BMW 745i im Fahrbericht - einfach, aber fein

  23 Juni 2024    Gelesen: 336
  BMW 745i im Fahrbericht - einfach, aber fein

Mancher Youngtimer ist bereits zum Schnäppchentarif zu erhaschen. Manch gediegener Oldtimer allerdings auch, und darum soll es hier gehen. Einer davon ist der BMW Siebener der E23-Baureihe. Als 745i ist er ein Nice-to-have, aber kein Muss.

Meine Güte, wie vergeht doch die Zeit! BMW Siebener als Youngtimer? Ha! Das ist jetzt der E65! Wie bitte? Dieser große Brocken mit häufig als unförmig empfundenen Chris-Bangle-Entwürfen (so hieß der Designer) war doch eben noch ein Neuwagen! Richtig, und man sieht ihn ab und zu sogar noch im Straßenbild. Das gilt übrigens auch für dessen Vorgänger E38 - immer noch hier und dort anzutreffen. ntv.de hat daher das Rad der Zeit weiter zurückgedreht. Und zwar zu den Anfängen der Siebener-Baureihe. Es soll ja hier und heute schließlich um einen waschechten Oldtimer gehen.

Das kann man von der 1977 eingeführten Baureihe E23 nun wirklich mit Fug und Recht behaupten. Und der in Würde gereifte Oberklässler ist obendrein recht exotisch für einen BMW-Vertreter. Das mag damit zusammenhängen, dass der mit 4,86 Metern eher kompakte Luxusliner erstens nie sonderlich gut verkauft wurde. Nicht einmal 300.000 Exemplare verließen die Werkshallen. Zum Vergleich: Die in diesem Segment damals unangefochtene S-Klasse der Baureihe W126 wurde mehr als 800.000 Mal gebaut. Und zweitens scheint man die Baureihe später als nicht besonders erhaltenswert betrachtet zu haben.

Sei es drum, der erste Siebener ist heute eine coole Karre. Unter seinem Blech verbergen sich außerdem manche Überraschungen. Beispielsweise ein Turbolader beim gepflegten Fotoexemplar namens 745i des PS-Speichers aus Einbeck. Dazu muss man wissen, dass die Lösung mit dem braven Reihensechszylinder mit dem Code M30 plus Aufladung eigentlich eine Notlösung war. Die Ingenieure hatten sogar schon eine fertig entwickelte Zwölfzylinder-Lösung parat. Aber die Ölkrise hat das feine Triebwerk gekillt.

Der erste Siebener ist bodenständig und luxuriös zugleich

Also muss sich die siebenerverrückte Nachwelt mit sechs Töpfen und maximal 3,5 (hier im Besonderen 3,2) Litern Hubraum zufriedengeben, wenn es denn schon die erste Generation sein soll. Und die ist erfrischend bodenständig gehalten mit einem kleinen Schuss von Luxus. Schalter entdeckt man nach dem Entern nicht schrecklich viele im Vergleich zu manchen Kommandozentralen derzeit, wenngleich die sich ja meistens virtuell präsentieren. Und während die Bedieneinheit für die Klimatisierungsautomatik heute schnöde Nebensache ist, war sie 1980 (das Baujahr des hier besprochen Testexemplars) in dieser Form schon fast spektakulär. Drucktasten fürs Klima? Verrückt damals.

Noch einen Tick verrückter ist das Eingabefeld für den Bordrechner mit rot leuchtender LED-Anzeige. Solch neumodischer Schnickschnack war den meisten Autofahrern zu dieser Zeit nicht geläufig, wenngleich Hersteller wie Renault bereits in den Achtzigern sprechende Bordcomputer einbaute. Beim Siebener werden immerhin Dinge wie Reichweite und Verbrauch kundgetan, wie bemerkenswert!

Dabei ist der Verbrauch beim Oldie ja gerade das, worauf man am wenigsten achten soll. Nicht weil einem Portemonnaie sowie Umwelt nicht am Herzen lägen. Eher weil man den Klassiker selten im Alltag nutzt, sondern den Einsatz auf wenige Genussfahrten beschränkt. Im Falle des E23 jedoch erwarte ich angesichts dieser Zeilen zumindest von einer gewissen Zielgruppe Protest. Die Verfechter des "Alltagsklassikers" werden den E23 sehr wohl als potenziellen fahrbaren Untersatz für den täglichen Gebrauch einordnen.

Siebener E23 als Alltagsklassiker? Geht klar!

Ganz ehrlich: Warum eigentlich nicht? Die im Vergleich zu heutigen Lösungen etwas dürren Sitzchen verrichten ihren Dienst dennoch nicht schlecht. Man verweilt auf feinem Velours und blickt auf reichlich offenporiges Holz. Einfach cool. Beim Motorstart und vor allem danach wird man weder von Gebimmel noch komplizierter Menüführung behelligt. Einfach anschnallen und den griffigen Wählhebel in Position D schieben.

Viele Gänge hat der olle Wandlerautomat nicht zu sortieren, nämlich bloß drei Stück bei den frühen Versionen, was auf die hier vorhandene Ausgabe zutrifft. Und eine Wandlerüberbrückung dürfte man bei der archaischen Automatik ebenso wenig finden wie eine verstellbare Schaltstrategie. Und weil der 745i bloß 1,6 Tonnen leer wiegt, reicht das alles. Reichen insbesondere die 252 Pferdchen unter der Motorhaube.

Klar ist der betagte Viertürer nicht unglaublich schnell, aber sein doch recht sonor klingender Sechsender macht hin himmlisch souverän. Man beachte auch das Turboloch, das hier nur so halb existiert. Ja, das Drehmoment (380 Newtonmeter) mag in spürbarer Weise auf ein Plateau klettern, in der Praxis steigt der Druck im Kreuz aber nicht sprungartig, sondern bloß moderat an. Aber der Reihensechszylinder schiebt schon nachdrücklich im großen Gang mit sanfter Stimme und verbreitet dabei ein wohliges Gefühl von Überlegenheit. Den Zahlenfetischisten sei mitgeteilt, dass es innerhalb von 7,8 Sekunden auf 100 km/h geht. Außerdem soll sich der Luxusliner mit viel Anlauf zu 221 Sachen aufschwingen. Entscheidend aber für den Eindruck ist, dass der Dreigänger quasi keine Zugkraftunterbrechung generiert. Denn es gibt ja auch gar nicht viel zu schalten.

Manche Features gabs in den 1980ern schon in der Oberklasse

Übrigens bot BMW selbst damals schon Annehmlichkeiten wie einen komfortfördernden Tempomat. Stichwort Komfort: Für die kompakten Außenabmessungen geht das Raumangebot sehr in Ordnung, und selbst in der zweiten Reihe gibt es massenhaft Platz für die Knie. Andererseits lässt sich das schmale (1,80 Meter) wie übersichtliche Auto wunderbar durch Passagen inmitten von urbaner Bebauung bugsieren. Klar, über das passive Sicherheitslevel soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

Neugierig geworden? Gepflegte E23-Exemplare kann man im Internet für unter 15.000 Euro schießen. Das sind dann allerdings eher die weit verbreiteten 728i oder 735i - ohne Turbolader. Doch vor diesem dürfte der eine oder andere Interessent sowieso tendenziell zurückschrecken. Stichwort Werkstattkosten. Ansonsten ist der historische Siebener recht haltbar, verarbeitet ganz locker Laufleistungen von 300.000 Kilometern und mehr, wenngleich vor dem Kauf akribisch nach Rost gefahndet werden sollte. Dome und Heckscheibenrahmen sind verdächtige Stellen.

Gute Allrounder-Eigenschaften, eine unproblematische Ersatzteillage, solider Komfort und die immer noch ordentliche Verbreitung der Baureihe (was das Ersuchen von Werkstatthilfe vereinfacht) machen den Siebener der Baureihe E23 zum willkommenen Alltagsoldie. Probieren Sie es aus.

Quelle: ntv.de


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