Das russische Militär hat einer Studie zufolge aus ihren Fehlern im Krieg gegen die Ukraine gelernt und sich an die Bedingungen auf dem Schlachtfeld angepasst. Wie das britische Royal United Services Institute (RUSI) in seiner aktuellen Analyse schreibt, stehen die ukrainischen Streitkräfte vor ihrer bevorstehenden Gegenoffensive daher "vor großen taktischen Herausforderungen".
In ihrem Bericht stellen die britischen Experten Verbesserungen in den verschiedenen Zweigen der russischen Streitkräfte fest, einschließlich den Einheiten für elektronische Kampfführung und den Panzer- und Artilleriebrigaden. Auch bei der Infanterie habe es Anpassungen gegeben. Dennoch gebe es in diesem Bereich noch immer Probleme, was zu hohen Verlustraten führe. "Die größte Schwäche aller russischen Infanterieeinheiten ist die niedrige Moral, die zu einem schlechten Zusammenhalt der Einheiten und einer schlechten Zusammenarbeit zwischen den Einheiten führt", heißt es in dem Bericht.
Moskau fängt ukrainische Funksprüche ab
Moskaus Militärplaner haben der Studie zufolge den Versuch aufgegeben, taktische Bataillonskampfgruppen als kombinierte Kampfeinheiten einzusetzen. Mittlerweile gliedere sich die Infanterie nach Funktionen in Angriffs-, Verteidigungs-, Spezial- und Aufklärungseinheiten. Das russische Pionierwesen habe sich als "eine der stärksten Waffengattungen erwiesen", so die Analyse. Russland habe entlang der gesamten Front Feldbefestigungen und komplexe Minenfelder errichtet, um ukrainische Durchbrüche zu erschweren.
Russische Panzer würden nur selten für Durchbruchsversuche eingesetzt. Stattdessen dienten sie hauptsächlich zur Feuerunterstützung. Russland habe zudem begonnen, seine Fahrzeuge mit Wärmetarnung auszustatten, was die Identifizierung auf Distanz und die Trefferwahrscheinlichkeit einiger Anti-Panzer-Raketen erheblich reduziere. Die russische Artillerie sei mittlerweile beweglicher, was sie weniger anfällig für Gegenfeuer mache. Zudem setze Moskau vermehrt auf Kamikaze-Drohnen. "Der reaktionsschnelle russische Beschuss stellt die größte Herausforderung für ukrainische Offensivoperationen dar", so die Experten.
Auch die russische Luftabwehr habe ihre Effektivität erheblich gesteigert und fange mittlerweile auch einen Teil der HIMARS-Raketen ab. Als weitere Bedrohung für Kiews Truppen identifizieren die Autoren der Studie Russlands Fähigkeiten im Bereich der elektronischen Kampfführung. Monatlich verliere die Ukraine etwa 10.000 Aufklärungsdrohnen. Zudem sei Russland offenbar in der Lage, Funksprüche ukrainischer Einheiten in Echtzeit abzufangen und zu entschlüsseln.
Russische Luftwaffe in der Reserve
Die russische Luftwaffe spiele aufgrund ihrer Unfähigkeit, die ukrainische Luftverteidigung zu durchdringen, keine große Rolle im Krieg. Gegenüber dem US-Magazin "Newsweek" sagte Jack Watling, einer der Autoren der RUSI-Studie, dass die russischen Luftstreitkräfte versucht hätten, Luftüberlegenheit zu erlangen, und dabei gescheitert seien. "Sie stellten fest, dass die Verlustrate bei Flugzeugen inakzeptabel war, und kümmern sich seitdem um ihre Flugzeuge und Piloten", so Watling. "Sie könnten in Zukunft beschließen, mehr Verluste hinzunehmen, um den Ukrainern Schaden zuzufügen." Die russische Luftwaffe bleibe daher eine "ernstzunehmende Bedrohung" für die ukrainischen Planungen.
Für ihre Gegenoffensive müsse das ukrainische Militär "erhebliche Kampfkraft entwickeln", um die russischen Linien zu überwinden. Das Ausmaß der russischen Verteidigungsanlagen entlang der Front mache es nahezu unmöglich, diese zu umgehen. Dennoch sind die Autoren der Studie optimistisch, dass die Ukraine die Ziele ihrer Gegenoffensive erreichen könnte.
"Die Streitkräfte der Ukraine sind hoch motiviert und kreativ im Einsatz der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel", sagte Watling gegenüber "Newsweek". Dennoch sollte man sich im Klaren sein, dass dies mit hohen Kosten verbunden sein werde. Ein Erfolg sei nicht garantiert.
Quelle: ntv.de
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