Welche russischen Truppen waren in Butscha?

  06 April 2022    Gelesen: 621
  Welche russischen Truppen waren in Butscha?

Die Bilder aus Butscha schockieren auf der ganzen Welt. Es gibt mittlerweile Hinweise darauf, welche russischen Einheiten in dem Vorort von Kiew stationiert waren. Auch der ukrainische Geheimdienst hat Informationen.

Es werden Gerichte aufarbeiten, wer für die Kriegsverbrechen in Butscha verantwortlich ist. Am Wochenende wurde das Ausmaß des Massakers bekannt. Mehr als 400 Zivilisten wurden nach ukrainischen Angaben ermordet, teilweise sollen ihnen vorher die Hände hinter dem Rücken gefesselt worden sein. Es gibt zudem Berichte über Vergewaltigungen und Plünderungen. Einige Kriegsverbrechen wurden von "Human Rights Watch" dokumentiert, die Vereinten Nationen haben angekündigt, internationale Menschenrechtsexperten in die Region zu senden.

Es bleibt jedoch die Frage, welche russische Truppen dort vor Ort waren. Ukrainische Aktivisten haben erste Hinweise darauf gesammelt, welche Einheiten in der Kiewer Vorstadt stationiert waren. Die Plattform "Informnapalm", die russische Militäraktivitäten im Kriegsverlauf beobachte, habe dabei die Militäreinheit 51460 ausgemacht, berichtete die britische "Times". Dabei handele es sich um die 64. Motorisierte Schützenbrigade.

Ihr Kommandeur, ein Oberstleutnant, soll den Aktivisten-Angaben zufolge ein äußerst religiöser Mann sein, berichtete die "Times". So sei er vor seinem Einsatz in der Ukraine von einem orthodoxen Priester geweiht worden. Bereits am Montag habe der ukrainische Geheimdienst Namen und andere persönliche Details aus dieser Einheit veröffentlicht, hieß es beim "Kyiv Independent". Nach Informationen des ukrainischen Geheimdienstes haben die Einheiten die Ukraine inzwischen verlassen und würden sich auf einen nächsten Einsatz, voraussichtlich in der Ostukraine, vorbereiten.

Keine Unbekannten

Doch die 64. Motorisierte Schützenbrigade ist offenbar aber nicht die einzige russische Einheit, die vor Ort war. Auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat zusammen mit einer ukrainischen Journalistin weitere Indizien dazu gesammelt. Demnach liefern Packzettel aus Munitionskisten weitere Hinweise darauf, welche russischen Einheiten in Butscha stationiert waren. Auf einigen Papierstücken sei die Militäreinheit 74268 vermerkt worden. Dahinter verberge sich das 234. russische Garde-Fallschirmjägerregiment, das zur 76. Garde-Fallschirmjägerdivision aus dem westrussischen Pskow gehöre.

Das Blatt berichtet weiter, dass es sich bei dieser Einheit um keine Unbekannte handele. Sie soll bereits bei der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, dem seit 2014 tobenden Krieg in der Ostukraine, der russischen Invasion in Georgien sowie den beiden Tschetschenienkriegen beteiligt gewesen sein. Zudem habe es Hinweise auf eine Militäreinheit aus Sibirien gegeben.

Auch der Name von Ramsan Kadyrow kursiert immer wieder. Angeblich soll sich der tschetschenische Diktator seit Beginn der Invasion in der Ukraine aufhalten und dort die russischen Truppen unterstützen. In den sozialen Medien inszeniert er sich und seine Einheit, die Kadyrowzy, bei ihrem Einsatz - mal auf dem Weg nach Kiew, mal angeblich in der eingekesselten südukrainischen Hafenstadt Mariupol. Kadyrow selbst soll sich zumindest in der Nähe von Butscha befunden haben. Laut dem britischen "Guardian" hat er in einem Video gesagt, er habe sich am 14. März an dem Flughafen Hostomel befunden. Dieser liegt keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt von Butscha. Ob die tschetschenischen Kräfte wirklich auch in Butscha waren, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen.

Doch gibt es Augenzeugenberichte. Eine Frau erzählte der russischen Investigativ-Webseite The Insider, sie habe eine Gruppe Kadyrowzy beobachtet. Die Männer sind erkennbar an ihren langen Bärten. Die Gruppe habe ihr Haus glücklicherweise nicht betreten. Im Vorbeigehen habe der Kommandeur ihr mit dem Tod gedroht. "Wir haben Glück gehabt", sagte sie rückblickend.

Für Russland hatte Butscha strategisch eine große Bedeutung. Aus Belarus kommend liegt der Ort auf dem Weg in die Hauptstadt Kiew. Zudem hatten die russischen Truppen nach der Invasion schnell den Flughafen Hostomel besetzt, der als eine Basis für die schnelle Eroberung der Hauptstadt dienen sollte. Buschta liegt zudem zwischen dem strategisch wichtigen Flughafen und Kiew. Bereits am 27. Februar, drei Tage nach dem Beginn des Angriffskriegs, gab es in Butscha schwere Kämpfe, ukrainische Einheiten hielten damals eine russische Panzer-Kolonne auf dem Weg nach Kiew auf.

Die Stadt war von Anfang März an von russischen Einheiten besetzt. Erst in der vergangenen Woche verließen sie die Region um Kiew wieder, nach der Ankündigung Russlands, sich angeblich nur noch auf die Ostukraine zu konzentrieren. Nach Angaben des Kremls fand der Abzug am 30. März statt, einen Tag später meldete der Bürgermeister der Stadt, Anatoli Fedoruk, dass der Ort wieder frei von den Invasoren sei. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte seine Landsleute vor einem "kompletten Desaster", das russische Truppen hinterlassen hätten. Nicht nur waren viele Gebäude zerstört, auch wurden Minen in Leichen, militärischem Equipment und in Ruinen entdeckt.

Quelle: ntv.de, ses


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