Fragt man den Leiter der Seat-Klassikabteilung nach seinem Lieblingsmodell unter den über 100 Oldtimern, die in Barcelona in einer Fabrikhalle dicht an dicht parken, kommt Isidre Lopez kurz ins Grübeln. "Der 600 vielleicht, weil er Spanien mobilisierte. Oder der Ronda, weil er das erste von Seat selbst entwickelte Modell war." Doch dann zeigt er auf die vier Ibiza, die sich neben einem quietschgelben Marbella und einem grauen Fura an die Wand der ehemaligen Fabrikhalle quetschen. "Der Seat Ibiza gehört zu meinen absoluten Favoriten. Er hat unsere Marke international erfolgreich gemacht."
Rückblick aufs Jahr 1980: Italien stand wirtschaftlich an der Wand, weshalb Seats Lizenzgeber Fiat seine Seat-Anteile dem spanischen Staat zum Symbolpreis von einer Peseta verkaufte. So stand die "Sociedad Espanola de Automoviles de Turismo" von heute auf morgen alleine da, ohne Lizenzen, ohne technische Unterstützung.
Doch schnell konnten die findigen Spanier bei Volkswagen den Auftrag einsammeln, in Barcelona Passat und Santana zu produzieren. Parallel liefen die ersten Übernahmegespräche mit VW. Über diese Kontakte war Porsche leicht zu überzeugen, Motoren für einen neuen Kleinwagen zu entwickeln, den Seat gerade plante. Einzige Anforderung an die Ingenieure in Zuffenhausen: Die beiden bestellten Motoren mit 1,2 und 1,5 Litern Hubraum sollten exakt den gleichen Zylinderabstand haben, damit keine neuen Maschinen angeschafft werden mussten.
Erster Seat Ibiza lief 1984 vom Band
Als Ergebnis lief 1984 der erste Seat Ibiza vom Band, entworfen von Italiens Stardesigner Giorgio Giugiaro und mit einem für die damalige Zeit stylishen, von Karmann entwickelten Innenraum. "Das Beste aber war der Antrieb", sagt Lopez und öffnet die Haube des grauen Kleinwagens. System Porsche Seat steht groß auf dem Motor, der 60 beziehungsweise 86 PS stark und damit potenter war als der VW Polo. "Das war unser Erfolgsgarant, darauf fuhren alle jungen Leute ab."
Es war die Geburtsstunde eines Erfolgsmodells. Nach der Übernahme von Seat durch VW im Jahre 1986 hat der Ibiza schnell seinen festen Platz im VW-Konzern gefunden, platziert zwischen dem kleineren VW Polo und dem VW Golf. Ein Auto made in Spain, aber mit deutscher Technologie. Die Kombination aus Ingenieurswissen und Improvisationstalent brachte etliche Prototypen und Kleinserien hervor. Beispielsweise den Ibiza Electrico von 1993, dessen 525 Kilogramm schwere Bleibatterien für rund 80 Kilometer Reichweite gut waren. Oder ein Cabrio, das die Spanier 1987 auf der IAA in Frankfurt vorstellten und dann doch nicht bauten.
Glücksfall für die Spanier
Aus heutiger Sicht entpuppt sich der Ibiza als Glücksfall für die Spanier. Über sieben Millionen Ibiza wurden seit 1984 weltweit verkauft. Er ist das Modell, weshalb so viele Menschen Seat als eine junge und coole Marke wahrnehmen, sagt Seat-Chef Wayne Griffiths.
Der Erfolg lag auch am Konzept des Kleinwagens: So verpassten ihm die Ingenieure statt der üblichen Blinkerhebel eine Art Bedieninsel links vom Lenkrad. Der Blinker wird über einen länglichen Kippschalter aktiviert, hinter dem eine Taste für die Hupe sitzt. Gewöhnungsbedürftig, aber anders und lässig. Dazu eine Fünfgangschaltung, die damals in dieser Fahrzeugklasse noch längst nicht Standard war. Oder elektrische Fensterheber.
12.990 Mark kostete der Ibiza bei seiner Einführung in Deutschland, exakt so viel wie der kleinere, schwächere und nur mit vier Gängen ausgestattete VW Polo.
Fünfte Generation soll die letzte sein
Jetzt feiert Seat den 40. Geburtstag des Kleinwagens. Seit 2017 läuft die fünfte Generation vom Band, die wohl auch die letzte sein wird. Einen Nachfolger dürfte es nicht mehr geben.
Zum Jubiläum legen die Spanier nochmals ein Sondermodell auf, den Ibiza FR Anniversary Edition. Ausgestattet mit Textilschalensitzen, etlichen optischen Gimmicks, soll er der Baureihe zum Vorzugspreis wenigstens ansatzweise zu den Verkaufserfolgen vergangener glorreichen Zeiten verhelfen. Denn in Deutschland fuhr der Ibiza 2023 mit einem Anteil von nur noch zehn Prozent allen anderen Seat-Modellen hinterher.
Isidre Lopez trägt das mit Fassung. Er würde sich ein Museum für seine Klassiker-Sammlung wünschen. In dem bekäme der Ibiza dann mehr Platz als in der engen Fabrikhalle. Den Platz, der dem Modell gebühre.
Quelle: ntv.de, Hanno Boblenz, sp-x
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