"Kein Krankenhaus muss durch die Krise leiden"

  02 November 2022    Gelesen: 500
  "Kein Krankenhaus muss durch die Krise leiden"

Die Bundesregierung will Krankenhäusern in der Krise unter die Arme greifen. Das will das Kabinett am heutigen Mittwoch beschließen, kündigt Gesundheitsminister Lauterbach in der ZDF-Sendung Markus Lanz an. Zugleich versucht der Minister, die geplante Legalisierung von Cannabis zu begründen.

Die Ampelkoalition will Krankenhäuser in der aktuellen Krise finanziell unterstützen. Dazu will die Bundesregierung bis zu acht Milliarden Euro aus dem Energiestabilisierungsfond bereitstellen, kündigt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" an. Das wolle das Kabinett am heutigen Mittwoch beschließen, so Lauterbach. "Wir werden sicherstellen, dass zu keinem Zeitpunkt den Krankenhäusern Strom oder Gas fehlt." Kein Krankenhaus solle durch Inflation sowie durch die Strom- und Gaskrise in Liquiditätsprobleme kommen, verspricht Lauterbach. "In dieser Krise wird kein Krankenhaus leiden müssen", sagt der Politiker. Anders als die Industrie müsse zudem kein Krankenhaus Energie einsparen.

"Es könnte nicht schlechter laufen"

Es ist nicht das erste Mal, dass Lauterbach eine politische Entscheidung zuerst in der Talkshow von Markus Lanz ankündigt. Eingeladen ist er jedoch vor allem, um über die geplante Freigabe von Cannabis zu reden. Hier hat der Minister an diesem Abend einen schlechten Stand. Und nicht jede seiner Rechtfertigungen trifft ins Schwarze.

Die Ampelparteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag eine Freigabe von Cannabis vereinbart. Das hatte vor allem die FDP gefordert. In der vergangenen Woche hatte zunächst die Bundesregierung grünes Licht gegeben. Dennoch müssen Kiffer noch warten, denn das entsprechende Gesetz muss zunächst von der EU-Kommission abgesegnet werden. Juristen hatten zuletzt angemahnt, es verstoße gegen Europarecht und diverse UN-Abkommen. Das Gesetz sieht vor, dass Cannabis nur von speziell dafür lizenzierten Händlern verkauft werden darf. Die Abgabe der Droge an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist grundsätzlich strafbar.

Der Cannabisverbrauch nehme aktuell besonders bei Jugendlichen zu, so der Minister. Gleichzeitig würden Dealer die Droge häufiger mit Stoffen strecken, die leichter süchtig machen. "So, wie das jetzt ist, kann man sagen: Es könnte nicht schlechter laufen." Der Cannabisverkauf an Kinder und Jugendliche solle strafrechtlich besser verfolgt werden, so Lauterbach, und weiter: "Solange der Schwarzmarkt da ist, kann man das nicht kontrollieren." Gleichzeitig gibt es laut Minister Lauterbach zahlreiche Erwachsene, die kiffen wollten. Denen könne man das nicht verbieten. "Da könnte man auch argumentieren: Warum wird Alkohol erlaubt, aber der Cannabiskonsum nicht?"

Wichtig ist Lauterbach jedoch vor allem, den Cannabiskonsum von Kindern zu verhindern. Und hier äußert er bei Lanz eine sehr gewagte These: "Wenn ich Cannabis an Jugendliche abgebe, was jetzt für einen Dealer auf dem Schulhof vollkommen straffrei wäre, dann kann ich den Dealer in Zukunft drakonisch bestrafen."

Die Behauptung, der Cannabisverkauf auf Schulhöfen oder Spielplätzen sei straffrei, ist jedoch grundfalsch. Allerdings fallen die Strafen unterschiedlich hoch aus. So wurde im Jahr 2018 laut "Mainzer allgemeiner Zeitung" ein 23-jähriger Kleindealer für den Verkauf von Cannabis zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Wäre er ein paar Jahre jünger gewesen, hätte das Urteil niedriger ausfallen können: Wer 18, 19 oder 20 Jahre alt ist, muss nicht nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. In diesem Alter kann auch eine Jugendstrafe verhängt werden, die deutlich niedriger ausgefallen wäre. Nur Dealer, die jünger als 14 Jahre sind, dürfen nicht bestraft werden.

"Heute wird überhaupt nicht ermittelt"

Die bisherige Kriminalisierung des Cannabis-Verkaufs habe bisher nicht dazu geführt, dass der Schwarzmarkt zurückgedrängt worden sei, begründet Lauterbach die geplante Legalisierung des Cannabisverkaufs an Erwachsene. "Damit machen die schäbigsten Leute unserer Gesellschaft Geschäfte", sagt er. Bisher sei gegen diese Dealer überhaupt nicht ermittelt worden. Das solle sich nun ändern. Wer eine Lizenz besitze, müsse die Droge zu einem staatlich festgesetzten Preis abgeben. Wie hoch der sein wird, kann Lauterbach nicht sagen. Und über einen möglichen Schwarzmarkt für gefälschte Lizenzen wird er nicht befragt. Moderator Markus Lanz bezweifelt jedoch, dass mit diesem Gesetz der Schwarzmarkt für Cannabis überhaupt sinnvoll bekämpft werden kann. Lauterbach dazu: "Wenn es den Schwarzmarkt weiter gäbe, würde das bedeuten, dass das Gesetz nicht funktioniert." Dann könne man es auch wieder kassieren.

Vor allem für Kinder und Jugendliche sei Cannabis schädlich, warnt Lauterbach. "Es kann da zu nicht reparablen Hirnschäden kommen. Menschen, die jung angefangen haben, haben lebenslang ein erhöhtes Risiko, Psychosen zu entwickeln, insbesondere Angststörungen, schizoide Störungen und Depressionen. Ich sehe, dass dieser Konsum zunimmt, und ich will ihn begrenzen."

Die Frage ist jedoch, ob dazu eine Legalisierung des Verkaufs, selbst nur teilweise, die richtige Lösung ist. Man könnte auch das Strafmaß für Dealer erhöhen. Hier sieht Lauterbach jedoch ein grundsätzliches Problem: Man könne ja nicht wissen, wer ein Dealer sei, sagt er. Eine Behauptung, die zumindest stutzig machen kann. Denn eigentlich ist ein Dealer jemand, der dealt. Wo Lauterbach ein Problem sieht, wird nicht klar.

"Mache das, um Gesundheit von Kindern zu schützen"

Man kann Lauterbach glauben, dass ihm die Gesundheit von Kindern am Herzen liegt. Doch ob dazu eine Teillegalisierung von Cannabis das richtige Mittel ist, das eine Journalistenkollegin bei Markus Lanz eine "Lifestyledroge" nennt, bleibt fraglich. "Würde man das nicht machen, könnte man auch fordern, dass 18- bis 25-Jährige keinen Alkohol mehr trinken dürfen", sagt allerdings Lauterbach.

Angesichts von mehr als 60.000 Menschen, die laut Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr in Deutschland allein an alkoholbedingten Krankheiten sterben, könnte man aber auch die Frage stellen: Und warum eigentlich nicht?

Quelle: ntv.de


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