Panama-Daten und die Russen: Das System ist korrupt. Na und?

  06 April 2016    Gelesen: 715
Panama-Daten und die Russen: Das System ist korrupt. Na und?
Putins Beliebtheit wird nicht leiden: Das Echo auf die Panama-Papiere ist in Russland verhalten. Für einen Saubermann hält den Staatschef eh niemand.
Wer am Montagabend Geduld hatte vor dem Fernseher und die 20-Uhr-Nachrichten des Staatssenders Rossija bis fast zum Ende guckte, der wurde kurz vor Schluss doch noch belohnt.

Ab Sendeminute 35 berichtete der Kanal über die Auswertung der Panama Papiere. "Faktisch keinerlei Grundlage" hätten die Anschuldigungen gegen Politiker und Prominente in aller Welt, genannt wurden Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew und der Ukrainer Petro Poroschenko, Lionel Messi und Jackie Chan.
"Gewisse Forscher" des amerikanischen Journalisten-Netzwerks ICIJ hätten "einen Bericht" zusammengestellt, hieß es bei Rossija, "ohne jede faktische Grundlage". Das sei allerdings kein Wunder, sei der ICIJ doch in den Vereinigten Staaten beheimatet, werde von US-Fonds finanziert und von US-Außenminister John Kerry persönlich gesteuert.

Nicht erwähnt wurde die "Süddeutschen Zeitung", der die Daten von einer anonymen Quelle zugespielt worden waren und die sie erst später mit anderen Journalisten und dem ICIJ geteilt hatte. "Die Journalisten müssen eben etwas tun für das Geld, das sie bekommen", so das Fazit für die russischen Fernsehzuschauer.

Russland war bislang ein Schwerpunkt der Berichte über die Panama Papiere. Die Ehefrau von Putins Pressesprecher Dmitrij Peskow wird in Verbindung mit einer Offshorefirma gebracht, auch ein enger Freund des Präsidenten, der Cellist Sergej Roldugin. Die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" verzichtet ganz auf einen Bericht zu dem Thema, das liberale Wirtschaftsblatt "Kommersant" ebenso, die "Nesawissimaja Gaseta" hat einen kurzen Text auf Seite drei. Beim Webportal Lifenews.ru spuckt das Archiv auf die Suchanfrage "Panama" einen Text von Anfang Februar als aktuellsten Treffer aus.

Warnung vor einer "Info-Attacke"

Putins Sprecher Peskow hatte russische Journalisten in der vergangenen Woche vor einer bevorstehenden "Info-Attacke" gewarnt. Das Echo auf die Enthüllungen fällt aber auch aus einem anderen Grund verhalten aus: Sie erstaunen niemanden. Der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin begann einen Blogeintrag zu dem Thema mit dem Hinweis, es gebe "überhaupt keine Sensation". So schreibt niemand, der auf den Beginn von Massenprotesten gegen korrupte Netzwerke hofft.

Die Panama Papiere haben einige internationale Staats- und Regierungschefs unter Druck gesetzt, den Briten David Cameron, Islands Premier. Präsident Petro Poroschenko muss sich in der Ukraine rechtfertigen.

Wladimir Putin dagegen kann sich seiner hingegen verhältnismäßig sicher sein. Die emsigen Offshoreaktivitäten von Männern aus seinem Umfeld werden ihm nicht gefährlich werden. Sie sind "nicht mehr als ein Nadelstich", konstatiert das Massenblatt "Moskowskij Komsomolez". Nicht einmal Roman Anin, Starreporter der "Nowaja Gaseta" und in Russland federführend bei der Auswertung der Panama Papiere, macht sich Hoffnungen auf eine Reaktion der Bürger. Früher habe ihm das etwas ausgemacht, sagte Anin dem Sender Echo Moskaus. Inzwischen habe er sich daran gewöhnt.

Blenden und blenden lassen

Wer glaubt, die Russen würden sich gegen ihre Elite wenden, wären sie nur besser über deren Machenschaften informiert, wird Enttäuschungen erleben. Die Mehrheit der Bevölkerung weiß sehr wohl Bescheid über die frappierenden Geschäftserfolge von Putins alten Judo-Freunden, den rasanten Aufstieg von Bekannten des Kreml-Chefs in die Riege Russlands reichster Männer.

Ein Beispiel waren auch die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Jeder Russe hatte von der Explosion der Kosten auf 50 Milliarden Dollar gehört, von den Bauaufträgen, die immer an die gleichen Milliardäre gingen. Trotzdem gaben in Umfragen 69 Prozent der Russen an, dass sie den Wettkämpfen entgegenfieberten.

Natürlich inszeniert der Kreml Putin weiter als bescheidenen Mann des Volkes. Die Russen sagen nicht viel gegen diese Saubermann-Folklore, aber das heißt nicht zwangsläufig, sie würden sie glauben. Blenden und sich - wider besseren Wissens - blenden lassen hat in Russland Tradition. Daran erinnert eine seit Sowjetzeiten in Russland beliebte Redensart: "Mein Chef tut so, als würde er mich bezahlen - dafür tue ich so, als würde ich für ihn arbeiten."
Die Weltsicht der Russen macht die Verteidigung leicht. Wo es möglich ist, unterdrückt der Kreml Berichte über die Offshoreseilschaften, wo nötig verweist er darauf, dass Putin selbst gar nicht auftaucht im Panama-Fundus. Der Schriftsteller Sergej Schargunow kommt zu dem Schluss, dass solche Recherchen null Effekt hätten. Durch die Vielzahl von Schmutzkampagnen sei die Gesellschaft ernüchtert. "Die Leute denken automatisch, dass jemand mit solchen Enthüllungen gewisse politische Ziele verfolgt", sagt Schargunow.

Das Problem ist nicht, Korruption in Putins Umfeld nachzuweisen. Die Herausforderung besteht darin, das schiefe Weltbild der Russen geradezurücken.

Zusammengefasst: Russland ist ein Schwerpunkt bei der Enthüllung über die Panama Papers, doch im Land selbst bleiben Reaktionen fast gänzlich aus: Die Staatsmedien berichten kaum, und wenn, stellen sie die Leaks als von den USA gesteuert dar. Wer glaubt, die Russen würden sich gegen ihre Elite wenden, wären sie nur besser informiert, irrt: Die Mehrheit der Bevölkerung weiß um Korruption und Nepotismus, nimmt das aber in Kauf.

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