Nach Hermann Hesse liegt jedem Anfang bekanntlich ein Zauber inne. In der Tat: Elon Musk und Tesla haben reichlich Fantasie und Zauber in den Aktionärsseelen entfacht. Doch der Zauber verliert zunehmend an Glanz. Das Modell- und Innovationsfeuerwerk der deutschen Autohersteller ist, was das Thema Elektromobilität angeht, spät gestartet, aber es ist jetzt da. Und es zeigt Wirkung: Teslas Marktanteile schrumpfen. Die Chancen, über Wachstum in Zukunft endlich Gewinne zu machen, gehen gegen null. Und über allem schwebt das Damoklesschwert einer Investitionsruine auf der grünen Wiese in Brandenburg. Noch halten die Aktionäre - über zwei Jahrzehnte von Kurssteigerungen reichlich verwöhnt - Tesla die Treue, aber wie lange noch?
Die langjährigen Berufserfahrungen des Autors mit Wirtschaftsentwicklungen, Automobilmärkten und -unternehmen sowie deren Kommen und Gehen, erlauben eine sichere Vorhersage zumindest darüber, dass mit dem Zauber kein ewiger Bund zu schließen ist. Und dass auf den Zauber des Aufstiegs von Tesla als nächste Stufe der schmerzliche Niedergang folgen wird. Denn Fakt ist: Der Niedergang hat bereits begonnen. Drei Gründe sprechen dafür: einseitige Konzentration auf Musk als Übervater und Marketing-Guru, extrem schmales Modellprogramm ohne Verbrenner-Technologie und erfolgreiche Aufholjagd des Verbrenner-Wettbewerber. Kurz: Die Meute holt nicht nur auf, sie ist inzwischen da!
Alle Unternehmens- und Geschäftsvorgänge bei Tesla sind bisher einseitig völlig auf die Person Musk zugeschnitten. Er ist die alleinverantwortliche Person. Es existieren de facto weder Stellvertreter noch sind direkte Nachfolger vorhanden oder benannt. Musk entscheidet schnell, aber einsam und nicht berechenbar. Gerichtliche Auseinandersetzungen stehen deshalb en masse auf der Tagesordnung. Seit Neuestem hat Musk sich von Tesla den Titel "Technoking" andienen lassen. Der Finanzvorstand darf sich künftig "Master of Coin" nennen, gemeint ist vermutlich Bitcoin, in die Musk vor Kurzem 1,5 Milliarden Dollar investiert hat.
Schmales Modellprogramm
Mögen Teslas Personal- und Finanzstruktur-Probleme bis dato auch nur virtuell sein, die Marktprobleme sind dagegen bereits sehr real. Der Marktanteil des Unternehmens - selbst bei den rein elektrisch angetriebenen Elektroautos - ist in Deutschland beispielsweise seit zwei Jahren im Abwärtstrend. Lag er zu Beginn des Jahres 2019 noch bei rund 30 Prozent, fiel er 2020 auf etwa 9 Prozent. Ein weiteres Absinken 2021 ist programmiert, dafür sorgen schon VW, BMW und Daimler.
Diese Entwicklung hängt vor allem mit Teslas einseitiger und totaler Ausrichtung auf Batterie-Elektromobilität und Vernetzung ab. Die deutschen Hersteller können das inzwischen auch, folgen aber dabei den Kundenwünschen und setzen mehr und mehr auf innovative Plug-In-Hybrid Technologie, die eine umweltfreundliche Kombination zwischen Verbrenner-Reichweitensicherheit und Komfort mit lokaler elektrischer Emissionsfreiheit bietet. Der Gesetzgeber hat diese Technologie als CO2-mindernd anerkannt und akzeptiert.
Der Markt gibt den deutschen Herstellern recht, wie die aktuellen E-Auto-Neuzulassungen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) zeigen: Die Elektro-Neuzulassungen nahmen im Februar 2021 um 143 Prozent auf 40.160 Pkw gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum zu. Der Anteil von E-Pkw am Gesamtmarkt erreichte 20,7 Prozent - jeder fünfte Neuwagen in Deutschland fährt damit bereits elektrifiziert.
Sogenannte Batterie-Elektro-Pkw, wie Tesla sie etwa baut, erreichten laut KBA mit 18.278 Pkw einen Marktanteil von 9,4 Prozent, 21.879 E-Fahrzeuge nutzten dagegen die Plug-in-Technik. Tesla verzeichnete im Februar mit 1918 E-Autos zwar einen Zuwachs von 180 Prozent, der Marktanteil lag aber nur bei 1 Prozent. Die befürchtete Verdrängung der heimischen Hersteller vom Markt dürfte damit 2021 eher nicht stattfinden.
Zudem weist Tesla auch nach E-Auto-Marktsegmenten nirgends eine Pole Position aus: In der Reihe der zulassungsstärksten Modelle steht bei den BEV der VW Up mit 2215 Einheiten an erster Stelle, gefolgt bei den Plug-in Hybriden VW Golf mit 1667 Einheiten.
Aufholjagd der Konkurrenz
Die Autoindustrie ist aufgewacht und hat eine Elektrooffensive ohnegleichen gestartet. Alle globalen Autohersteller von Rang und Namen bauen ihre Stromer-Flotten zügig aus. Einsame Spitze dabei sind die deutschen Hersteller, deren Elektro-Ausbaupläne sowohl im Premium- als auch im Volumensegment so umfangreich sind, dass Tesla da mit seinem schmalen Pkw- und Lkw-Modellprogramm (Model 3, Model S, Model Y, Model X, Cybertruck, Roadster und Lkw Semi) bis auf das Model 3 nicht mehr mithalten kann.
Das Konkurrenzangebot zu Tesla an elektrifizierten Automobilen (BEV + PHEV) wird täglich größer, allein in Deutschland kommen zu den bereits bestehenden 120 Modellen im Jahr 2021 30 neue elektrische Modelle hinzu, die die gesamte Breite des Marktes von den unteren bis hin zu den oberen Segmenten abdecken; selbst in der Klasse der Luxuslimousinen hält der E-Antrieb mit dem Daimler EQS Einzug. Vor allem bei den PHEV-Modellen, wo die deutschen Hersteller extrem stark sind, kann der E-Autoionier nicht mithalten. Denn Tesla kann Verbrenner nicht.
Dieser Modelloffensive hat Tesla nichts entgegenzusetzen. Selbst im Markt für reine Elektroautos (BEV) rangiert Tesla inzwischen nicht mehr in der Gruppe der ersten Fünf. Damit steht die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel. Wie auf dem deutschen Markt geht der Marktanteil Teslas überall zurück, gleichzeitig gewinnt der deutschen Autoindustrie auch wieder an Bedeutung. In Europa sind die deutschen Hersteller bereits "Europameister". Und selbst in den USA, der Heimat Teslas, fahren inzwischen weniger Elektroautos als in Deutschland.
Musk scheint selber von der Rentabilität solcher Zukunftsprojekte nicht ganz überzeugt zu sein. Anders ist seine öffentliche Verlautbarung nicht zu verstehen, 1,5 Milliarden US-Dollar in Bitcoins angelegt zu haben. Geld, das damit Investitionen ebenso entzogen ist wie dem Fiskus, Aktionären und anderen Gläubigern. Und das hoffentlich nicht aus brandenburgischen Fördertöpfen stammt.
Viele Hunde sind des Hasen Tod
Die Entwicklung rund um Tesla bestätigen die alte Volksweisheit "Viele Hunde sind des Hasen Tod". In der Ökonomie sind solche Abläufe nicht neu: Der Pionier betritt die Bühne, begründet mit einem innovativen Produkt einen völlig neuen Markt und ist zunächst als Monopolist sehr erfolgreich. Bis dann die Konkurrenz erwacht, zur Aufholjagd startet und den Pionier zur Aufgabe oder Übergabe drängt.
Dieser Aufhol- und Verdrängungsprozess spielt sich gegenwärtig weltweit auf allen Elektroauto-Märkten unter Führung der deutschen Automobilindustrie, hier vor allem Volkswagen, ab.
Tesla ist es selbst in Monopolzeiten nicht gelungen, rentabel zu wachsen. Mit zunehmender Oligopolisierung des Marktes ist das nun gänzlich unmöglich geworden. Tesla geht einen schweren Weg. Am Ende ist nicht auszuschließen, dass ein deutscher Autohersteller eine von deutschen Steuerzahlern hoch subventionierte Gigafabrik in Grünheide bei Berlin günstig erwerben kann.
Quelle: ntv.de
Tags: