Robert Habeck und Tom Alweendo haben einen sehr ähnlichen Krawattengeschmack. Den deutschen Minister für Wirtschaft und Klimaschutz und den namibischen Minister für Bergbau und Energie, die nebeneinander im Amtssitz des Staatspräsidenten in der Hauptstadt Windhuk stehen, eint allerdings mehr als die dezent blauen Schlipse: Sie wollen die Energiepartnerschaft zwischen beiden Ländern voranbringen. Und das soll "auf Augenhöhe" stattfinden, wie Habeck versichert.
Die Bundesregierung werde die Transformation Namibias in Richtung sauberer Energie unterstützen, so der grüne Minister - aber selbstverständlich nur, wenn die Hilfe von namibischer Seite gewünscht werde. Deutschland mache ein Angebot, das sich von dem anderer energiehungriger Nationen unterscheide.
Damit meint Habeck zweifellos China. Die Volksrepublik ist in weiten Teilen des Kontinents aktiv und setzt auf einen brachialen Ansatz: Sie finanziert vor allem Rohstoff-Projekte, baut die Infrastruktur, bringt die Fachkräfte mit - und bekommt dafür begehrte Rohstoffe. Der anderen Seite bleiben hohe Schulden, zu Billiglöhnen beschäftigte Arbeitskräfte und gewaltige Umweltschäden.
Dem will die Bundesregierung einen partnerschaftlichen Ansatz entgegensetzen - auch vor dem Hintergrund der Kolonialgeschichte Namibias, die mit einem Betrug begann. Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich Kaufleute aus Bremen große Flächen für einen Spottpreis unter den Nagel gerissen, um eine private Kolonie unter Schutz des Deutschen Kaiserreichs zu gründen. Ihr Trick: Bei der Vertragsunterzeichnung gaben sie das zu kaufende Territorium in Meilen an - und der Stammesführer ging davon aus, dass damit die üblichen englischen Meilen gemeint seien. Die Kaufleute hatten aber die viel größeren preußischen Meilen im Sinn. Dieser Deal ging in die Geschichte ein als der "Meilenschwindel von Lüderitz". Das Gebiet wurde die Keimzelle der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia.
Die Zurückhaltung Habecks erklärt sich auch aus dem schlimmsten Verbrechen der deutschen Kolonialmacht, dem Völkermord an den Stämmen der Namas und Hereros. "Deutschland stand nicht immer auf der richtigen Seite der Geschichte", sagt er und spricht vom "Unrecht, das wir hier angerichtet haben". Zuvor hatte er einen Kranz an dem Mahnmal niedergelegt, das an den Völkermord erinnert und in Sichtweite der von Deutschen 1904 erbauten Christuskirche steht.
Deutschland braucht Energie
Im Süden des Landes ist nun ein riesiges Projekt geplant, das mit der Kolonialvergangenheit Deutschlands nichts zu tun hat. In der Wüste soll eine Anlage entstehen, die angetrieben durch Solarenergie grünen Wasserstoff herstellt. Die Ausschreibung gewonnen hat ein mittelständisches Unternehmen aus Brandenburg, das sich einen Partner in Namibia gesucht hatte. Was dieses Projekt von so vielen anderen in Afrika unterscheidet: Namibia ist gleichberechtigter Partner. Der Staat soll nicht nur von Steuerzahlungen profitieren. Fünf Prozent des Umsatzes sollen direkt an Namibia gehen. Fast alle der Jobs sollen Namibier bekommen.
Das Projekt ist groß, für namibische Verhältnisse ist es gigantisch: Es hat ein Investitionsvolumen von zehn Milliarden Dollar - und erreicht damit fast die Größe des namibischen Bruttoinlandsprodukts, das in diesem Jahr schätzungsweise bei zwölf Milliarden Dollar liegen wird. Die Herausforderungen sind gewaltig: 2027 soll die Produktion beginnen. Das Projekt muss finanziert und gebaut werden. Grüner Wasserstoff ist noch eine Nischentechnologie. In dem Land mit lediglich 2,5 Millionen Einwohnern müssen Fachleute ausgebildet oder durch Umschulungen qualifiziert werden.
Wird das Projekt realisiert, wird es viel mehr Energie erzeugen, als Namibia braucht. Der Rest wird exportiert. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Projekt realisiert wird. Und Deutschland ist auf Energieimporte angewiesen. Das hält Habeck allerdings nicht davon ab, zu beteuern, dass es bei dem Projekt zuallererst um Namibias Energieversorgung und Wirtschaft gehe.
Dass der Minister Namibias Interessen in den Vordergrund stellt, ist auch ein Gruß an Peking. Die Bundesregierung hofft, dass Namibia eine Blaupause für künftige Energiepartnerschaften und eine Alternative zur chinesischen Lösung wird. Dafür allerdings muss das Projekt erst einmal umgesetzt werden.
Quelle: ntv.de
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