Der Fall des V-Manns Murat Cem alias VP01 zieht immer größere politische Kreise. Vor dem Rechtsausschuss des Bundestages debattierten an diesem Mittwochnachmittag Sachverständige aller Fraktionen über einen Antrag zur Reform des polizeilichen V-Mann-Wesens. Ein Gesetz, das den Umgang mit Vertrauenspersonen der Polizei regelt, sei dringend erforderlich, sagte der Kölner Strafverteidiger Nikolaos Gazeas. »Ein Handeln innerhalb rechtlicher Grauzonen ist inakzeptabel und in diesem Fall sogar verfassungswidrig«, so Gazeas.
Der Vortrag des Experten vor den politischen Akteuren wurde zu einer Abrechnung mit dem bislang kaum kontrollierten Einsatz von Spitzeln im polizeilichen Alltag. Insbesondere die Causa Murat Cem zeige eindrücklich, wozu fehlende gesetzliche Vorgaben führen könnten, sagte Gazeas. Ohne die Recherchen des SPIEGEL wären teils gravierende Vorfälle in der Karriere des Polizeiinformanten wohl nie ans Licht gekommen, so der Strafrechtler.
Hintergrund der Initiative der FDP, das V-Mann-Wesen der Strafverfolger endlich gesetzlich zu regeln, sind Enthüllungen des SPIEGEL über den früheren Informanten der nordrhein-westfälischen Polizei. Der als VP01 bekannt gewordene Informant mit dem Decknamen Murat Cem war 2015 in eine Islamistenzelle eingeschleust worden. Dort traf der Türke auf den späteren Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri. Cem warnte die Polizei mehrfach vergeblich vor dem Tunesier, der später mit einem Anschlag 2016 elf Menschen tötete und Dutzende teils schwer verletzte. Eine Titelgeschichte zeichnete im vergangenen Jahr seine fast 20-jährige Karriere als V-Mann nach. Cems Werdegang offenbart massive Mängel in der Polizei. Er jagte Drogendealer, Waffenhändler, Mörder und Salafisten. Beamte beschreiben ihn als den besten V-Mann, den sie je hatten. Daher waren sie offenbar bereit, ihn um jeden Preis zu schützen.
spiegel
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