Europäische Unternehmen finden das Geschäftemachen in China so schwierig wie noch nie. Als Investitionsstandort verliert die zweitgrößte Volkswirtschaft an Attraktivität, wie aus einer Umfrage der Europäischen Handelskammer in China hervorging. Trotz des Endes des Null-Covid-Politik schwinde die Zuversicht in die wirtschaftlichen Aussichten in China. Auch leide die Profitabilität.
Angesichts wachsender Risiken und eines unberechenbaren Umfeldes sagten beinahe zwei von drei der befragten Firmen (64 Prozent), dass es in China mühseliger geworden sei, Geschäfte zu betreiben. Als Konsequenz prüften die Unternehmen, "wie viele Eier sie in ihrem China-Korb behalten wollen", teilte die EU-Kammer in Peking bei der Vorlage der Ergebnisse mit. Elf Prozent hätten Investitionen schon aus China abgezogen. Jeder zehnte Betrieb habe bereits sein Asien-Hauptquartier aus China verlegt oder plane eine Verlegung. 62 Prozent beklagten, wegen mangelnden Marktzugangs oder regulatorischer Hürden Geschäftsmöglichkeiten verpasst zu haben.
Politik und geopolitische Spannungen beeinträchtigen zunehmend das Geschäft: 59 Prozent schilderten, dass das Umfeld politisiert sei - ein Zuwachs um neun Punkte im Vergleich zum Vorjahr. "Die Folgen der russischen Invasion in der Ukraine haben auch den Blick auf den chinesischen Markt verändert, indem sie Unternehmen gezwungen haben, ernsthaft darüber nachzudenken, ob oder wie sie im Falle einer Eskalation der Spannungen in der Taiwanstraße betroffen sein könnten", teilte die Kammer mit.
Wachsende Umsatzeinbußen
Peking betrachtet die demokratische Inselrepublik als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Taiwan besitzt hingegen seit mehr als sieben Jahrzehnten eine eigenständige Regierung und sucht mehr internationale Anerkennung als Staat. Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit der Insel verpflichtet und liefern Waffen. So könnte die Großmacht leicht in den Konflikt hineingezogen werden.
Drei von vier Unternehmen haben ihre Lieferketten in den vergangenen zwei Jahren überprüft. 64 Prozent gaben an, sie widerstandsfähiger machen zu wollen. Fast ein Drittel nannte geopolitische Faktoren als Grund. Ein Viertel verwies aber auch auf politische Entwicklungen in China, das sich stärker auf eigene Füße stellen will. Zwölf Prozent der EU-Firmen haben Teile ihrer Lieferketten bereits aus China abgezogen, wie die Umfrage weiter ergab.
Auch die Einnahmen laufen nicht mehr wie früher. 30 Prozent berichteten von Umsatzeinbußen - dreimal mehr als im Vorjahr. Als einer der Gründe wurde das langsamere Wachstum in China genannt, das 2022 wegen Lockdowns und anderer Covid-Beschränkungen nur drei Prozent erreichte. Auch die Profitabilität ging zurück. Obwohl China im Dezember abrupt die Null-Toleranz-Politik beendet hatte, blicken die Unternehmen heute nicht optimistischer in die Zukunft. Vielmehr sind nur noch 55 Prozent zuversichtlich - ein Rückgang um sechs Punkte im Vergleich zum Vorjahr, als in China noch Null-Covid galt.
"Teufelskreis des Rückzugs"
"Erhöhte Herausforderungen für Geschäfte in China, geopolitische Spannungen sowie die Schwäche der chinesischen und globalen Wirtschaft haben Chinas Attraktivität als Investitionsziel untergraben", teilte die Kammer mit. Der Exodus von Ausländern, der durch die Null-Covid-Politik verstärkt worden war, wurde als weiteres Problem beschrieben. 16 Prozent haben gar keine Ausländer mehr in ihrem Unternehmen arbeiten - fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Kleine und mittelgroße Unternehmen sind besonders betroffen.
"All diese Faktoren gehen mit erheblichen Kosten einher, da die Mitgliedsunternehmen von einem verringerten Know-how-Transfer, von Schwierigkeiten in der Kommunikation und sogar der Notwendigkeit berichten, Investitionen zu verschieben", teilte die Kammer mit. "Die Diskrepanz zwischen den Unternehmenszentralen und den Betriebsrisiken in China schädigen weiter das Vertrauen in den chinesischen Markt weiter und lösen einen Teufelskreis des Rückzugs aus." Die jährliche Umfrage, an der sich diesmal 570 Unternehmen beteiligt haben, wurde im Februar und Anfang März in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Roland Berger vorgenommen.
Quelle: ntv.de, lno/dpa
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