Wie geht es weiter mit dem Ölpreis?

  16 April 2024    Gelesen: 888
  Wie geht es weiter mit dem Ölpreis?

Kaum ein Rohstoff reagiert so sensibel auf internationale Krisen wie Erdöl. Die ersten Entwicklungen nach der iranischen Attacke auf Israel fallen überraschend aus: Die wichtigsten Ölpreise sinken unter der Marke von 90 Dollar je Fass und und damit deutlich unter die Höchststände der vergangenen Woche.

Wie reagierten die Ölmärkte auf den Angriff des Iran?

Die Bewegung am Ölmarkt war bemerkenswert: Bis zum 12. April, also dem Freitag vor dem Angriff des Iran, hatte der Preis für die beiden Referenzsorten WTI und Brent einen steilen Aufstieg hingelegt, der - mit kleineren Schwankungen - Anfang Februar eingesetzt hatte. Die Attacke selbst ließ die Märkte dann nicht nur unbeeindruckt, es setzte sogar eine Gegenbewegung ein. Es wirkte, als hätten die Händler den präzedenzlosen Angriff der Ölnation Iran auf Israel mit einem Schulterzucken wahrgenommen.

Warum blieb der große Preisausschlag aus?

Der wichtigste Grund dürfte sein, dass die Beobachter bis zu einem gewissen Grad auf die Eskalation vorbereitet waren. Sowohl Israel als auch die USA hatten fest mit einem Angriff gerechnet und diese Erwartung auch nach außen getragen: Niemand wurde wirklich überrascht. "Der Markt hatte eine gewisse Art der Vergeltung von Seiten des Iran erwartet, nachdem Israel zu Beginn des Monats eine iranische Botschaftseinrichtung in Syrien angegriffen hatte", schlussfolgern die Analysten der ING-Bank in einer ersten Analyse. "Es dürfte zur Beruhigung beigetragen haben, dass die Schäden nur gering waren und es fast keine Todesopfer gab. Das könnte auch bedeuten, dass die Antwort Israels moderater ausfällt." Mit anderen Worten: Obwohl mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf Israel gefeuert wurden, hatte die Attacke aus Sicht der Händler nur geringe Folgen. Sogar geringere als bereits eingepreist waren.

Welche Szenarien sind jetzt denkbar?

Es gilt der Grundsatz, der für die Märkte schon seit über einem halben Jahr entscheidend ist, also seit dem Terrorakt der palästinensischen Hamas auf Israel und dem nachfolgenden Angriff Israels auf den Gazastreifen: Solange keine Gebiete oder Infrastruktur von Kampfhandlungen betroffen ist, die für die Förderung oder den Transport von Öl wichtig sind, bleibt die Preisentwicklung weitgehend unberührt. Das könnte sich natürlich in dem Moment ändern, in dem es zu einem großflächigen israelischen Gegenschlag gegen den Iran kommt. Das Land ist der viertgrößte Ölproduzent innerhalb der Förderländer-Organisation OPEC und spielt eine Rolle für die auf dem Weltmarkt verfügbare Menge - auch wenn der Iran seit langem harschen westlichen Sanktionen unterliegt.

Ben Cahill und Raad Alkadiri vom Centre for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington kommen in einer aktuellen Analyse zu dem Schluss, dass die Märkte das Iran-Risiko schon seit einigen Wochen höher einschätzen als noch zu Beginn des Jahres. "Die Psychologie hat sich entscheidend geändert", so die Experten zur Marktentwicklung, "und das kann eine Eigendynamik bekommen, solange es keinen klaren gegenläufigen Trend gibt". Zwar sei die Angebotslage gut, doch könnte sich durch eine weitere Eskalation im Nahen Osten die Stimmung schlagartig verschlechtern.

Welche genauen Risiken drohen jetzt?

Es gibt konkret drei Faktoren, die einen direkten Einfluss auf den Ölpreis haben könnten: Die Sanktionen könnten gegen das Regime in Teheran konsequenter umgesetzt werden, um die Mullahs unter Druck zu setzen. Die USA belegen Raffinerien, Reedereien und Häfen mit Strafen, die iranisches Öl verarbeiten, transportieren oder zwischenlagern. Allerdings hat dieses Sanktionsprinzip ähnlich wie im Fall von Russland viele Lücken und wird immer wieder umgangen. Branchenschätzungen zufolge exportierte der Iran im Jahr 2023 mehr Öl als in jedem der vorangegangenen fünf Jahre, das meiste davon nach China.

Noch gravierender wären die Folgen für den Markt, wenn ein israelischer Gegenschlag direkt die iranischen Förderanlagen träfe - ein Szenario, das angesichts der Furcht vor höheren Preisen als eher unwahrscheinlich gilt. Drittens könnte der Iran den Öltransport durch die Straße von Hormus behindern oder blockieren, durch die rund 20 Prozent des weltweiten gehandelten Öls transportiert werden. Da der Iran sich damit auch um eigene Einnahmen bringen würden, ist diese Variante erst dann denkbar, wenn sich eine dauerhafte Bedrohungslage für das Land ergibt.

Welche Faktoren beeinflussen den Preis noch?

Im Grunde gilt der Ölmarkt derzeit als gut versorgt. Zwar hat die OPEC im vergangenen Jahr mehrmals die Produktion gekappt, doch wurde das weitgehend durch höhere Fördermengen in anderen Teilen der Welt aufgefangen. Auch russisches Öl gelangt weiterhin auf den Weltmarkt, da die Sanktionen der Europäischen Union den beteiligten Unternehmen zwar einen Preisdeckel abverlangen, aber garantieren sollen, dass das Öl trotzdem verkauft wird. Darüber hinaus hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Schieferölproduktion in den USA Angebotsmängel immer wieder vergleichsweise flexibel ausgleichen kann - ein Szenario, das auch diesmal denkbar ist. Eine wichtige Rolle wird spielen, wie sich die weltweite Nachfrage entwickelt. Die US-Wirtschaft bewegt sich offenbar immer mehr auf einen echten Boom hin: Die Zahlen zum vierten Quartal 2023 wurden gerade erst nach oben revidiert und die Werte zum ersten Quartal 2024 dürften gut ausfallen. Im Fall Chinas ist eher ein Rückgang des Konsums zu erwarten. "Die Nachfrage der ölverarbeitenden Industrie in China allerdings bleibt stark", heißt es bei den CSIS-Experten. "Und sowohl Indien als auch der Nahe Osten werden mehr nachfragen."

Quelle: ntv.de


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