Chinas Autobauer bauen eigene Schiffe für den Export

  17 Januar 2024    Gelesen: 833
  Chinas Autobauer bauen eigene Schiffe für den Export

Die Expansionspläne chinesischer E-Autobauer nach Europa stoßen auf praktische Hindernisse. Die Käuferschaft im Westen ist nicht nur skeptischer als erwartet. Es mangelt auch an Frachtern, um die Fahrzeuge nach Europa zu bringen. BYD, Saic & Co. reagieren.

Der geplante Eroberungszug chinesischer E-Autobauer nach Europa lässt auf sich warten. Bis Autos aus China den Kontinent überrollen, wie die chinesische Regierung sich das vorstellt, könnten noch Jahre vergehen. Schuld daran ist nicht nur die Kaufzurückhaltung in den traditionellen Autohochburgen in Europa, sondern auch ein gravierender Engpass beim Frachtverkehr über die Weltmeere: Es fehlen geeignete Schiffe für die Autos. Chinas Autobauer steuern deshalb auf Geheiß von Peking gegen. Die Exportzahlen sollen endlich schneller steigen.

Laut "Handelsblatt" gibt es weltweit etwa 700 Autotransporter, nicht einmal 100 davon gehören China. Erschwerend kommt hinzu, dass wohl lediglich ein Bruchteil für die Überfahrt nach Europa geeignet ist. Um den Weltmarkt mit den Fahrzeugen, die chinesische Autobauer mittlerweile in hoher Zahl für den Export produzieren, zu fluten, ist das schlicht zu wenig.

Die Branche leidet nicht nur unter dem Schwund an Transportkapazitäten, der während der Pandemie stattgefunden hat, als die globale Nachfrage nach Neuwagen im Jahr 2020 einbrach. Damals wurden in die Jahre gekommene Roll-on/Roll-off-Schiffe ("Ro-Ro") kurzerhand verschrottet. Hinzu kommt, dass gleichzeitig keine neuen Bestellungen aufgegeben wurden, wegen der Diskussion über künftig klimafreundlichere Schiffstreibstoffe, wie das Blatt unter Berufung auf eine Studie der Londoner Schiffsberatung Clarksons schreibt.

Ungeachtet der Engpässe bei den Transportmöglichkeiten geben die chinesischen Autobauer bei der Produktion für den Export weiter Gas. Wie das Center of Automotive Management (CAM) und das Mercator Institute for China Studies (Merics) berechnet haben, dürfte China Japan im vergangenen Jahr als weltgrößter Auto-Exporteur überholt haben. Wurden noch 2020 weniger als eine Million Fahrzeuge in die ganze Welt transportiert, waren es 2023 schätzungsweise gut vier Millionen – ein Rekordwert. Ein Großteil davon landete in Europa, jedes dritte davon war ein E-Auto. Der boomende Autobau bedeutete Überproduktion: Autos, die nicht exportiert werden konnten, endeten auf Parkplätzen und Autofriedhöfen. Im Jahr 2022 sollen rund eine Million Autos stehen geblieben sein, weil die Transportmöglichkeiten fehlten.

Angebot und Nachfrage klaffen weit auseinander

Schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Die Lage könnte sich im Gegenteil sogar verschlimmern, denn fast die Hälfte der für den Transport von Autos geeigneten Schiffe ist heute älter als 15 Jahre und muss in absehbarer Zeit ausgemustert werden. Selbst wenn die Frachter jetzt bestellt werden, werden sie erst in drei Jahren ausgeliefert. Ein Problem, das China nicht alleine betrifft: Die Zahlen von Clarksons zeigen, dass die weltweiten Gesamtfrachtkapazitäten zu 2019 nur um zwei Prozent angestiegen sind, während der Seehandel mit Fahrzeugen alleine 2023 um sieben Prozent auf den Rekordwert von knapp 24 Millionen Fahrzeugen geklettert ist.

Die gestiegenen Frachtraten spiegeln das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage: Autobauer mussten 2023 weltweit 115.000 Dollar pro Tag für einen Schiffscharter berappen, was einer Steigerung von zehn Prozent innerhalb eines Jahres entsprach. Bei den China-Exporten nach Europa fiel der Anstieg der Frachtraten sogar noch steiler aus, auch wegen der Störungen im Roten Meer seit Ausbruch des Israel-Kriegs und den strengeren Anforderungen beim Schiffsdiesel. Kostete der Transport eines Fahrzeugs von China nach Europa vor zwölf Monaten laut einem Schiffsmakler noch 580 bis 670 Dollar, sind es aktuell etwa 700 bis 800 Dollar.

Der chinesische Automarkt ist mit E-Autos größtenteils gesättigt. Peking drängt deshalb darauf, die Exportzahlen schneller zu steigern. Einige chinesische Autohersteller und Reedereien haben deshalb bereits reagiert und ihre eigene Flotte ausgebaut. BYD stellte im Dezember sein erstes Autotransportschiff, die Explorer 1, in Dienst. Weitere acht Schiffe im Wert von rund 640 Millionen Euro sind immerhin geplant.

Bestellungen von Schiffen mit Rekordkapazitäten

BYD ist nicht nur Chinas wichtigster E-Autobauer, sondern inzwischen auch einer der größten weltweit. Hochgerechnet für das Jahr 2023 kam BYD auf rund 206.000 Export-Einheiten – eine Vervierfachung im Vergleich zu 2022. Die eigene Flotte von speziellen Autofrachtern soll die Expansion von "Build your Dreams", wie der Konzern offiziell heißt, nun in Zukunft beschleunigen.

Auch Saic, Kooperationspartner von General Motors und Volkswagen in China, baute seine Flotte aus. Ende August vergangenen Jahres ließ der Konzern die "H2659" zu Wasser. Das Schiff soll zwischen China und Europa sowie Australien verkehren. Zwölf weitere Schiffe mit der Rekordkapazität von bis zu 9000 Autos sind bestellt. Sie sollen bis 2026 ihren Dienst aufnehmen. Die chinesische Staatsreederei Cosco, die sich bisher hauptsächlich auf den Containerhandel konzentrierte, drängt ebenfalls auf den Automobiltransportmarkt.

Nachschubprobleme aufgrund mangelnder Transportmöglichkeiten sind hierzulande im Verkauf bislang nicht zu spüren, die Hafenflächen in Bremerhaven und Cuxhaven sind mit chinesischen Autos zugeparkt. Der Marktanteil chinesischer Neuzulassungen in Deutschland liegt bei homöopathischen 1,3 Prozent. Wird sich die von Peking gewünschte Welle an E-Autos in Richtung Westen noch aufbauen? Der langjährige Präsident der EU-Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke, geht davon aus. Er prognostiziert den viel diskutierten "Auto-Tsunami" für die Zeit, wenn die Frachter ab 2025 einsatzbereit sind. Im Automobilsektor werde es dann "einen brutalen Verdrängungskampf und Preiskrieg geben", zitiert ihn das "Manager Magazin". Das setzt dann allerdings auch voraus, dass die Akzeptanz in der Käuferschaft bis dahin gewachsen ist.

Quelle: ntv.de


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