München: Terrorverdächtige wieder auf freiem Fuß

  08 April 2016    Gelesen: 520
München: Terrorverdächtige wieder auf freiem Fuß
Ermittler konnten den Terrorverdacht gegen einen Iraker und einen Nigerianer nicht erhärten. Die beiden Männer, die am Donnerstag in Bayern festgesetzt worden waren, sind wieder frei.
Den bayerischen Behörden blieb am Freitag nichts anderes übrig, als Ernest E. und Nabil H. J. wieder freizulassen. Der 29-jährige Nigerianer und der 46-jährige Iraker waren am Vortag wegen Terrorverdachts in München bzw. im Landkreis Fürstenfeldbruck festgenommen worden. Der Verdacht ließ sich nach den Vernehmungen der beiden aber nicht erhärten. Ermittler hatten zudem die Wohnungen der beiden durchsucht, sie werteten auch ihre Computer und Handys aus.

Die Staatsanwaltschaft ordnete am Freitag an, die beiden Männer aus dem Gewahrsam zu entlassen. "Im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen konnte der Tatvorwurf, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat geplant zu haben, bislang nicht weiter erhärtet oder bekräftigt werden", erklärte das bayerische Landeskriminalamt (LKA).

Der jüngste Hinweis auf die beiden Männer war aus den USA gekommen: Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE übersandte der Staatsschutz des Bundeskriminalamts (BKA) am Donnerstagmittag den bayerischen Behörden zwei deutsche Telefonnummern. Die Anschlüsse sollten in Kontakt mit Handys stehen, die einer Gruppe islamistischer Terroristen zugeordnet werden. Diese planten einen Anschlag in München am 7. oder 8. April, hieß es in der Nachricht. Diese Information war vom US-Geheimdienst NSA gekommen, über den Bundesnachrichtendienst (BND) gelaufen und schließlich beim BKA gelandet.

Der US-Geheimdienst überwacht Mails und Telefonate rund um den Globus, keine andere Behörde verfügt über ein ähnliches Aufkommen an abgehörter Kommunikation aus dem Bereich des internationalen Terrorismus. Die Hintergründe solcher Informationen - woher sie wissen, was sie wissen, und wie belastbar die Hinweise sind - liefern Nachrichtendienste üblicherweise nie mit. Die Polizei musste also handeln.

Das bayerische LKA konnte schnell die Anschlussinhaber der beiden Nummern feststellen. Es handelte sich um Ernest E. und Nabil H. J. Ein Spezialeinsatzkommando konnte die Männer am Donnerstagnachmittag festsetzen.

Ergebnislose Vernehmungen

Die Vernehmungen der beiden verliefen nach Informationen von SPIEGEL ONLINE aber ziemlich ergebnislos. Nabil H. J. räumte zwar ein, per Whatsapp und Viber Kontakt zu zwei Cousins zu haben, von denen sich einer noch im Irak aufhalte und der andere mit seiner Familie geflohen sei. Er befinde sich derzeit in Griechenland. Beide hätten aber nichts mit Terrorismus zu tun, beteuerte H. J.

Für die bayerische Landeshauptstadt war es der zweite Terrorverdacht binnen weniger Wochen - und ein weiteres Mal deutet sich dabei an, wie schwierig es für die Behörden ist, Terrorhinweisen nachzugehen: Erst in der Silvesternacht hatte es eine Warnung für München gegeben, zwei Bahnhöfe wurden wegen eines angeblich drohenden Anschlags islamistischer Attentäter geräumt. Später stellte die Münchner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein, weil ihre Erkenntnisse für eine Anklage nicht ausreichten.

Für erfahrene Terror-Fahnder zeigt der Fall in München das Dilemma der Behörden dieser Tage, gerade wenn die Warnmeldungen so konkret sind wie am Donnerstag. "Nach den Attacken in Paris und Belgien müssen wir jedem auch noch so kleinen Hinweis sofort und mit allen Mitteln nachgehen", beschreibt ein altgedienter Staatsschützer die Lage. Wenn sich die Hinweise am Ende nicht bestätigen, wirke das "natürlich immer übertrieben", die Alternative sei aber nur, dass man "etwas übersehe".

Auch für die Politik wird diese Lage immer mehr zur Gratwanderung. Innenminister Thomas de Maizière, der über aktuelle Hinweise stets persönlich unterrichtet wird, war noch nie ein Freund öffentlicher Warnungen wie kürzlich in München oder vor dem Fußballländerspiel in Hannover im vergangenen Jahr. Er will keine Panik verbreiten. Gleichwohl denkt man auch in seinem Haus an den Fall des Falls. "Wir würden geschlachtet", sagt ein Beamter, "wenn ein Anschlag passiert ist und herauskommt, dass Warnungen vorlagen."

Es sei richtig, dass die Sicherheitsbehörden in solchen Fällen rasch handeln würden, betonte de Maizière am Freitag in Berlin: "Im Zweifel eher früh zugreifen als zu spät."

Nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) hat sich die Zahl derartiger Gefährdungshinweise von 2014 auf 2015 verdreifacht. Durchschnittlich an etwa jedem dritten Tag erhielten die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr einen Tipp auf einen möglichen Terroranschlag.

Als erster hochrangiger Beamter forderte BfV-Chef Hans-Georg Maaßen daher im Januar eine Debatte über einen maßvolleren Gebrauch des allgemeinen Alarms: "Aufgrund der Erfahrungen der letzten Zeit halte ich im Umgang mit den Warnhinweisen ein abgewogenes Risikomanagement für nötig", so Maaßen. "Wir dürfen unser öffentliches Leben nicht von den Drohungen der Terroristen lahmlegen lassen."

Im aktuellen Fall entschieden sich die bayerischen Behörden am Ende nicht für den Großalarm, wie sie ihn noch in der Silvesternacht ausgelöst hatten. Über ein solches Vorgehen war aber intensiv nachgedacht worden. Weil das LKA die Verdächtigen jedoch schnell hatte ermitteln und festnehmen können, erwies sich ein allgemeiner Terroralarm letztlich als unnötig.


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