Seit mittlerweile sechs Monaten liefern sich russische und ukrainische Truppen einen tödlichen Abnutzungskampf. Eine Generalmobilisierung der Bevölkerung möchte der Kreml allerdings vermeiden. Stattdessen setzt er auf Freiwilligen-Bataillone aus fast allen Landesteilen, die für ein paar Tausend Dollar pro Kopf an der Front ihr Leben riskieren. Doch viele Versprechen der zuständigen Behörden werden anscheinend nicht eingehalten. In neuen Berichten beschweren sich freiwillige Kämpfer über den Umgang des russischen Militärs mit ihnen, wie das US-Institut für Kriegsstudien in seinem jüngsten Lagebericht zusammenfasst.
Beispielsweise berichtet Radio Free Europe/Radio Liberty in seiner russischen Ausgabe, dass die angeworbenen Kämpfer für ihren Einsatz in der Ukraine unter anderem weniger Sold, Essen, Munition und Zigaretten erhalten haben als zugesagt. Für Gefallene wurden demnach keine Beerdigungen organisiert. Freiwillige Einheiten, die ihren Einsatz überlebt hätten und deren Vertrag mit Militär oder Verteidigungsministerium ausgelaufen sei, sollen auf dem Heimweg in abgelegenen Regionen Russlands ausgesetzt worden sein.
Zu Fuß zurück in die Zivilisation
So wird in dem Bericht ein Kämpfer zitiert, der nach seinem Einsatz gemeinsam mit anderen Freiwilligen zu einem russischen Militärlager an der ukrainischen Grenze in der Region Rostow gebracht wurde, um nach dem zweimonatigen Dienst seine Dokumente abzuholen. Nach der Übergabe von Telefonen und Pässen habe ihnen der Offizier die Richtung zur zehn Kilometer entfernten Autobahn gezeigt und sei gegangen. Ohne Bargeld in der Tasche sind die Männer anschließend losgelaufen. Später habe ein LKW angehalten und sie "wenigstens zurück in die Zivilisation" gebracht, heißt es. Demnach war es nicht das erste Mal, dass er freiwillige Kämpfer am Straßenrand eingesammelt habe, habe der Fahrer des Trucks dem Soldaten berichtet.
Laut dem Bericht haben einige der Kämpfer auch weniger Geld erhalten als zugesagt. Andere sollen nach einem Besuch bei der Bank festgestellt haben, dass auf ihrem Konto gar keine Überweisungen des Militärs oder anderer zuständiger Behörden eingegangen sind.
Plötzlich ist die Kündigung ein Problem
Die Probleme beschränken sich demnach nicht nur auf die Bezahlung, sondern betreffen auch den Einsatz selbst. Es fehlt an Uniformen, Waffen, Munition, Lebensmittelrationen und militärischem Sachverstand. So soll laut Bericht ein früherer Polizist Kompaniechef der Männer in der Ukraine gewesen sein, der noch nie eine Waffe in der Hand gehalten habe und vom Dienst ausgeschlossen worden sei. Er habe sich nicht für Kampftaktiken interessiert, heißt es. In anderen Freiwilligen-Bataillonen soll die Situation ähnlich gewesen sein.
Die Männer mutmaßen, dass sie schlecht behandelt wurden, weil sich nicht den regulären russischen Truppen angehörten. Aus einem Bericht der Onlinezeitung "Nowaya Gaseta Europa" geht allerdings hervor, dass die Situation für Vertragssoldaten nicht minder schlimm ist. Dort berichtet ein junger Soldat, dass es in den ersten Kriegswochen gang und gäbe gewesen sei, dass Soldaten den Kampf verweigert hätten. Aus seinem etwa 80 Mann starken Bataillon sollen demnach bis Mitte März etwa 30 Soldaten ihren Vertrag gekündigt haben. Es habe deswegen keinerlei Probleme gegeben, erzählt er.
Internierungslager an der Front
Den Angaben zufolge dürfen russische Soldaten ihren Vertrag per Gesetz unter anderem aus "triftigen Gründen" wie gesundheitlichen und familiären kündigen. Nach Angabe eines russischen Experten für Wehrgesetze, der in dem Bericht zitiert wird, zählt dazu auch die "Entwicklung kriegsfeindlicher Überzeugungen".
Fünf Monate später soll die Verweigerung allerdings anders als zu Kriegsbeginn offenbar schwer bestraften werden. Demnach wurden in besetzten ukrainischen Gebieten wie Popasna oder in der Region Luhansk Internierungslager eingerichtet, in den Vertragssoldaten untergebracht sind, die nicht mehr kämpfen wollen. Die Rede ist von bis zu 2000 betroffenen Militärs, die bei "niederer Arbeit umerzogen" werden sollen. Auch Urlaub wird dem Bericht zufolge nicht mehr genehmigt, obwohl die Zahl der noch verfügbaren Urlaubstage bei vielen Soldaten die Tage bis zum Ende der Vertragslaufzeit schon jetzt übersteigt.
Quelle: ntv.de, chr
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