Was ist passiert? Hunderte Migranten waren am Sonntag einem arabischen Flugblatt gefolgt, das seit dem Vortag in der Zeltstadt kursiert. Der Aufruf, so vermuten es Medien, stammt von Aktivisten: Die Hilfesuchenden, so heißt es darin, sollen sich versammeln und nach Mazedonien marschieren.
Drei Polizeiwagen und Dutzende Uniformierte standen den Menschen gegenüber, als diese sich versammelten. Nach einigen Diskussionen erlaubten die Sicherheitskräfte fünf Vertretern der Flüchtlinge bei den Mazedoniern vorzusprechen. Doch die Polizisten auf der anderen Seite des Zauns wollen weiter niemanden durchlassen.
"Ich werde die Menge nicht kontrollieren können", sagte einer aus der Delegation. Er soll recht behalten. Als er ins Lager zurückkehrt und den Wartenden die Botschaft überbringt, eskaliert die Situation. Die griechische Polizei ist da längst nicht mehr zu sehen.
Zaun nimmt nicht die Hoffnung
"Wenn Gott will, werden wir die Grenze heute übertreten", hatte ein Mann, etwa Mitte 20, aus dem Irak am Morgen noch gesagt. Seine Frau und seine beiden Kinder begleiteten ihn. Eines sitzt im Rollstuhl. Wasser, Essen, ihr Hab und Gut - alles hatte die Familie zusammengepackt.
Der Stacheldrahtzaun nimmt den Menschen offenbar die Hoffnung nicht, doch noch nach Nordeuropa zu gelangen. "Wir werden Idomeni niemals verlassen, bis man uns erlaubt, unsere Reise nach Deutschland fortzusetzen", sagte der Mann.
Der Protest zeugt von vielen traurigen Wahrheiten in der Zeltstadt, wo über 11.000 Männer, Frauen und Kinder unter katastrophalen Bedingungen leben. Die Behörden schaffen es nicht, die Menschen davon zu überzeugen, in die rund 40 organisierten Lager in Griechenland zu gehen.
In einem Interview mit SPIEGEL ONLINE hatte Vize-Verteidigungsminister Dimitris Vitsas gesagt, das Lager in Idomeni werde bis Ende des Monats geräumt. Doch einmal mehr zeigt sich: Selbst ein anonymes Flugblatt, ein Eintrag auf Facebook oder Gerüchte haben für die verzweifelten Menschen vor Ort mehr Überzeugungskraft.
Ähnliches Flugblatt im März
Bereits Mitte März hatte ein ähnliches Flugblatt für einen Sturm auf den Grenzzaun gesorgt. Rund 2000 Flüchtlinge waren damals der Aufforderung gefolgt, einen reißenden Fluss zu überqueren. Drei Menschen waren dabei ertrunken. Wer es nach Mazedonien schaffte, wurde von den dortigen Sicherheitskräften umgehend zurückgeschickt. Auch damals wurden Aktivisten verdächtigt. Die freiwilligen Helfer stehen in Griechenland zunehmend in der Kritik, weil sie zum Teil eigene politische Ziele wie die Grenzöffnung verfolgen.
Egal, was die Regierung jedenfalls sagt: Die Flüchtlinge glauben lieber Männern wie Mohamed, einem jungen Mann aus Syrien. Offensichtlich treibt er die Proteste an. Er sagte den Flüchtlingen, wohin sie gehen, wo sie sitzen, was sie sagen sollen. "Wir haben einen Plan", hatte er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE gesagt. Da war alles noch ruhig. "Wartet ab. Was können sie uns antun? Uns töten?" Die Menschen um ihn herum jubelten und applaudierten.
Wahrscheinlich bleibt die Grenze dicht. Doch den Flüchtlingen ist die Aufmerksamkeit sicher. "Wir müssen sichtbar sein", sagte eine junge Frau, die einen Kinderwagen mit zwei Säuglingen schob. "Wenn wir nichts machen, vergessen die Menschen, dass wir existieren."
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