen (3:3 gegen Bielefeld, 1:2 gegen Eintracht Frankfurt) seit der Rückkehr von der Klub-WM in Katar, ist das passé. "Es muss von Beginn an Aggressivität auf dem Platz sein", moserte Kapitän Manuel Neuer nach der Pleite in Frankfurt. "Wir haben nicht aus dem Bielefeld-Spiel gelernt. Es reicht gegen solch eine Mannschaft nicht."

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge gestand im "Aktuellen Sportstudio": "Wir müssen uns den Vorwurf gefallen lassen, dass wir in den ersten 30 Minuten zu unkonzentriert und zu inkonsequent gespielt haben. Wir haben eine gute Mannschaft, wir müssen nur hin und wieder ein Stück engagierter spielen. Wir ersparen uns manchmal den letzten Meter." Der gesparte letzte Meter, er kann jetzt teuer werden: Der komfortable Vorsprung auf alle Verfolger ist auf zwei Punkte zusammen geschmolzen. "Es gibt sicher viele Fans, die es gut finden, dass die Spitze enger zusammengerückt ist", sagte Rummenigge. Aber: "In unserem Interesse ist das nicht."

Der Frankfurter Held denkt zuerst an andere

Fatih Saracoglu - er ist einer der Ermordeten des rassistischen Anschlags von Hanau. Ein Jahr ist es her, dass sein Leben und das von acht weiteren Menschen grausam ausgelöscht wurde. Er und sein Name, sie alle, aber sind unvergessen. Auch, weil Amin Younes an ihn erinnerte. Der Frankfurter, der beim 2:1-Sieg gegen den FC Bayern erst ein Traumtor schoss und dann zur Ersatzbank lief, um ein Shirt mit Saracoglus Konterfei und Namen hochzuhalten. Ein Shirt, das da überhaupt nur lag, weil die Eintracht auch schon vor dem Spiel Größe bewiesen hatte. Das Team machte sich in den Erinnerungs-Shirts vor dem Spiel warm. "Ich weiß, dass das die Opfer nicht zurückbringt", erklärte Younes nach dem Spiel. Aber es war ein Zeichen, "dass wir an sie denken".

Da hatte der Überraschungsdritte der Liga gerade den deutschen Rekordmeister geschlagen und doch dachte Younes zuerst an die Hinterbliebenen. Groß, ein starkes Zeichen, von einem "tollen Menschen", wie sein Trainer Adi Hütter sagte. Dabei hatte der 27-Jährige durchaus Grund, egoistisch über sich und seine Leistung zu sprechen. Sein Coach bescheinigte ihm "absolute Weltklasse" und sagte: "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals schon einen Spieler mit dieser Qualität trainiert habe." Im Oktober vergangenen Jahres war Younes vom SSC Neapel nach Frankfurt gewechselt. Er wollte wieder Spaß am Fußball haben. Das ist dem nur 1,68 Meter großen Edeltechniker gelungen. Über den Spaß aber vergisst er nicht, was wirklich zählt im Leben.

Der BVB erklärt den Rose-Wechsel

Nein, beim BVB wird man offiziell vorerst nicht über Marco Rose sprechen. "Aus Respekt vor allen beteiligten Parteien wird sich Borussia Dortmund nach dem heutigen Tag erst im Anschluss an die Spielzeit 2020/21 wieder zur sportlichen Zukunft unter der Leitung von Marco Rose äußern." Dem Noch-Trainer von Borussia Mönchengladbach hatte man mit dem eigenen, letztlich erfolgreichen Werben eine Menge Ärger und ungemütliche letzte Monate am Niederrhein beschert. Wie man Rose, der in Gladbach höchst erfolgreich aber eben auch für Fans und Verantwortliche ärgerlich kurz gearbeitet haben wird, vom Wechsel überzeugen konnte, erfährt man also frühestens Ende Mai. Rose selbst hat schlicht von der Aufgabe gesprochen, die ihn reize.

Nun, der zuletzt eher unerklärlich dümpelnde, eigentlich so PS-starke BVB-Kader lieferte im Derby gegen den FC Schalke (4:0) die Idee einer Erklärung: In dieser Mannschaft steckt so viel, das es noch freizulegen und dann auf den Platz zu bringen gilt. Spielwitz, Kombinationsstärke und Wille des schwarz-gelben Ensembles überforderten den Gegner schlichtweg. Und begeisterten den ins zweite Glied zurücktretenden Übergangstrainer Edin Terzic. Besonders das dritte Tor des Abends hatte es dem 39-Jährigen angetan, "weil das eine sehr gute Teamleistung war, wo wir genau die Sachen gesehen haben, die wir täglich versuchen einzustudieren. Wie wir kombinieren wollen, dann auf dem Flügel mit einem Kontakt schnell hinter die Abwehr zu kommen und dann nochmal quer zu spielen", erklärte er auf der Pressekonferenz leidenschaftlich.

Und dann ist da eben noch dieser Erling Braut Haaland, über den schon so viele Worte verloren wurden, von denen aber keines verschwendet ist: "Er ist eine Maschine. Er ist sehr torhungrig, das sieht man in jedem Spiel", schwärmte Marco Reus. "Seine positive Energie auf dem Platz pusht uns. Er tut uns unheimlich gut, wir hoffen, dass er so weitermacht und in den nächsten Spielen weiter Tore schießt." Und eben in der nächsten Saison, wenn Rose ihn unter seinen Händen hat. Die Versuchung war offenbar zu groß, um ihr zu widerstehen. Eine Erkenntnis, die den Ärger der Gladbacher Fans kaum dämpfen wird. Weitere Erklärungen kann man sich im Mai dann auch sparen.

Bei der Hertha "stimmt irgendwas nicht"

"0:3 - Das sieht nicht schön aus", fasste Herthas Pal Dardai die Heimpleite gegen Leipzig trocken zusammen. Es dämmert einem so langsam, warum er prophezeite, dass seine zweite Amtszeit als Cheftrainer deutlich schwieriger beginnen wird. Aktuell sind die Berliner punktgleich mit dem Relegationsplatz und haben dabei sogar noch ein Spiel mehr als Bielefeld. Die Gäste aus Leipzig nahmen die Schwächen der Berliner dankbar an: Beim 2:0 vertändelt Herthas Matteo Guendouzi den Ball im eigenen Sechszehner, dann gibt es beim 3:0 noch das fast schon obligatorische Standardgegentor. Dazu kommt, dass bei den Berlinern "das Quäntchen Glück im Moment nicht da ist", wie Dardai sagt. Da passiert es schon mal, dass kurz vor der Halbzeit der wunderschöne Sonntagsschuss von Marcel Sabitzer zum 1:0 ins Tor fällt.

Die Lösung für die Probleme? Dardai sucht sie noch. "Irgendwas stimmt nicht", bilanzierte er bei Sky nach der Partie. Der letzte Sieg gelang am 2. Januar gegen Schalke 04, die lange Zeitspanne wird nun auch "psychologisch nicht einfach". Neben vielen individuellen Fehlern in der Abwehr ist die Hertha offensiv erschreckend harmlos. Der Berliner Brasilianer Matheus Cunha wartet nun schon seit einer Ewigkeit (Ende November 2020) auf einen Treffer, der "Spiegel" schreibt von der inzwischen 100. Ecke ohne eigenen Torerfolg. Bei Dardais letztem Einsatz als Feuerwehrmann 2014/15 stabilisierte er zuallererst die Defensive und holte aus den restlichen 14 Spielen nur vier Siege. Sollte die Klasse diesmal gehalten werden, wird es wohl erneut kein Offensivspektakel werden. Denn Abstiegskampf sieht selten schön aus.

Leipzig macht das, was Bayern nicht macht

Manchmal kann Fußball doch so einfach sein. RB Leipzig macht im Moment das, was die Bayern in der Bundesliga zuletzt immer wieder nur mit Mühe (Hertha, Augsburg, Freiburg) oder gar nicht (Bielefeld, Frankfurt) schafften: Ein Tor mehr als der Gegner schießen. Während die Bayern für Königsklasse und Klub-WM quer über den Globus jetten, schmilzt der Vorsprung in der Bundesliga auf nur noch zwei Punkte. Plötzlich ist das Team von Julian Nagelsmann wieder am Rekordmeister dran. Auch weil sie gewinnen, wenn sie gewinnen müssen.

Die Erfolge gegen Hoffenheim, Stuttgart, Union, Leverkusen und Augsburg wurden alle jeweils mit einem Tor Vorsprung über die Zeit gebracht und verdienen damit häufig das Prädikat "Arbeitssieg". Dabei hilft es auch, die statistisch beste Defensive der Liga im Rücken zu haben. Mit nur 18 Gegentreffen hat Rasenballsport ein Tor weniger als die Wolfsburger Maurer kassiert (seit sechs Spielen ohne Gegentor). Am Sonntagnachmittag beim deutlichen 3:0-Sieg gegen die Hertha bekam Lukas Klostermann bei gleich zwei Berliner Großchance noch den Fuß dazwischen. Nagelsmann lobte seine Mannschaft für die Reaktion nach der 2:3-Niederlage gegen Mainz, damals wuchs der Rückstand auf den Rekordmeister auf sieben Punkte. Und gab auch einen Ausblick auf die kommenden Wochen: "Wir müssen fokussiert bleiben und versuchen, unserer Spiele zu gewinnen." Fußball ist manchmal wirklich nicht kompliziert.

Quelle: ntv.de


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