Die Schiedsrichter können durchschnaufen

  15 März 2021    Gelesen: 538
  Die Schiedsrichter können durchschnaufen

Bei seinem Bundesliga-Comeback nach langer Verletzungspause muss Schiedsrichter Deniz Aytekin in Berlin gleich einige knifflige Entscheidungen treffen, liegt dabei aber durchweg richtig. Insgesamt wird über die Unparteiischen nach zuletzt turbulenten Wochen an diesem Spieltag nur selten diskutiert.

Das 180. Bundesligaspiel als Schiedsrichter war für Deniz Aytekin sein erstes in dieser Saison - und das am 25. Spieltag. Der Grund für diese späte Premiere ist eine Verletzung an der Achillessehne, die den 42-Jährigen monatelang außer Gefecht setzte. In der Partie zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem 1. FC Köln (2:1) feierte der erfahrene und von den Bundesligaprofis sehr geschätzte Unparteiische aus Oberasbach in Mittelfranken nun seine Rückkehr ins deutsche Fußball-Oberhaus. Dabei hatte er gleich mehrere Strafraumsituationen zu bewerten, die ein besonders genaues Hinschauen erforderlich machten.

Die erste davon ereignete sich nach 27 Minuten im Anschluss an einen Eckstoß für die Gastgeber, bei dem der Ball in die Strafraummitte geschlagen wurde. Neben den Kölnern Rafael Czichos und Jonas Hector stieg auch der Berliner Nico Schlotterbeck an der Torraumgrenze hoch - und köpfte die Kugel gegen den linken Oberarm von Czichos. Weil Aytekin kein Handspiel wahrgenommen hatte, empfahl ihm der Video-Assistent ein Review, doch der Referee entschied sich nach dem Betrachten der Bilder auf dem Monitor am Spielfeldrand gegen einen Strafstoß.

Ein nachvollziehbarer Entschluss: Czichos befand sich mit dem Rücken zu Schlotterbeck und sah den aus kürzester Distanz geköpften Ball deshalb gar nicht kommen. Zudem wurde er vom Berliner noch ein wenig im Sprung gedrückt, und sein Arm befand sich nicht unbedingt in einer Position, die für eine Sprungbewegung unnatürlich war. Alles in allem sprach hier mehr gegen ein strafbares Handspiel als dafür. In der kommenden Saison wird es bei der Bewertung von Handspielen eine noch größere Rolle spielen, ob sich die Haltung des Armes und der Hand aus einer normalen, fußballtypischen Körperbewegung ergibt oder vor allem dazu dient, sich breiter zu machen. Bei Czichos war recht eindeutig Ersteres der Fall.

Beide Strafstöße waren berechtigt

Anders verhielt es sich kurz nach der Pause, als Julian Ryerson von der linken Seite den Ball in den Strafraum der Gäste flankte. Der Kölner Marius Wolf drehte sich im Moment der Hereingabe zwar weg und zog den rechten Arm eng an den Körper, seinen linken Unterarm jedoch führte er waagerecht in die Flugbahn des Balles - und lenkte die Kugel damit ab. Schiedsrichter Aytekin befand sich in unmittelbarer Nähe, hatte den Vorgang genau wahrgenommen und zögerte deshalb nicht mit dem Elfmeterpfiff. An dessen Berechtigung konnte es keinen Zweifel geben, denn hier lag genau das vor, was im Regelwerk mit "Vergrößerung der Körperfläche" gemeint ist.

Bereits in der Nachspielzeit der ersten Hälfte hatte der Unparteiische auf Strafstoß entschieden, allerdings auf der anderen Seite, also für den 1. FC Köln, und auch nicht aufgrund eines Handspiels, sondern nach einem Foul. Auch dieser Elfmeter war berechtigt, denn als Jonas Hector den Ball im Strafraum von Union an Benjamin Knoche vorbeilegte, fuhr dieser das linke Bein aus und traf mit seinem Schienbein das des Kölners. Mochte dieser daraufhin auch ein bisschen theatralisch zu Boden gegangen sein, so war der Einsatz von Knoche doch eindeutig regelwidrig. Beide Strafstöße gab Deniz Aytekin also, ohne dass ein Hinweis des VAR nötig wurde. Und auch ansonsten konnte er zufrieden mit seinem Comeback sein.

Boateng gegen Sargent: Gefoult oder hängen geblieben?

Sein Kollege Manuel Gräfe brachte derweil das Spiel des SV Werder Bremen gegen den FC Bayern München (1:3) ebenfalls gewohnt souverän über die Bühne. Wirklich strittig war in dieser vom Rekordmeister deutlich dominierten Begegnung auch nur eine Szene nach 53 Minuten im Strafraum der Gäste: Als Joshua Sargent den Ball nach einem feinen Zuspiel von Romano Schmid annahm, schwang sein linker Fuß weiter in den Laufweg von Jérôme Boateng, der je nach Sichtweise entweder mit seinem rechten Fuß an Sargents Unterschenkel hängenblieb oder den Bremer dort traf. Zu Fall kamen daraufhin jedenfalls beide Spieler, und der Unparteiische zeigte sogleich an, dass weitergespielt wird.

Je nach Kameraeinstellung sieht es mal mehr danach aus, dass Sargent seinen Gegenspieler stolpern lässt, und mal mehr danach, dass Boateng den Amerikaner tritt. Da Sargent in Ballbesitz war und vermutlich vorhatte, die Kugel mit dem linken Bein abzuschirmen, spricht mehr für ein fahrlässiges Foul von Boateng, doch wirklich eindeutig war die Sachlage nicht. Gräfes Entschluss, den Zweikampf durchzuwinken, war deshalb vertretbar - und daher bestand auch kein Anlass für den Video-Assistenten, zum Review zu raten. Denn eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung war hier nicht gegeben, dafür war die Situation zu uneindeutig.

Im Gegensatz dazu gab es zur Roten Karte, die der aufmerksame und umsichtige Schiedsrichter Martin Petersen in der Begegnung Borussia Dortmund gegen Hertha BSC (2:0) dem Berliner Vladimir Darida nach 80 Minuten zeigte, keine zwei Meinungen. Darida hatte Marco Reus bei einer Grätsche von hinten mit den Stollen an der Achillessehne getroffen und den Kapitän des BVB umgehend um Entschuldigung gebeten. Zu ganz ähnlichen Vergehen war es zuvor im Nachholspiel zwischen Arminia Bielefeld und Werder Bremen unter der Woche sowie am Freitagabend in der Zweitligapartie des VfL Bochum gegen den Hamburger SV gekommen. In allen Fällen gab es einen Feldverweis für diese gesundheitsgefährdenden Fouls - und dass die Referees hier so konsequent waren, ist so richtig wie notwendig.

Quelle: ntv.de


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