Ermittlungen gegen Frankfurter Jugendamt: Tod einer jungen Mutter

  30 März 2016    Gelesen: 588
Ermittlungen gegen Frankfurter Jugendamt: Tod einer jungen Mutter
Mitarbeiter des Jugendamts nahmen ein Kind in Obhut, kurz darauf soll der Vater die Mutter getötet haben. Hätte die Behörde auch die junge Frau schützen müssen?
Leons Mutter Jessica B. war nicht zu Hause, als die Mitarbeiter des Jugendamts Frankfurt am Main Bornheim an ihrer Wohnungstür klingelten. Der Junge, kein Jahr alt, war allein mit seinem Vater Jozsef S. in einer verwahrlosten, verdreckten Wohnung. Wo die Mutter sei? Keine Ahnung, so der Mann, die ließe sich nur sporadisch hier blicken, habe Probleme mit Drogen, er übrigens auch, dann noch das Kind - das sei alles zu viel. Die Sozialarbeiter nahmen Leon aus der Familie. Das war am 18. Juni 2015.

Rund einen Monat später wurde Jozsef S. festgenommen. Er gestand, Jessica B., 22 Jahre alt, getötet zu haben. In der Untersuchungshaft hat er sein Geständnis widerrufen.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ermittelte nicht nur gegen Jozsef S., sondern auch gegen zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamts: Die Eltern der 22-jährigen Jessica B. hatten Anzeige erstattet wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Amt durch Unterlassen. Ihrer Ansicht nach hatte die Behörde auch Verantwortung für Leons Mutter, nicht nur für den Jungen.

Nun hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Sozialarbeiterinnen eingestellt. Menschlich sei der Vorwurf nachvollziehbar, heißt es, eine Strafbarkeit begründe er jedoch nicht. Das Jugendamt hätte keine sogenannte Garantenpflicht gegenüber Jessica B. und müsse damit rechtlich nicht für ihren Tod einstehen. Der Schutzauftrag beziehe sich nur auf Leon.

Eine schwierige Beziehung

Jessica B. war zwar selbst von 2007 bis 2010 vom Jugendamt betreut worden, weil sie drogensüchtig und zeitweise obdachlos war, aber im Jahr 2011 wurde ihre Erziehungsakte geschlossen, es bestand keinerlei Kontakt zwischen ihr und dem Amt. Erst als sie selbst Mutter wurde, installierte die Behörde im November 2014 eine sozialpädagogische Familienhilfe, die Jessica B. in ihrer Haltlosigkeit und Überforderung als Mutter beistehen sollte.

Ab dem 11. Juni 2015 konnten die für Leon zuständigen Sozialarbeiterinnen Jessica B. nicht mehr erreichen. Der unangemeldete Hausbesuch am 18. Juni und die Inobhutnahme des Jungen wegen akuter Kindeswohlgefährdung waren die Folge.

Die Behörde gab Leon in eine Pflegefamilie und erwog, Mutter und Sohn gemeinsam in einer stationären Einrichtung unterzubringen. Ein Erziehungsfähigkeitsgutachten sollte zuvor allerdings drei Dinge prüfen: ob diese Einrichtung ausreicht, die Erziehungsfähigkeit von Jessica B. herzustellen; ob die junge Mutter ihre Suchtproblematik in den Griff bekommt; und inwieweit beide Elternteile überhaupt in der Lage sind, ihr Leben zu regeln. Bis diese Fragen geklärt waren, galt die Kindeswohlgefährdung und die Auflage, Leon in der Pflegefamilie zu behalten.

Sie hatte Angst - und ließ ihn trotzdem in ihre Wohnung

Jessica B.s Eltern sagen, ihre Tochter habe nach der Inobhutnahme Angst um ihr Leben gehabt. Sie habe sich vor Leons Vater gefürchtet, der ihr gedroht habe, ihr oder Leon etwas anzutun. Das Jugendamt habe für Jessica B. einen Platz in einer Mutter-Kind-Unterkunft gefunden, die 22-Jährige habe die Einrichtung bereits besichtigt. Die Familie versteht nicht, warum die Behörde mit einer Zustimmung für den Umzug zögerte. Wäre Jessica dort eingezogen, so ihre Eltern, würde sie noch leben.

Die Staatsanwaltschaft aber sieht es wie das Jugendamt: Ohne Erziehungsfähigkeitsgutachten wäre Leons Schutz nicht gewährleistet gewesen. Zudem habe sich Jessica B. mehrmals erkundigt, ob auch Jozsef S., Leons Vater, dort wohnen könne. Überhaupt sei die ungesunde Beziehung des Elternpaars ein großer Problemfaktor gewesen. Jessica B. habe Jozsef S. noch in ihre Wohnung gelassen, als sie offenbar schon Todesangst vor ihm hatte.

Jessica B. habe gewusst, dass sie sich durch ihr Verhalten in eine extrem gefährliche Situation begeben habe. Sie habe aber auch nicht die Polizei alarmiert. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien für das Handeln der jungen Frau nicht verantwortlich.

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