Dacia Spring - wie viel (E-)Auto braucht der Mensch?

  02 Januar 2024    Gelesen: 706
  Dacia Spring - wie viel (E-)Auto braucht der Mensch?

Der in China produzierte Dacia Spring war bisher das günstigste vollwertige elektrisch angetriebene Fahrzeug auf dem hiesigen Markt. Allerdings könnte das BEV künftig unter Druck geraten angesichts des Wettbewerbs. ntv.de hat ausprobiert, ob ein Dacia Spring genug Auto sein kann.

Wie schnell sich die (finanzielle) Welt der Elektromobilität ändern kann, war ja vor wenigen Tagen zu sehen, als die Bundesregierung quasi über Nacht die Förderung bei der Anschaffung von entsprechenden Fahrzeugen für Privatkunden abschaffte. Prompt haben angebliche Experten schon das Ende der Elektromobilität ausgerufen oder zumindest einen sehr schwierigen Weg für sie prophezeit. So schlimm wird es schon nicht kommen. Allerdings dürfte es für Dacias kleinen Spring ein bisschen schwieriger werden - gleich aus mehreren Gründen. Erstens ist die Marke stark bei Privatkunden, also bei der bisher geförderten Zielgruppe, und zweitens spielt der Spring in einer Liga für preissensible Käufer.

Laut Liste ist der vollwertige Elektrowagen nämlich schon ab 22.750 Euro zu haben. Klingt tatsächlich teuer, ist für Elektro-Verhältnisse aber günstig. Noch. Unabhängig davon, wie sehr Dacia aktuellen Bestellern künftig finanziell unter die Arme greift, wird sich der Hersteller Gedanken darüber machen müssen, wie er sein elektrisch angetriebenes Angebot mittelfristig preislich positioniert. Derzeit gibt es für diesen Kurs keine ordentlichen elektrisch angetriebenen Fahrzeuge. Und bisher reißen die Kunden Dacia den Spring aus den Händen (bis November 2023 mehr als 11.000 Zulassungen in Deutschland).

Doch nicht nur Stellantis steht mit dem kleinen Citroën C3 bereits in den Startlöchern, der künftig gar für unter 20.000 Euro zu haben sein soll. Sogar die Schwestermarke Renault arbeitet mit dem elektrisch angetriebenen R5 an einem "Volksstromer".

Welchen Reiz bietet ein Dacia Spring?

Der Autor hat sich gefragt, welchen Reiz ein Auto wie der Spring ausüben kann. Wenn weniger mehr sein soll, scheint er jedenfalls genau die richtige Wahl zu sein. Der Rumäne ist der Gegenentwurf zu den ganzen Elektro-PS-Boliden - irgendwie erfrischend, dass es sowas gibt. Daher tritt hier ausdrücklich die Basisvariante mit 44 PS an. Echt jetzt, so etwas gibt es noch? Ja, aber neuerdings ohne Schnellladeoption. Natürlich bekommt man den Spring immer noch mit 30-kW-Gleichstromlader - allerdings nur noch für die 65-PS-Variante, und das bloß gegen 800 Euro Aufpreis.

Und auch wenn das jetzt irrational klingt: Die Neugierde ist groß, wie ein ausgewachsenes Vehikel mit unter 50 PS überhaupt fährt, noch dazu mit elektrischem Antrieb. Generell ist das mit dem Spring witzig - denn gestartet wird nicht, wie man vielleicht erwarten würde, per Knopfdruck, sondern per konventionellem Schlüssel mit klassischem Bart. Schrulliger Anachronismus. Nur das typische "Anlasserorgeln" fehlt logischerweise. Ein lautloses, schlichtes "ok" im Kombiinstrument reicht, um zu kommunizieren, dass der Eintonner jetzt fahrbereit wäre.

Jetzt noch fix mit dem kleinen Drehregler auf "D" und los. Und von wegen E-Maschine gleich Drehmomentmonster - hier muss man mit beschaulichen 125 Newtonmetern auskommen und entsprechend geht es eher gemächlich voran. Macht aber nichts, man kennt ja schließlich das Datenblatt. Für den Stadtverkehr reicht der Punch aber. Und wer nicht beabsichtigt, auf der Autobahn die Sau abzugeben, kommt ebenfalls mit der Performance zurande. Bei 125 Sachen ist übrigens Schluss, somit erreicht der 3,73 Meter lange Stadtflitzer gar nicht erst Richtgeschwindigkeit. Der Weg zur Topspeed erfordert allerdings Geduld, das Werk beziffert schon den Sprint auf Landstraßentempo (100 km/h) mit 19,1 Sekunden.

Doch Zahlen sind die eine Sache, Fahreindrücke die andere. So ein bisschen ist der Spring wie eine Reise in die Vergangenheit, als die Autos etwaige Steigungen noch mit schleichendem Geschwindigkeitsabfall quittierten. So macht es dieser Stromer auch, aber das ist völlig in Ordnung. Eigentlich ist alles am Spring alles in Ordnung. Selbst das hier und da nicht ganz sauber entgratete Plastik. Oder die nicht ganz so glattgeschliffene Soundkulisse des recht lauten Elektromotörchens. Der Dacia Spring ist in gewisser Weise ein Ausnahme-Elektrofahrzeug. Günstig und ehrlich. Und daher irgendwie cool.

Im Spring kann es kuschelig werden

Und klar wird es in dem schmalen Spring (1,77 Meter) vorn ein bisschen kuschelig, wenn sich zwei Personen in die erste Reihe gesellen. Doch damit ist ja zu rechnen. Dafür sind die Stühle hinreichend bequem, jedenfalls auf kürzeren Abschnitten. Längere Strecken kann man mit dem adrett aussehenden Spring ebenso zurücklegen, aber das muss man wollen. Der Testwagen mit dem Basismotor verfügt zwar noch über die Schnellladefunktion (früher gab es die stärkere Version nicht), allerdings ist schnell relativ. Wer den Fronttriebler an die CCS-Säule hängt, darf mit etwas mehr als 30 Kilometern Reichweitenzuwachs je zehn Minuten rechnen.

Viel weiter als 180 bis 200 Kilometer kommt der günstige Stromer ohnehin nicht mit seinem knapp 27 kWh großen Akku bei einem WLTP-Verbrauch von knapp 14 kWh pro 100 Kilometern. Auch dieser Wert mutet fast skurril an, denn manch moderner Plug-in-Hybrid kann mehr Strom speichern. Überhaupt überrascht der Spring mit so einigen Dingen. Er ist beispielsweise ein ganz properer Praktiker und wartet mit 31 Litern mehr Kofferraumvolumen (1100 Liter) auf als der konzerneigene Renault Clio, und das, obwohl dieser keinen Akku mitzuschleppen hat.

Und selbst das Kapitel Infotainment bestreitet der Spring ganz wacker. Eine preiswerte Lösung scheint zu sein, statt Display oder mechanischen Anzeigen schlicht Leuchtsegmente im Bereich der Instrumentenskalen zu verwenden, um Werte wie den Ladestand anzuzeigen oder die Rekuperation respektive Power. Und ein sieben Zoll großer Touchscreen inklusive Navi bietet genug Spielwiese, um Digital Natives zufriedenstellen. Wer dieses Quäntchen Monitor möchte, muss heutzutage aber zur 65-PS-Variante (Extreme) greifen zum Grundtarif von 24.550 Euro. Dann geht es immerhin auch ein bisschen spritziger nach vorn.

Fazit: Der Dacia Spring ist ein optisch ansprechendes und herrlich erfrischendes Einfach-Elektroauto mit wenig Schnickschnack. Die wirklich wichtigen Features sind jedoch an Bord, dazu gehören übrigens auch Sicherheitsfunktionalitäten wie ESP sowie Notbremsassistent. Dass seine Dämpfung einen Tick zu schmalbrüstig arbeitet, die Lenkung ein wenig synthetisch - wen kümmert es? Die Rede ist schließlich vom absoluten Basis-Elektroauto. Ausgerechnet wegen seines (derzeit noch attraktiven Kurses) könnte der fleißig verkaufte Bescheidenheitsprotz in Zukunft allerdings in schweres Fahrwasser kommen. Denn der Wettbewerb lauert schon mit neuen Produkten und Kampfpreisen. Sogar im eigenen Konzern.

Quelle: ntv.de


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