Barfuß steht die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Strand von Rock Island. Eine kleine Strandzunge umrahmt einen grünen Felsen, kristallklares Wasser drumherum. Die paradiesische Kulisse stören einzig die Plakate, die der Tourismusminister der Republik Palau, Ngiraibelas Tmetuchl, mitgebracht hat. Der Minister will dem prominenten Gast aus dem fernen Deutschland zeigen, warum der Klimawandel für Palau die größte Bedrohung ist: Auf den gerade einmal zehn Jahre alten Bildern ist die Insel noch deutlich größer als heute.
Die Menschen in dem Inselstaat westlich der Philippinen leben vom Tourismus, der Landwirtschaft und der Fischerei. Und die meisten von ihnen wohnen direkt an der Küste. Doch der Meeresspiegel steigt und spült die Strände weg. Auf Rock Island, das Teil eines Meeresschutzgebiets ist, bedroht das Wasser die Schildkröten. Sie legen hier ihre Eier im Sand ab. Weil die Sandschicht immer dünner wird, werden die Eier nicht mehr so tief vergraben und teilweise weggespült. Stirbt eine Art, sterben mit ihr viele: Die Fischer müssen heute viel weiter rausfahren, um ihre Netze zu füllen.
Den Inselbewohnern wird buchstäblich der Boden unter den Füßen weggespült. Baerbock wechselt die Insel: Mit dem Boot und anschließend mit dem Bus geht es zu einem Dorfplatz direkt am Strand. Das gesamte Dorf soll umgesiedelt werden, denn bei Flut werden hier bereits die ersten Häuser und Straßen überschwemmt. Für die Frauen, die hier Taro - ein Wurzelgemüse und das Grundnahrungsmittel auf Palau- anpflanzen, eine Katastrophe. Ihre Felder liegen wenige Hundert Meter vom Wasser entfernt. Immer öfter werden sie von Salzwasser überschwemmt und die Ernte zerstört. "Taro ist für uns das, was für die deutschen Kartoffeln sind", erklärt eine Farmerin. Sie habe große Angst, dass es Taro bald nicht mehr geben wird.
Baerbock sichert Unterstützung zu
Auf diesem Dorfplatz also hält Annalena Baerbock, die am Tag zuvor noch das vom Ukraine-Krieg überschattete G20-Außenministertreffen besucht hatte, eine groß angekündigte Klima-Rede. Ihr Publikum hört ihr gespannt zu. Einen Dolmetscher gibt es nicht, deswegen spricht sie in einwandfreiem Englisch. Die Kulisse ist wunderschön: hinter der Außenministerin Ozean, Palmen, Strand.
Die Menschen hier müssten sich die Frage stellen, ob ihr Zuhause in 30 oder 50 Jahre überhaupt noch existiert. Für Baerbock eine unvorstellbare Frage sagt sie und beteuert: "Wir stehen an eurer Seite." Deutschland werde Palau und auch keinen anderen Inselstaat in der Not allein lassen. Sie wolle den Inselstaat bei der Energiewende und bei der Klimaanpassung unterstützen. Und vor allem wolle sie dafür sorgen, "dass unsere Partner die Klimakrise endlich als das anerkennen, was sie ist: eine Sicherheitsfrage - eine Krise, die unsere Geografie verändert und Konflikte auf der ganzen Welt beschleunigt".
Geostrategisches Ringen mit China und Russland
Seit 120 Jahren war kein deutscher Außenminister (oder eine Ministerin) mehr auf Palau. Und das, obwohl der Staat bis 1914 deutsche Kolonie war. Bis zum nächsten Mal dürfe es nicht so lange dauern, sagt Baerbock. Tatsächlich will sie mit ihrem Besuch auch ein Zeichen in die Region senden: Der Indopazifik ist geostrategisch wichtig. China und die USA kämpfen hier um die Vormachtstellung. Palau ist bisher ein wichtiger westlicher Partner, hat ein Sicherheitsabkommen mit den USA. Das allerdings läuft 2024 aus.
Andere Inselstaaten Mikronesiens haben sich bereits für den Schutz aus China entschieden, zuletzt in einem viel beachteten Abkommen die Salomonen. Palau ist außerdem einer der wenigen Staaten, die Taiwan offiziell anerkannt haben. Und Palau hat sich in der UN-Generalversammlung deutlich gegen Russlands Ukraine-Invasion gestellt. Dafür dankt Baerbock dem Inselstaat ausdrücklich - ein weiterer Grund, warum Deutschland sich gerade hier engagieren will.
Ein heikles Versprechen
Konkrete Projekte kann Baerbock den Palauern nicht mitbringen. Auch mehr Geld hat sie leider nicht dabei. Aber sie verspricht, die 6 Milliarden Euro, die Deutschland bereits für Klimaschutzprojekte zugesagt hat, umzuschichten. Sie wolle sich mehr auf "Loss and damage" konzentrieren. In der Klimapolitik der Begriff dafür, dass Länder, die besonders hart vom Klimawandel betroffen sind, dafür von den größten Verursachern entschädigt werden müssen. Ein besonders schwieriges Thema in der Klimapolitik.
Die mitgereisten Nichtregierungsorganisationen freuen sich über diese Ankündigung. Sie fordern seit Langem einen stärkeren Fokus auf das Thema. Christoph Bals von Germanwatch fand die Rede "durchaus beeindruckend". Entscheidend aber sei, dass für diese Strategie in den kommenden Jahren auch zusätzliche Gelder bereitgestellt würden. Eine Umschichtung sei zynisch, wenn sie bedeutet, dass dann weniger Geld für Klimaschutzprojekte oder Klimaanpassungsmaßnahmen da seien, sagt Bals.
Ein Signal auch nach Deutschland
Baerbocks Versprechen dürfte den heimischen Koalitionspartnern nicht unbedingt gefallen. Im Moment ist nämlich nicht einmal klar, ob und wann Deutschland die bereits zugesagten 6 Milliarden Euro bereitstellen wird. Trotzdem: Die knapp 19.000 Einwohner von Palau hätten zur Klimakrise so gut wie nichts beigetragen und seien trotzdem am härtesten betroffen, sagt Baerbock und befindet, das sei schlicht unfair.
Den Dorfbewohnern hat Baerbock mit ihrem Besuch dennoch Hoffnung gemacht - Hoffnung darauf, dass Klimaschutz tatsächlich einmal ganz oben auf der politischen Agenda der großen Industriestaaten stehen könnte. Und Baerbock hofft wohl, dass der Besuch in der ganzen Region einen Eindruck hinterlässt. Denn für ihre Klimaaußenpolitik wird sie jeden Partner brauchen. Und im besten Fall konnte sie damit auch zu Hause einen neuen Akzent setzen: dass es ihr Ernst ist mit der Klimaaußenpolitik. Im November findet die nächste große Klimakonferenz statt. Es wird die erste, in der aus Deutschland das Außenministerium die Verhandlungen führt, weil Baerbock das unbedingt wollte und in den Koalitionsverhandlungen dem Umweltministerium die Klimadiplomatie entriss. Hier wird sich zeigen, wie effektiv diese neue Klimaaußenpolitik von Baerbock sein kann.
Quelle: ntv.de
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