Risiko bei mRNA-Vakzinen so hoch wie bei Astra?

  16 April 2021    Gelesen: 2341
  Risiko bei mRNA-Vakzinen so hoch wie bei Astra?

Forscher aus Großbritannien finden heraus, dass Hirnvenenthrombosen bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna fast genauso häufig sind wie beim Astrazeneca-Vakzin. Droht jetzt neue Gefahr für die Impfkampagne? Hier eine Übersicht über die wichtigsten Fragen.

Eine neue Studie der Uni Oxford sorgt für Aufsehen: In dieser gehen Forscher der Häufigkeit von Blutgerinnseln im Gehirn und der Leber in Zusammenhang mit Covid-19, aber auch mit Impfungen gegen das Coronavirus nach. Die Wissenschaftler finden demnach heraus, dass nach Impfungen mit Covid-19-Impfstoffen das Risiko eines Blutgerinnsels im Gehirn etwa zehnmal höher als unter normalen Umständen ist. Und das gilt nicht nur für den Vektorimpfstoff von Astrazeneca, sondern auch für mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Was könnte das für Folgen für die Impfkampagne haben? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Vergleicht die Studie Risiken verschiedener Corona-Impfstoffe?

Tatsächlich werden in der Studie der Uni Oxford Risiken für besondere Arten von Blutgerinnseln miteinander verglichen: für Covid-19-Erkrankte, für mit den Präparaten von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca Geimpfte sowie für die übrige Bevölkerung. Dafür hatten die Wissenschaftler Datenbanken in den USA und Europa durchkämmt. Dabei fanden sie heraus: Das Risiko für eine Hirnvenenthrombose war für Geimpfte höher als üblich. Und dabei gab es kaum Unterschiede zwischen den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna, bei denen vier Fälle je einer Million Erstimpfungen auftraten. Nach Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff waren es fünf Fälle pro Million Geimpfter. Bei der Hintergrundinzidenz, also der üblichen Häufigkeit von Hirnvenenthrombosen, kamen die Forscher auf einen Wert von nur 0,4 Fällen je eine Million Menschen.

Drohen nun auch Einschränkungen für die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna?

Hier muss klar unterschieden werden: Die Oxford-Studie bezieht sich lediglich auf die Häufigkeit von Hirnvenen- und Pfortaderthrombosen. Bei der jüngsten Diskussion um das Risiko einer Astrazeneca-Impfung spielt aber ein noch ein anderes, gleichzeitig auftretendes Phänomen eine wichtige Rolle: eine Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen). Beides zusammen trat sehr selten auf, endete in einigen Fällen jedoch tödlich. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hatte ihre Entscheidung, den Astrazeneca-Impfstoff in der Regel nur über 60-Jährigen zu geben, mit dem Auftreten von einem bis zwei dieser Fälle je 100.000 geimpfter jüngerer Frauen (also 10 bis 20 Fälle pro Million) begründet. In der Oxford-Studie wird das Risiko von Thrombosen bei gleichzeitiger Thrombozytopenie in Zusammenhang mit Impfungen jedoch nicht ermittelt.

Welche Erkenntnisse hat das Paul-Ehrlich-Institut dazu?

Laut dem für die Sicherheit von Impfstoffen zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wurden in Deutschland bisher 89 Fälle von Thrombosen nach einer Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Vakzin erfasst - in keinem dieser Fälle jedoch wurde eine Thrombozytopenie beobachtet. Das Gleiche gilt für den Impfstoff von Moderna. Beim Astrazeneca-Impfstoff hingegen trat die Kombination von Thrombosen und Thrombozytopenien 27 Mal auf - in 23 Fällen handelte es sich um eine gefährliche Hirnvenenthrombose. Acht Betroffene starben - fünf Frauen und drei Männer.

In Bezug auf Hirnvenenthrombosen (ohne Thrombozytopenie) wurden nach Biontech/Pfizer-Impfungen sieben Fälle gemeldet. Laut dem PEI ist diese Zahl unter Berücksichtigung der verimpften Dosen im Vergleich zur gewöhnlich erwarteten Zahl nicht erhöht - was den Erkenntnissen der Oxford-Studie widerspricht.

Was ist das Besondere an den schweren Nebenwirkungen nach Astrazeneca-Impfungen?

Mittlerweile haben sich Forscher dem seltenen aber schwerwiegenden Phänomen der Thrombosen mit Thrombozytopenien nach Astrazeneca-Impfungen angenommen. In der Studie des Greifswalder Forschers Andreas Greinacher und seiner Kollegen wurde das Phänomen als impfstoffinduzierte immune thrombotische Thrombzytopenie (VITT) beschrieben. Bei diesem spielen Antikörper eine entscheidende Rolle, welche die Erkrankung auslösen sollen. Der Ursprung dieser Antikörper ist jedoch unklar. Die Studie von Greinacher und seinen Kollegen kommt zu dem Schluss, dass die Impfung mit dem Astrazeneca-Vakzin das Phänomen VITT verursachen kann.

Auch im Zusammenhang mit dem Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson - wie das Astrazeneca-Präparat ein Vektorimpfstoff - ist Ähnliches beobachtet worden: In den USA waren sechs Fälle von Hirnvenenthrombosen erfasst worden waren, in drei Fällen kam es zusätzlich zu einer Thrombozytopenie. Daraufhin hatten Behörden in den USA ein vorübergehendes Aussetzen der Impfungen mit dem Vakzin von Johnson & Johnson empfohlen.

Was ist die eigentliche Aussage der Studie aus Oxford?

Die britischen Forscher selbst betonen, dass ein Vergleich zwischen dem Risiko von Impfstoffen anhand der unterschiedlichen von ihnen verwendeten Datenquellen mit Vorsicht zu genießen sei. Sie heben in ihrer Studie zudem eine andere Erkenntnis hervor: Nämlich, dass durch eine Covid-19-Erkrankung das Risiko von Hirnvenenthrombosen wesentlich höher ist als für Geimpfte: etwa 100 Mal höher als normal. 30 Prozent der Fälle träten bei Personen unter 30 Jahren auf. Im Vergleich zu den verfügbaren Covid-19-Impfstoffen sei die Gefahr, jedoch lediglich um acht- bis zehnmal höher. Laut Co-Autor Paul Harrison eine Tatsache, die "bei der Abwägung von Risiken und Nutzen einer Impfung berücksichtigt werden sollte", heißt es in einer Mitteilung der Universität. Die Forscher werfen zudem die Frage auf, ob ein ähnlicher Mechanismus bei Covid-19 und den Impfstoffen für das höhere Risiko von Hirnvenenthrombosen verantwortlich ist.

Sind die Autoren befangen, weil die Uni Oxford auch den Astrazeneca-Impfstoff mitentwickelt hat?

Die Uni Oxford hat zusammen mit Astrazeneca den Covid-19-Impfstoff des Pharmakonzerns entwickelt. Der Verdacht liegt nahe, dass die Universität ein Interesse daran hat, die Risiken durch das Astrazeneca-Vakzin zu relativieren. Bisher gibt es jedoch keine Hinweise auf einen Interessenkonflikt: Das Forscherteam, das die Daten nun vorlegte, arbeitete den Angaben zufolge unabhängig von dem Impfstoff-Team der Universität, das das Vakzin entwickelte.

Quelle: ntv.de


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