Der Mann, der Lukaschenko schon ewig nervt

  26 Mai 2021    Gelesen: 236
Der Mann, der Lukaschenko schon ewig nervt

Protassewitsch ist noch jung, aber bereits seit knapp zehn Jahren gegen den belarussischen Präsidenten Lukaschenko aktiv. Zunächst erhält er als aufstrebender Journalist ein Stipendium, dann muss er ins Exil gehen. Nach seiner Festnahme am Wochenende droht ihm eine langjährige Haft oder die Todesstrafe.

Der Mann, für dessen Festnahme der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko einen Kampfjet losschickte, ist gerade einmal 26 Jahre alt. Doch der Journalist Roman Protassewitsch hat sich schon als Teenager als regierungskritischer Aktivist engagiert. Schon damals bekam er die Härte des Regimes zu spüren.

Mit 17 Jahren betrieb Protassewitsch im russischen Online-Netzwerk Vkontakte zwei Lukaschenko-kritische Gruppen und wurde deshalb für mehrere Stunden festgenommen und misshandelt. "Sie haben mir in Niere und Leber getreten", berichtete er damals. "Ich hatte danach drei Tage lang Blut im Urin. Sie haben mir gedroht, mir ungelöste Mordfälle zur Last zu legen."

Während der Verhöre verlangten die Beamten des belarussischen Geheimdienstes, der auch heute noch KGB heißt, die Herausgabe von Passwörtern zu den Online-Gruppen. Eine dieser Gruppen hieß: "Wir haben diesen Lukaschenko satt". Protassewitsch kennt nur diesen Präsidenten - denn Lukaschenko ist seit 1994 in Belarus an der Macht, ein Jahr bevor Protassewitsch geboren wurde.

2019 geht Protassewitsch ins Exil

Protassewitsch blieb vorerst in seiner Heimat, arbeitete als Fotograf für belarussische Medien und erhielt für 2017 und 2018 ein Stipendium für aufstrebende unabhängige Journalisten. 2019 ging er nach Polen und Litauen ins Exil, kurz nachdem er angefangen hatte für den einflussreichen oppositionellen Telegram-Kanal Nexta zu arbeiten. Dort war er zwischenzeitlich auch Chefredakteur.

Für Nexta berichtete der 26-Jährige über die Präsidentschaftswahl im vergangenen August, bei der die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja Lukaschenko herausforderte. Als sich der Amtsinhaber nach dem von Betrugsvorwürfen überschatteten Urnengang zum Sieger erklärte, kam es zu beispiellosen Massenprotesten. Dem Kanal Nexta, der derzeit mehr als 1,2 Millionen Leser hat, kam dabei eine wichtige Rolle zu: Er versorgte seine Abonnenten mit Terminen und Uhrzeiten der Proteste.

Angst vor der Todesstrafe

Lukaschenko ließ im November einen Haftbefehl gegen Protassewitsch ausstellen. Durch seine Arbeit für Nexta sei er in eine "terroristische Aktivität verwickelt", lautete die Begründung. Protassewitsch, der inzwischen Redakteur beim Kanal BGM mit 260.000 Abonnenten ist, beschreibt sich auf seinem Twitter-Profil scherzhaft als "erster Terror-Journalist der Geschichte".

Terrorvorwürfe können in Belarus jedoch die Todesstrafe nach sich ziehen - und die wird in dem osteuropäischen Land noch immer vollstreckt. Das muss Protassewitsch auch bewusst geworden sein, als er am Sonntag bemerkte, dass die Ryanair-Maschine von Athen nach Vilnius seinetwegen nach Minsk umgeleitet wurde. Passagiere berichteten, er habe gesagt, dass ihm die Todesstrafe drohe.

Fragwürdiges Geständnis im Video

Protassewitsch wird auch vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben, worauf in Belarus bis zu 15 Jahre Haft stehen. Diesen Vorwurf scheint er in einem vom belarussischen Staatsfernsehen veröffentlichten Video zu gestehen. "Ich werde weiter mit den Ermittlern zusammenarbeiten und gestehe, Massenproteste in der Stadt Minsk organisiert zu haben", sagt der 26-Jährige darin.

Doch das Video ist sehr wahrscheinlich unter Zwang und Gewalt entstanden. "Es ist eindeutig, dass er körperlich verletzt wurde, man kann in seinem Gesicht die Spuren eines Schlags sehen", sagt sein Vater Dmitri Protassewitsch, der in Polen lebt. Seinem Sohn schienen Zähne zu fehlen. "Er sprach auf eine Art, die für ihn ungewöhnlich ist", ergänzt er. "Es ist klar, dass er etwas vorgelesen hat, das er vorlesen sollte."

Dmitri Protassewitsch hat das letzte Mal am Samstag von seinem Sohn gehört, einen Tag vor der erzwungenen Landung der Ryanair-Maschine in Minsk. "Wir wissen immer noch nicht, wo er ist, in welchem Zustand er ist, wie er sich fühlt", beklagt der Vater.

Quelle: ntv.de, als/AFP


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