Meinen die das ernst bei BMW? Es gibt vom neuen 7er keine Langversion mehr? Es wird sogar richtig ernst, der neue 7er (Werkscode: G70) kommt nämlich nur noch als Ultra-Langversion. Und zwar misst die neue Ausführung 5,39 Meter in der Länge und überragt damit den Luxusliner Bentley Flying Spur um mehr als sieben Zentimeter! Wer jetzt garagenmäßig passen muss, aber überhaupt nicht daran denkt, zum Laternenparker zu werden, gehört wohl zu der künftig größer werdenden Mehrheit in Deutschland, die ohne 7er auskommen muss.
Generell macht BMW keinen Hehl daraus, dass der deutsche Markt nicht im Fokus liegt - gerade einmal acht Prozent aller verkauften Einheiten der traditionellen Oberklasse planen die Münchener für Europa ein. Der Rest geht vor allem nach China und in die USA. Auch V8-Fans müssen ganz stark sein - es gibt zwar einen Achtzylinder, aber eben nicht für Europa. Nicht, dass die Entwickler keine Lust auf das dezente und charakteristische Bollern gehabt hätten, aber Triebstrang-Spezialist Emanuel Nicolardi erklärt, die Komponenten für die anspruchsvolle Abgasnachbehandlung hätten einfach zu viel Bauraum eingenommen. Beziehungsweise: Die Anpassung wäre im Verhältnis zur erwarteten Stückzahl in Europa zu teuer gewesen. Schade.
Trotzdem gehört der 7er hierzulande zum Standardrepertoire, wenn es um gehobene Fortbewegung geht. Und dass das Modell weiterhin wichtig für Europa ist, kann man schon allein daran ablesen, dass es mit dem 740d xDrive (Dreiliter-Reihensechszylinder mit 299 PS) wieder einen patenten Diesel gibt. Ausgerechnet den haben die Oberbayern zu den ersten Testfahrten allerdings nicht mitgebracht. Sie haben nämlich Großes vor. Und zwar nicht weniger, als den elektrischen Antrieb im nobelsten Segment zu etablieren. Diesel, natürlich - kann man haben und ist auch sinnvoll. Aber die Elektromobilität soll die Zukunft sein, natürlich auch im 7er. Und so durfte ntv.de im sogenannten i7 xDrive60 nicht bloß Platz nehmen, sondern auch damit losstromern. Doch so schnell geht das nicht, erst einmal einsteigen und innehalten.
Kino oder 7er-Fond?
Und das zunächst einmal unbedingt im Fond, wo so einige Überraschungen auf den Passagier warten. Als da wäre ein unfassbar großer Screen, der prompt aus Richtung Dachhimmel klappt. Hauptbestandteil des "Fond-Entertainment Experience" dürfte der 31 Zoll große "BMW Theatre Screen" mit 8K-Auflösung sein, der es dank Streaming-Dienst locker mit einem schönen Kinobesuch aufnimmt - zumal man sich herrlich in die hinteren Sessel fläzen kann.
Allerdings lassen sich hier auch die neuesten Games zocken - oder man switcht einfach auf den Wetterbericht. In die Türgriffe integrierte Touchscreens im Format eines ausgewachsenen Smartphones helfen bei der Bedienung und fördern den Erwachsenenspieltrieb. Wer zum Grundpreis von mindestens 114.300 Euro (740d xDrive) die Kleinigkeit von 11.330 Euro extra überweist, erhält nicht nur eine Massagefunktion hinten, sondern bekommt auch noch Lautsprecherboxen in die Sitze eingebaut, um das Kinoerlebnis akustisch zu perfektionieren. Die Top-Soundanlage bietet 4D Klang und 1965 Watt Leistung.
Umstieg in die erste Reihe, natürlich auf den Fahrersitz. Und während ich - abgelenkt von den ganzen Gadgets im Fond - gar nicht mitbekommen habe, dass ich auf Stoffsitzen hocke, bin ich nun umso mehr überrascht. Stoffsitze in der Oberklasse? Das gab es bei BMW zuletzt im 2008 eingeführten F01 und wurde mit dessen Facelift abgeschafft. Jaja, aber diese Stoffsitze hier sind ja nicht einfach irgendwelche Stoffsitze. Die sogenannte Woll-Kaschmir-Kombination muss man schon extra bezahlen - mit 800 Euro plus weiteren, dann obligatorischen Paketen, die nicht unter 2000 Euro zu haben sind - so zum Beispiel das "Connaisseur"-Paket mit Massage vorn und Sitzklimatisierung.
Die Polsterwelt scheint mit dem neuesten 7er plötzlich eine andere - serienmäßig rollt die Limousine mit Kunstleder "Veganza" an den Start. Vor kurzer Zeit undenkbar, dass überhaupt Kunstleder in diesem Segment lieferbar war. Wie dem auch sei, die Fauteuils scheinen wirklich ziemlich bequem, nicht zu straff, nicht zu weich - genau richtig. Aber immer noch faszinieren im 7er andere Dinge als Mobiliar, und sei es noch so technisch (ja, alles beheiz- und kühlbar, zigfach verstellbar und mit Massagefunktion ausgestattet).
Türen lassen sich per Bremspedal schließen
Doch der Knaller sind die elektrischen Türen. Alle vier Portale öffnen und schließen elektrisch - per Knopfdruck innen auf dem kristallenen Dekorstreifen oder auch per Fernbedienung. Mit der richtigen Einstellung schließen sie auch bei Betätigung des Bremspedals. Und wenn da Hindernisse im Weg sind? Kein Problem, die noble Limousine ist gespickt mit Ultraschallsensoren - da stößt nichts an. Na dann.
Der Rest ist fast unspektakulär. Curved Display mit BMW Operating System 8, ja sicher, aber das kennt man schon aus anderen Modellen, wenngleich der 7er hier ab nächstem Jahr auch Youtube-Videos abspielen kann. Der Riesenscreen hat viele Menüs und Funktionen, deren Ebenen teils als Kacheln dargestellt werden. Geht alles schnell und intuitiv - nach einiger Zeit hat man es drauf. Zur Not den Sprachassistent bemühen, klappt fast immer. Auch jetzt wieder während der Testfahrten.
Also, lass doch mal losfahren. Eckdaten gefällig? Zwei stromerregte E-Maschinen werkeln ohne Einsatz seltener Erden, also eine pro Achse. Beide gemeinsam greifen mit 544 PS (so viel wie einst das Topmodell 760i vor 13 Jahren hatte) an, schieben den 2,7-Tonner natürlich lautlos und wuchtvoll durch die Gegend - kein Wunder bei 745 Newtonmetern Drehmoment. Die Leistungsentfaltung erfolgt von der Elektronik gezügelt sanft ansteigend, damit auch keinem Passagier übel wird. Trotzdem sollen nach 4,7 Sekunden 100 km/h stehen.
In einem unbeobachteten Moment könnte man auf einer einsamen Landstraße irgendwo im häufig vorkommenden Nirgendwo der kalifornischen Wüste auch mal 100 Meilen pro Stunde (160 km/h) probieren, was rasch und mit Druck im Rücken tadellos funktioniert. Maximal sind 240 km/h drin - für ein rein elektrisch angetriebenes Auto in Ordnung. Doch besser schnell wieder verzögern, klappt auch mit harmonischer Dosierbarkeit.
Fast noch frappierender als die schiere Beschleunigung ist, wie gekonnt die Ingenieure diese 2700 Kilogramm verstecken. Es ist eine elegante, fast leichte Fortbewegung mit dem 7er. Fast ist ihm ein bisschen das Gefühl "schwerer Wagen" abhandengekommen, das für die Oberklasse doch eigentlich Pflichtprogramm ist. Bisher jedenfalls. Na, ausufernd komfortabel ist er natürlich schon. Jetzt eben zusätzlich ein Quäntchen agiler in der Kehre dank Feinschliff an allen Komponenten. Mit serienmäßiger Luftfederung sowie Hinterachslenkung scheint ab sofort jeder 7er den Widerspruch zwischen Masse und Fahrdynamik aufzulösen. Die Querperformance kann sich sehen lassen, die Mundwinkel sind stets oben.
Auch die Version mit elektrischem Antrieb kann Strecke
Was gibt es sonst noch zum neuen 7er zu sagen? Er verfügt über flächenbündige (also einfahrbare) Türgriffe, eine beleuchtete Niere (ziemlich cool) und jetzt auch Zweifarblackierungen. Ach ja, und neben Elektro- sowie Dieselantrieb darf ja übrigens auch Plug-in-Hybrid gewählt werden. Wer die batterieelektrische Version aussucht zum Grundtarif ab 135.900 Euro (Förderung gibt es in diesen Sphären nicht mehr), soll wissen, dass er angesichts 102 kWh Netto-Batteriekapazität zumindest keine "Reichweitenangst" haben muss. BMW verspricht, mit einer Akkufüllung im kombinierten WLTP-Betrieb mindestens 591 Kilometer weit zu kommen. Wer mit 195 Kilowatt nachlädt, gewinnt im optimalen Fall 170 Kilometer Reichweite (WLTP) je zehn Minuten zurück.
Kurz noch ein Wort zum Plug-in-Hybrid: Der mit 571 PS und Reihensechszylinder ausstaffierte M760e xDrive (144.000 Euro) ist noch einen Zacken potenter als alle bisher präsentierten Varianten. Und wer die Hoffnung hegt, BMW könne ja vielleicht doch noch gnädig werden und wenigstens den V8-PHEV-Strang aus dem XM implementieren für eine Europavariante mit acht Töpfen - dem nimmt Nicolardi den Wind aus den Segeln. Der Techniker betont, der 7er solle ja schließlich auch irgendwie ein Wegweiser für emotionale Elektromobilität sein. Abwarten, ob die Kundschaft das genauso sieht.
Noch ist der Achtzylinder in der automobilen Oberklasse schließlich Standard. Nicht ausgeschlossen, dass sich das ändert. Vielleicht mit der angekündigten elektrischen Topversion, die an der 700-PS-Grenze kratzen soll? Es bleibt spannend.
Quelle: ntv.de
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