Sanders war mal Mitglied der „Socialist Party of America“, einer US-Variante der SPD. Er hat 1962 ein Sit-in gegen die Rassentrennung organisiert, er nahm sogar 1963 am Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit teil. Er war Krankenpfleger und Teilzeitjobber, ein Gegner des Irak-Kriegs, er spricht sich gegen Freihandelsabkommen der USA aus, wendet sich gegen die wachsende Schere zwischen Arm und Reich und ist heute Mitglied des US-Senats für den Staat Vermont. Sanders nennt sich „Sozialist“ – was für die USA ein ganz schön starkes Stück ist. Gemeint ist der Sozialdemokratismus aus der Zeit vor Schröder und Blair, was aber in den USA immer noch ein starkes Stück wäre. Für die Insassen des US-Bootes, in dem auch die deutsche Bevölkerung rudern muss, sind vor allem seine außenpolitischen Positionen interessant.
In Sanders eigenen Worten: „Ich war gegen den ersten Golfkrieg, weil ich geglaubt habe, da wäre ein Weg, unsere Ziele zu erreichen, ohne Blutvergießen, durch Sanktionen und aufeinander abgestimmte diplomatische Aktionen“. Ja, aber: „Und in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 war ich für die Anwendung von Gewalt in Afghanistan, um die Terroristen zu jagen, die uns angegriffen hatten.“ So, wie der erste Satz Hoffnung machen kann, so warnt der zweite vor Illusionen aller Art.
In der Zustimmung zu Sanders äußert sich in den USA primär die Ablehnung jenes amerikanischen Establishments, das Verantwortung für die Verarmung der Arbeiterklasse und der unteren Mittelschichten trägt. Eine Ablehnung, von der auch Trump profitiert. Nach Clinton, Bush und Obama, nach einer Reihe von dubiosen Versprechungen und immer größeren Kriegskosten, reicht es nun vielen US-Amerikanern. Doch anders als zur Zeit der letzten großen Wende in den USA, rund um die Präsidentschaft von Franklin Delano Roosevelt, gibt es keine sozialen Massenbewegungen im Land und keine Sowjetunion, die zu jenen Zeiten ein durchaus populäres Modell für nicht wenige Amerikaner war.
Der amerikanische Politikwissenschaftler E. E. Schattschneider schrieb in seiner Einschätzung des Roosevelt-Phänomens: „Die Wahlen von 1932 waren viel mehr als die Niederlage der bislang regierenden politischen Partei; sie waren durchaus so etwas Ähnliches wie die Niederwerfung einer herrschenden Klasse. Die Demokratische Partei wurde in den dreißiger Jahren das widerstrebende Instrument für eine Revolution, die sie weder geplant noch erzeugt hatte. Man kann sich schwerlich eine Partei vorstellen, die jemals für eine neu gewonnene Verantwortung weniger vorbereitet gewesen wäre als die Demokratische Partei bei Roosevelts erstem Amtsantritt.“ Die heutige Demokratische Partei wird alles tun, eine Präsidentschafts-Kandidatur von Sanders zu verhindern.
Doch selbst wenn – gegen jede Wahrscheinlichkeit – Bernie Sanders der Kandidat der Demokraten werden würde, wenn er gar Präsident der USA geworden wäre, gilt das Wort des US-Soziologen Norman Birnbaum, der zur einstigen Hoffnung Barack Obama formulierte: „US-Präsidenten genießen die Freiheit, als Vollstrecker des imperialen Erbes zu handeln – nicht jedoch, dieses Erbe als die erdrückende Bürde zu behandeln, zu der es geworden ist.” Auch Sanders könnte die imperialistische Erbschaft nicht ausschlagen. Uns aus dem Elend der US-Abhängigkeit zu erlösen, „können nur wir nur selber tun“. Trotzdem Bernie, go for it, hau rein!
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