Ermordeter Italiener in Ägypten: Animalische Gewalt

  05 April 2016    Gelesen: 771
Ermordeter Italiener in Ägypten: Animalische Gewalt
Der grausame Tod eines italienischen Studenten in Kairo bringt die ägyptische Regierung in Bedrängnis. Was sie als Vorstadt-Mord abheften will, wird zusehends zur politischen Krise.
Der Schaden für Ägypten ist schon jetzt enorm. Politisch wie ökonomisch. Italienische Unternehmen haben geplante Milliardeninvestitionen zum Ausbau der Öl- und Gasförderung gebremst, die römische Regierung droht mit Wirtschaftssanktionen. Und Italien ist immerhin der, nach Deutschland, zweitgrößte europäische Handelspartner Ägyptens.

Die Zahl der Touristen, die sich nach den Islamisten-Attacken noch in die Refugien am Roten Meer wagen, dürfte noch weiter schrumpfen. Denn nicht nur in Italien, rund um den Globus erfahren die Menschen derzeit, dass willkürliche Verhaftungen, Folter, politisch motivierte Morde in Ägypten offensichtlich an der Tagesordnung sind.

Regeni lebte seit Herbst 2015 in Kairo, arbeitete dort an seiner Dissertation an der Universität Cambridge über das ägyptische Arbeitsrecht und die dortigen Gewerkschaften. Er sprach Arabisch, traf sich mit Gewerkschaftern, die nicht unbedingt zu den Freunden der herrschenden Militärs zählen. Und er schrieb, unter Pseudonym, für die linke italienische Zeitung "Il Manifesto". Regeni galt mithin als verdächtig.

Neun Tage war der junge Italiener unauffindbar. Seine Familie und italienische Medien machten Druck. Roms Regierung bat am 3. Februar Staatschef el-Sisi persönlich um Hilfe. An jenem Tag traf eine Delegation mit 60 Leuten aus Italiens Wirtschaft in Kairo ein, angeführt von der Ministerin für wirtschaftliche Entwicklung, Federica Guidi. Nur wenige Stunden später wurde Regenis Leichnam gefunden: hinter einer Betonmauer, an der Autobahn, zwanzig Kilometer außerhalb Kairos. Zufällig habe ein Taxifahrer dort eine Panne gehabt, hieß es.

Bestialisch gefoltert

Damit sei klar, sagten die Behörden, Regeni sei einem "Verkehrsunfall" zum Opfer gefallen. Erst als Rom den ägyptischen Botschafter einbestellte und mit Maßnahmen drohte, ließen die ägyptischen Behörden eine Obduktion zu. Das Ergebnis war grausig. Regeni war erst gefoltert, dann ermordet worden. Die Mörder hatten ihm die Ohren abgeschnitten, Finger- und Fußnägel herausgerissen, mit Elektroschocks an den Genitalien gequält, ihm Rippen, Oberarme und Schultern gebrochen.

Italien war schockiert. Innenminister Angelino Alfano sprach von "unmenschlicher, animalischer, inakzeptabler Gewalt". Ägyptens Behörden versprachen lückenlose Aufklärung und lieferten fortan verschiedene, freilich stets unhaltbare Versionen über den Tod des jungen Italieners:

Dschihadisten seien die Mörder, hieß es nach der "Verkehrsunfall"-Theorie; allerdings: Die islamistischen Terrorgruppen wollten sich ganz gegen ihre Gewohnheiten ausgerechnet zu dieser Untat nicht bekennen und Fachleute befanden, die Foltermethoden entsprächen nicht deren Usus, sondern eher jenen der Militärs.

Fünf "Kriminelle" hätten Regeni ermordet, so lautete die nächste Version, um mit dessen Scheckkarte an Geld zu kommen; die Polizei habe sie gestellt und bei einem Schusswechsel während der Festnahme allesamt erschossen; allerdings: Zum einen wurde mit Regenis Scheckkarte kein Geld abgehoben; und zum andern versichern die Angehörigen von einem jener "Kriminellen", der sei zu Hause ohne Gegenwehr verhaftet worden; wieso er wenig später erschossen aufgefunden wurde, weiß wohl nur die Polizei.

Niemals habe man behauptet, die fünf erschossenen "Kriminellen" seien Regenis Mörder, gab jetzt am Wochenende der stellvertretende Innenminister auch diese Version von Amts wegen auf, denn die Ermittlungen liefen ja noch; allerdings: Die Behörden hatten die "Kriminellen"-Theorie schriftlich als Presseerklärung veröffentlicht und darin hieß es auch, bei der Schwester eines jener "Kriminellen" habe man Regenis Pass gefunden. Wie kommt der nun dahin, wenn die Täter ganz andere sind?

Diese Woche will nun eine Delegation aus Kairo den Sonderermittlern in Rom direkt berichten, was Ägyptens Sicherheitsbehörden herausgefunden haben. Sie mögen Dokumente und Belege, Protokolle der Telefonate, die Bilder von Überwachungskameras und dergleichen mitbringen, haben die Römer ihre Kollegen vorab wissen lassen. An mündlichen Vorträgen aber habe niemand mehr Interesse.

Und ja, wirklich, die Delegation werde ein Dossier von 2000 Seiten mitbringen, schrieb eine offenbar bestens informierte Kairoer Zeitung vorab und berichtete dazu, dass der angehende Wissenschaftler aus Italien vom ersten Tag seines Ägyptenaufenthalts nahezu lückenlos vom Geheimdienst überwacht worden sei. Nahezu jedes Treffen mit Ägyptern sei dokumentiert. Nur Regenis letzte Tage seien nicht klar, da ermittelten die Behörden weiterhin.

Der Druck auf die Ägypter wächst: In vielen Teilen der Welt haben sich Gruppierungen zusammengefunden, an Universitäten, in Kirchen, unter Gewerkschaftern und Tausende über das Netz. Sie fordern: "Die Wahrheit über Giulio."


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