Mahmoud Abbas hat Angst vor der Zukunft

  30 April 2021    Gelesen: 1974
Mahmoud Abbas hat Angst vor der Zukunft

93 Prozent der Wahlberechtigten hatten sich für den Urnengang registriert. Palästinenserpräsident Abbas hat die erste demokratische Wahl seit 15 Jahren trotzdem abrupt abgesagt. Seine Rivalen zürnen.

Zum ersten Mal seit 15 Jahren sollte es so weit sein. Die Palästinenserinnen und Palästinenser sollten am 22. Mai ein neues Parlament wählen. Es wäre ein Hauch von Demokratie gewesen in den immer autoritärer regierten palästinensischen Gebieten, zumindest eine kleine Chance, das politische Leben wiederzuerwecken.

Doch dazu wird es nicht kommen – vorerst. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hat am Donnerstagabend verkündet, die angekündigten Parlamentswahlen zu verschieben. Die Absage der Wahlen ist ein weiterer Schlag gegen die Demokratie in den palästinensischen Gebieten.

Die Idee der Wahlen kam gut an: 93 Prozent der Wahlberechtigten hatten sich für den Urnengang registriert. Für die Hälfte wären es die ersten Wahlen in ihrem Leben gewesen.

Viele Menschen in den palästinensischen Gebieten sehnen sich nach Veränderung. Die wirtschaftliche Situation verschlechtert sich stetig, mit Corona erst recht. Ernsthafte Friedensgespräche mit Israel gibt es schon lange nicht mehr, und die Bevölkerung leidet sowohl unter der israelischen Besetzung als auch unter der repressiven Herrschaft ihrer eigenen Anführer.

Im Vorfeld der erwarteten Ankündigung von Abbas versammelten sich Demonstranten in Gaza und in Ramallah im Westjordanland, um gegen die Verschiebung der Wahlen zu protestieren. Die islamistische Hamas, die Rivalin der säkularen Fatah von Präsident Abbas, verurteilte die Entscheidung und machte die Fatah dafür verantwortlich.

Offiziell begründet Präsident Abbas die Absage damit, dass immer noch eine klare Ansage aus Israel fehle, ob es eine briefliche Stimmabgabe für Palästinenserinnen und Palästinenser in Ostjerusalem zulasse: »Ohne Jerusalem keine Wahlen«, hatte er im Vorfeld verkündet. Konkret betrifft das nur etwa 6000 Stimmberechtigte, die nicht auf anderem Weg wählen können.

Aber Jerusalem ist symbolisch wichtig, weil die Palästinenser den israelisch annektierten Ostteil der Stadt als ihre künftige Hauptstadt beanspruchen. Auch steht dort auf dem Tempelberg die Aksa-Moschee, das drittwichtigste Heiligtum des Islam. Um die Aksa-Moschee entzünden sich regelmäßig Konflikte. Zuletzt kam es dort vor wenigen Tagen nach einer Veranstaltung einer rechtsextremen jüdischen Gruppierung zu Ausschreitungen. Die islamistische Hamas beschoss daraufhin Israel aus dem Gazastreifen mit Raketen.

Israel hat sich öffentlich nicht zur Frage der Wahlbeteiligung in Jerusalem festgelegt, aber Wahlveranstaltungen in Ostjerusalem verhindert. Für Abbas ist eine Behinderung durch Israel hochwillkommen. Denn inzwischen sieht der gealterte palästinensische Anführer seine Macht durch die Wahlen bedroht und fürchtet einen Triumph der Hamas:

Abbas wird immer unbeliebter: Laut einer aktuellen Umfrage wollen 68 Prozent der Palästinenserinnen und Palästinenser seinen Rücktritt.
Abbas ist es nicht gelungen, seine Partei Fatah hinter sich zu einen. Mehrere Rivalen aus der Fatah haben eigene Listen aufgestellt.

Abbas reagierte darauf mit Drohungen.
Die Hamas hat die Rivalen von Abbas hofiert, denn sie würde von diesen Spaltungen bei Wahlen profitieren.
Unterdessen macht Israel Druck gegen die Hamas und hat seit Februar mindestens neun ihrer Kandidaten verhaftet. Die USA und Europa geben sich zurückhaltend. Israel, die USA und die EU stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

spiegel


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