Mit etwas Denksport zum Zika-Checker

  20 April 2016    Gelesen: 1016
Mit etwas Denksport zum Zika-Checker
Forscher wissen wenig, aber alle wollen Antworten. Die Zika-Epidemie ist ein Paradebeispiel dafür, was in der Kommunikation über Seuchen oft schiefgeht. Fünf Trugschlüsse
Erst ruft die WHO den Notstand aus wie bei Ebola, dann heißt es, Zika sei harmlos. Am Anfang schreiben alle, Babys würden wegen des Virus mit Behinderungen geboren, dann wieder zweifeln Forscher an der Ursache. Jetzt gilt sie plötzlich als bewiesen. Tropenmücken sollen an der Epidemie schuld sein, die es in Deutschland nicht gibt. Nun sagen Forscher, die Tigermücke sei längst bei uns und könne auch Zika übertragen. Was denn nun?
Das Problem: All das stimmt. Und es widerspricht sich nicht. Das macht es kompliziert. Häufig wird falsch verstanden, was Forscher sagen, wie wir aus unserer Community wissen. Und zugegeben: Auch Journalisten tragen nicht selten zur Verwirrung bei. Also alle einfach mal durchatmen und nachlesen, welchen fünf Trugschlüssen man im Fall von Zika schnell erliegen kann:

1. Zusammenhang mit Ursache verwechseln

Forscher sagt: "Wir wissen nicht, wie Zika die Mikrozephalie bei Ungeborenen auslöst."
Medien melden: "Zika kann Mikrozephalie auslösen."

Manch ein Leser denkt: "Aha, die Medien lügen. Alles Panikmache!"

Richtig ist: Kaum ein Forscher zweifelt noch daran, dass es einen Zusammenhang zwischen den Zika-Infektionen und der Schädelfehlbildung bei Babys gibt. Nur wissen die Wissenschaftler nicht genau, welchen. Schließlich wurde der Erreger bei Schwangeren gefunden, die behinderte Kinder bekamen, statistisch ist die Zahl der Fälle im Zika-Gebiet (hier eine Karte) erhöht und auch im Körper weniger Säuglinge wurde das Virus nachgewiesen.

Das Problem: Die Forscher wissen nicht, wie genau das Virus die Gehirne von Babys schädigt. In ersten Studien untersuchen sie das gerade. Noch immer ist unbekannt, ob weitere Ursachen dazu kommen müssen, ehe die Fehlbildung der Kinder nach einer Zika-Infektion der Mutter entsteht.

2. Einzelfälle generalisieren

Behörde meldet: "Ein US-Bürger hat sich beim Sex mit Zika angesteckt."
Medien titeln: "Zika beim Sex übertragbar"

Viele Leute verstehen: "Zika ist plötzlich direkt ansteckend. Das heißt, ab jetzt wird es sich weltweit rasant ausbreiten."

Richtig ist: Es war bekannt, dass Zika direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Zum Beispiel bei ungeschütztem Sex. Dass dies nun in Einzelfällen passiert, überrascht die Forscher nicht.

Und es verleiht der Epidemie auch keine neue Dimension. Der wichtigste, schnellste und entscheidende Übertragungsweg sind Stiche durch infizierte Mücken. Erst wenn die auch in Europa Zika-Viren in sich tragen und verbreiten würden, wäre eine rasante Ausbreitung wie in Lateinamerika möglich.

3. Fehlenden Beweis als Beweis des Gegenteils werten

Wissenschaftler sagt: "Es gibt keine Studie, die belegt, dass unsere heimischen Mücken, `Aedes vexans`, Zika übertragen."

Medien melden: "Einheimische Mücken übertragen kein Zika."

Man könnte denken: "Cool. Dann ist eine Pandemie, die auch Europa und Deutschland erfasst, ja ausgeschlossen."

Richtig ist: Niemand hat bisher im Labor erforscht, ob Aedes vexans, unsere einheimische Schnake, Zika verbreiten kann. Aus Sicht mancher Insektenforscher spricht aber auch wenig dagegen. Bei Asiatischen Tigermücken (Aedes albopictus) und Gelbfiebermücken (Aedes aegypti) – Letztere ist gerade das Problem in Lateinamerika – hat man Zika im Speichel der Tiere nachgewiesen. Das gelang, als man Proben aus der Wildnis genommen hat, während früherer Zika-Ausbrüche. Da solche Mücken im Labor schwer zu züchten und mit Viren zu infizieren sind, steht der Nachweis für unsere Schnake noch aus. Selbst wenn sie das Zeug dazu hätte, ist eine Massenausbreitung von Zika in Europa unwahrscheinlich. Forscher sind überzeugt: Dazu ist es bei uns zu kalt, nicht feucht genug und weder die Menge an Mücken noch die an Zika-Infizierten würden eine kritische Schwelle erreichen.

4. Folgeerkrankungen mit Zika-Infekt verwechseln

Ministerium verkündet: "Drei Zika-Patienten sind nach Guillain-Barré-Syndrom gestorben."
Medien melden: "Erste Zika-Tote in Kolumbien"

Die einen fürchten: "Oh Gott, man kann doch an Zika sterben!"

Die andern denken: "Quatsch! Zika ist doch nur wie ein Schnupfen."

Richtig ist: Tatsächlich häufen sich in Zika-Gebieten Fälle dieser und anderer Autoimmunerkrankungen, die besonders schwer verlaufen, vereinzelt sogar tödlich. Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine sehr seltene Nervenerkrankung, die bekanntermaßen nach Vireninfektionen auftritt. Erste genauere Studien zu Zika zeigen: Das Virus greift besonders Nervenzellen an. Vermutlich müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, ehe ein Infekt solche Folgen hat. Forscher denken dabei zum Beispiel an Wechselwirkungen zwischen Dengue- und Zika-Infektionen. Letztendlich ist die Zahl der GBS-Kranken immer noch winzig, angesichts der vielen Menschen in Lateinamerika und der Karibik, die sich schon mit Zika angesteckt haben. Die meisten davon hatten nicht einmal Symptome und sind jetzt immun.

5. Glauben, dass alles, was getan wird, nötig ist

Präsidenten fordern: "Wir brauchen rasch einen Impfstoff."

Medien melden: "Brasilien und die USA entwickeln Zika-Impfstoff."

So mancher hofft: "Wenn Zika herkommt, werde ich geimpft."

Richtig ist: Mehrere Forscherteams arbeiten an einem Zika-Impfstoff auf der Basis von Antikörpern. Wer den Infekt durchlaufen hat, ist danach nämlich immun. Dieser Effekt lässt sich als Impfprinzip nutzen. Allerdings sind Flaviviren, zu denen Zika zählt, komplizierte Kandidaten: Eine Impfung gegen das mit Zika verwandte und viel gefährlichere Dengue zu entwickeln, dauerte Jahrzehnte. In diesem Jahr wird eine Vakzine, die vor allen vier Dengue-Varianten (Serotypen) schützen soll, erstmals in Brasilien ausprobiert. Dass die Massenseuche Dengue damit schnell in den Griff zu bekommen ist, daran zweifeln viele Forscher noch. Das Problem: Das Mittel bietet keinen hundertprozentigen Schutz, muss drei Mal gespritzt werden und ist teuer.

Selbst wenn es bei Zika schneller ginge, ist unwahrscheinlich, dass sich die Weltgesundheitsorganisation WHO für eine Impfkampagne entscheidet. Angesichts der extrem geringen Fallzahlen von Mikrozephalie oder des Guillain-Barré-Syndroms wäre das nicht verhältnismäßig, sagen Mediziner. Mögliche Impfschäden wären statistisch ein größeres Risiko als die Folgeschäden des Virus. Und auch die Kosten wären angesichts des Nutzens zu hoch.


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