Der Brexit-Handelspakt der Europäischen Union mit Großbritannien ist mit dem Monatswechsel in Kraft getreten. Fast fünf Jahre nach der Entscheidung der Briten für den EU-Austritt steht damit endgültig die rechtliche Grundlage für das neue Verhältnis beider Seiten. In der Praxis ändert sich kaum etwas, denn der Vertrag wurde seit Jahresbeginn bereits vorläufig angewendet. Beide Seiten hatten sich an Heiligabend 2020 auf das Handels- und Partnerschaftsabkommen TCA geeinigt - nur eine Woche vor dem Ausscheiden Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion. In London wurde es rasch ratifiziert, doch dem EU-Parlament fehlte dafür die Zeit. Die Abgeordneten billigten den Vertrag erst diese Woche, mit sehr großer Mehrheit.
Wichtigster Punkt des mehr als 1000 Seiten starken Vertrags ist ein in der Regel zollfreier und unbegrenzter Warenhandel in beide Richtungen. Zollformalitäten und Kontrollen gibt es allerdings trotzdem. Geregelt sind auch der Fischfang sowie die Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei und viele andere Themen.
Im Juni 2016 hatten die britischen Wähler in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt. Dieser wurde am 31. Januar 2020 formal vollzogen, doch lief eine Übergangszeit bis 31. Dezember 2020, in der Großbritannien im Binnenmarkt und in der Zollunion blieb. Tiefe Änderungen im Alltag kamen erst zum 1. Januar 2021. Unter anderem brach der Handel zu Jahresbeginn drastisch ein. Beide Seiten beteuerten diese Woche die Hoffnung auf den Neuanfang ihrer Partnerschaft. Der britische Premierminister Boris Johnson sprach von einer neuen "Beziehung mit der EU als wichtige Handelspartner, enge Verbündete und souveräne Gleichgestellte". EU-Ratspräsident Charles Michel nannte das Vereinigte Königreich einen wichtigen Freund und Partner.
Streit um Astrazeneca und Nordirland
Die Beziehungen sind jedoch belastet. So gab es zuletzt bitteren Streit um den Corona-Impfstoff von Astrazeneca. Zudem warf die EU Großbritannien Vertragsbruch vor, weil Sonderregeln für das britische Nordirland im bereits gültigen Austrittsvertrag nicht umgesetzt würden. Anders als im übrigen Vereinigten Königreich gelten dort weiter Regeln des EU-Binnenmarkts und der Zollunion. Dies soll Grenzkontrollen zum EU-Mitglied Irland im Süden der Insel unnötig machen. Doch trennt nun eine Warengrenze Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs, was zu Reibungsverlusten und Lieferproblemen führte.
Vor allem die mehrheitlich protestantischen Anhänger der Union mit Großbritannien sind unzufrieden. In den vergangenen Wochen kam es in der früheren Unruheprovinz zu Konflikten mit überwiegend katholischen Befürwortern einer irischen Vereinigung und zu Ausschreitungen. Brüssel und London verhandeln über Details der Sonderregeln, um den Konflikt zu entschärfen, bisher aber ohne konkrete Lösung.
Druck aus der eigenen Partei zwang in dieser Woche die nordirische Regierungschefin Arlene Foster von der protestantisch-loyalistischen DUP, ihren Rücktritt anzukündigen. Mit Spannung wird die Nachfolge beobachtet. Die nordirische Regierung wird stets aus den beiden stärksten Parteien beider konfessioneller Lager gebildet. Die beiden Parteichefs gelten als gleichberechtigtes Führungsduo der Regierung. Vizeregierungschefin ist derzeit Michelle O'Neill von der katholisch-republikanischen Sinn Fein.
ntv
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