Ist der "Marder"-Einsatz in der Ukraine sinnvoll?

  21 April 2022    Gelesen: 700
 Ist der "Marder"-Einsatz in der Ukraine sinnvoll?

Schwere Waffen sollen die Truppen in der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer schlagkräftiger machen. Deutschland soll Schützenpanzer vom Typ "Marder" bereitstellen. Die Bundesregierung hat politische Bedenken. Doch es gibt auch praktische Gründe, die dagegen sprechen.

Die Ukraine möchte gerne von der Bundesregierung schwere Waffen im Kampf gegen die russische Armee haben. Genau genommen will man den Schützenpanzer "Marder" der Bundeswehr. Der wurde bereits in den Zeiten des Kalten Krieges konzipiert und gilt der Bundeswehr als "bewährtes Waffensystem der Panzergrenadiertruppen". So zu lesen auf deren Website. Um das noch mal zu präzisieren: Das Projekt "Marder" entstand schon im September 1959. Ziel war es, dem Kampfpanzer "Leopard 1" einen passenden Schützenpanzer an die Seite zu stellen und den mit vielen Mängeln behafteten "HS 30" abzulösen.

370 "Marder" im Bundeswehreinsatz

In Dienst genommen wurde der "Marder" im Jahr 1971. Ein Jungbrunnen ist der Schützenpanzer mit 51 Jahren also nicht, obgleich er am Ende der 1970er-Jahre mit dem Panzerabwehrsystem "Milan" ausgestattet wurde oder in den 1980er-Jahren ein Wärmebildgerät für den Richtschützen an der 20-Millimeter-Maschinenkanone bekam. Ausgerüstet mit einer Raumkühlanlage, dem Störsender CG12 und einer Multispektralen Tarnausstattung, wurde der "Marder" von der Bundeswehr dann auch bei den Einsätzen in Afghanistan genutzt.

Heute sind etwas mehr als 370 "Marder" in der Bundeswehr im Einsatz, wie das Verteidigungsministerium gegenüber dem "Spiegel" bekannt gegeben hat. Und selbst die sollten eigentlich bereits durch den "Puma" abgelöst sein. Allerdings verhält es sich mit dem "Puma" so ähnlich wie mit dem Hauptstadtflughafen BER: Seine Auslieferung an die Truppe begann bereits im April 2015, aber aufgrund vieler technischer Mängel und erforderlicher Nachrüstungen wird mit einer vollen Einsatzbereitschaft nicht vor dem Jahr 2030 gerechnet.

Ausgemusterte "Marder" für die Ukraine

Die momentan zur Diskussion stehenden 100 "Marder" für die Ukraine wurden bereits ausgemustert und stehen im Augenblick beim Hersteller Rheinmetall, der übrigens auch für den "Puma" verantwortlich zeichnet. Bevor die Schützenpanzer jedoch in die Ukraine geliefert werden könnten, müssten sie instand gesetzt werden. Gegenüber dem "Spiegel" sagte Rheinmetall-Chef Armin Pappberger, dass 20 der Fahrzeuge innerhalb von sechs bis acht Wochen einsatzbereit wären. 50 weitere, hieß es, wären innerhalb von fünf bis sechs Monaten fertig.

Zeiträume, die in einem Krieg wie dem, der in der Ukraine geführt wird, nicht zu unterschätzen sind. Hinzu kommt, dass es nicht nur um die Lieferung der Waffensysteme geht, sondern auch um deren Bedienung und vor allem Wartung. Das wiederum hat zur Folge, dass mit den Schützenpanzern auch Ersatzteile und Munition bereitgestellt werden müssten. Dass es sich hierbei nicht um Kleinigkeiten handelt, beweist die im Januar 2020 zwischen der Bundeswehr und Rheinmetall unterzeichnete Nutzungsverlängerung für 71 Fahrzeuge vom Typ "Marder 1A5", bei denen die Antriebsstränge ersetzt werden sollen. Der Umbau kostet 110 Millionen Euro. Rheinmetall bezeichnet diese Art der Wartung übrigens als die "Beseitigung bekannter Obsolenzen", also Verschleißerscheinungen des "Marders".

"Marder" international nicht angesehen

Interessant ist auch, dass der "Marder" als Waffensystem nie wirklich internationales Interesse weckte. Laut Rheinmetall nutzt neben Chile, das immerhin 273 Fahrzeuge kaufte, und Indonesien mit 42 lediglich Jordanien den Schützenpanzer. Es war die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die im Jahr 2016 feierlich 16 Schützenpanzer an die jordanischen Streitkräfte übergab. Insgesamt wurden 50 "Marder" an Jordanien geliefert.

Doch zurück zu den Obsolenzen und der Zeit, die es für die Schulung ukrainischer Soldaten braucht, bis sie einen "Marder" wirklich zielführend einsetzen können. Die Bundeswehr beziffert die Zeit für die Ausbildung zum Panzergrenadier mit sechs Monaten, wenn man die drei Monate Grundausbildung, die dem vorausgehen, einmal weglässt. Am Ende steht also die Frage: Was nutzt der Ukraine ein Schützenpanzer, der nicht wirklich bedient werden kann oder der nach einem Tag aufgrund seines Allgemeinzustandes im Feld liegen bleibt und für den weder die Fachkräfte noch die Ersatzteile da sind, um ihn zu reparieren?

Da scheint die Idee von Frank Sauer, der als leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr München tätig ist, einleuchtender. Er empfahl schon vor einiger Zeit gegenüber dem "Spiegel", einen Tausch. Staaten, die ehemals dem Warschauer Vertrag angehörten, könnten zum Beispiel ihre russischen Schützenpanzer "BTR-60" an die Ukraine abgeben und erhielten dafür im Gegenzug "Marder"-Schützenpanzer. Gleiches präferiert Sauer für den Panzer "Leopard 1", der gegen den "T-72" getauscht werden könnte. Mit beiden Waffensystemen kennt man sich in der Ukraine aus. Niemand müsste hier angelernt oder umgeschult werden.

Auch Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat jetzt einen Ringtausch im "ntv Frühstart" bestätigt, ohne aber Details zu nennen. Es steht aber fest, dass die Bundesregierung einen Ringtausch für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine vorbereitet. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll dabei der östliche NATO-Partner Slowenien eine größere Stückzahl seiner russischen T-72-Kampfpanzer an die Ukraine abgeben und aus Deutschland dafür den Schützenpanzer "Marder" sowie den Radpanzer "Fuchs" erhalten.

Quelle: ntv.de


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