All die Aufbruchsstimmung mitnehmen und ab Ende August die Grundlage für die zwei Monate bis zum Wahltag legen: Kamala Harris wird am Ende des Parteitags der Demokraten, der an diesem Montag in Chicago beginnt und bis Donnerstag dauert, die Präsidentschaftskandidatur endgültig annehmen. Ihre Umfragewerte gegen Donald Trump sind deutlich besser, als es die von Präsident Joe Biden waren. Wichtige Wählergruppen sind von einer deutlich jüngeren und möglicherweise ersten weiblichen Präsidentin der US-Geschichte begeistert.
Doch auch beim Höhepunkt dieser Flitterwochen der Demokraten mit ihrer neuen designierten Kandidatin ist nicht alles fluffig, was flauscht. Israels Krieg in Gaza wird von links weiterhin scharf kritisiert. Die Universitätsproteste sind zwar schon länger beendet, und Biden hatte seine Partei und die Regierung mit seinem Verzicht auf die Kandidatur teilweise aus dem Fokus genommen. Trotzdem werden Zehntausende propalästinensische Demonstranten am Rande der Sicherheitszone erwartet. Es ist ein kontroverses Thema auf einer Veranstaltung, die große Einigkeit demonstrieren soll.
Der Protest könnte laut werden, womöglich sogar handgreiflich. Manche befürchten auch, dass er es in die Veranstaltungshalle mit Delegierten und Presse schafft. Trotzdem ist der Krieg kein Thema, das derzeit große Wählermassen bewegt. Just zum Parteitagsbeginn werden neue Umfragen zeigen, dass der Gaza-Krieg fast am unteren Ende der Sorgenskala von unter 40-jährigen Wählern zu finden ist, schreibt die "New York Times": Einwanderung, Wirtschaftswachstum und Einkommensgleichheit halten sie für wesentlich wichtiger.
Die Demokraten versuchen, es sowohl proisraelischen als auch propalästinensischen Wählern recht zu machen. Bei den hauchdünnen Entscheidungen in umkämpften Bundesstaaten können schließlich schon ein paar Hundert Wähler mehr oder weniger das Weiße Haus bedeuten. In Michigan entzogen in den Vorwahlen mehr als 100.000 Demokraten Biden ihre Stimme wegen des Krieges in Gaza. In dem Bundesstaat leben viele arabischstämmige Wähler.
Vor oder zurück?
In Chicago sind Poster zu sehen mit einer stilisierten Kamala Harris, ohne Namen, mit nur einem Wort in Großbuchstaben: VORWÄRTS ("FORWARD"). Harris stellt sich als die Kandidatin der Zukunft dar und Trump als den der Vergangenheit. "Wir gehen nicht zurück!", skandieren die Besucher ihrer Wahlkampfveranstaltungen, nicht einfach so, sondern weil es die Frage ist, auf die sie die Wahl im November herunterbrechen will: dafür oder dagegen, ganz in der Logik des Zweiparteiensystems. Vor oder zurück? Die bekanntesten Köpfe der Demokraten werden diese Frage in Chicago mit Inhalten füllen.
Am Montagabend (alles Angaben Ortszeit Chicago, also deutsche Zeit minus 7 Stunden) sprechen Präsident Joe Biden und ebenfalls seine Frau Jill. Biden dürfte für seine aus demokratischer Sicht erfolgreiche Amtszeit gefeiert werden und Harris als Nachfolgerin ankündigen. Auch Hillary Clinton, Ex-Außenministerin und 2016 Trump unterlegen, soll ihre Redezeit bekommen.
Am Dienstagabend wird Ex-Präsident Barack Obama auf die große Bühne treten, zudem Kamala Harris' Mann Doug Emhoff. Nicht auf der offiziellen Rednerliste, aber laut US-Medien eingeplant: Obamas Frau Michelle.
Am Mittwochabend soll Harris' Vizekandidat Tim Walz seine Nominierung offiziell annehmen. Für eine vorherige Rede steht unter anderen Ex-Präsident Bill Clinton auf der Liste.
Der Höhepunkt folgt am Donnerstagabend, wenn Harris ihre Kandidatur annehmen soll. Es ist eine Möglichkeit für die Demokratin, unentschlossenen Wählern zuhause zu erklären, warum sie die richtige Präsidentin wäre.
Der Wahlkampf ist zweieinhalb Monate vor seinem Ende völlig offen. Harris hat zwar ganz leichte Vorteile, aber sie reitet auf einer Begeisterungswelle, die nach dem Parteitag auch wieder abebben kann. Bislang perlen Trumps vielfältige Angriffe an der Demokratin ab. Das kann sich ändern. Zudem bewegen sich die meisten Umfrageergebnisse innerhalb der Fehlertoleranz, was heißt: Statistisch gesehen liegt sie mit dem Republikaner gleichauf.
Womöglich wird es für Harris nach der emotionalen Mobilisierung der Basis immer mehr um Inhalte gehen. Am Freitag hat sie einen ersten Vorgeschmack gegeben und konkrete Vorhaben genannt, wie sie die Verbraucherpreise drücken und die Inflation weiter bremsen will. Bislang hat Harris kein richtiges Interview gegeben, obwohl sie schon mehr als drei Wochen lang als designierte Kandidatin auftritt. Harris hat angekündigt, in der letzten Augustwoche ein erstes Interview zu geben. Die Republikaner werden versuchen, es für Angriffe zu nutzen. Am 10. September findet ihr TV-Duell gegen Trump statt, auf das sich beide bereits jetzt vorbereiten.
Doch das Wichtigste für die Wahlkämpfer ist zunächst, was in dieser Woche in Chicago geschieht. Harris wird offiziell die Kandidatin der Demokraten werden, als erst zweite Frau überhaupt. Vielleicht schafft sie, was Hillary Clinton nicht gelang: gegen Trump zu gewinnen.
Quelle: ntv.de
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