Israels Wirtschaft leidet stark unter dem Gaza-Krieg

  27 Auqust 2024    Gelesen: 677
 Israels Wirtschaft leidet stark unter dem Gaza-Krieg

Die vollständige Zerschlagung der Hamas ist das erklärte Ziel der israelischen Regierung. Es ist ein langwieriges Unterfangen, da sich die Terror-Organisation im Gazastreifen immer wieder neu formiert. In der Heimat wird derweil immer deutlicher, wie hoch die Kosten des Krieges für die Wirtschaft sind.

In der sonst so belebten Altstadt von Jerusalem sind fast alle Souvenirläden geschlossen. Auf dem Flohmarkt von Haifa bauen die Händler ihre Ware auf menschenleeren Straßen auf. Landesweit machen Geschäfte dicht, Flüge sind gestrichen, Hotels stehen halb leer. Israels Wirtschaft leidet im Schatten des seit knapp einem Jahr währenden Krieges gegen die Hamas.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat versucht, die Sorge zu zerstreuen. Der wirtschaftliche Schaden sei nur vorübergehend, erklärte er. Doch der Krieg hat Zigtausende Unternehmen geschädigt und das internationale Vertrauen in die israelische Wirtschaft erschüttert - ohne Aussicht auf ein Ende.

"Die Wirtschaft unterliegt derzeit einer großen Unsicherheit", räumt Karnit Flug von der Denkfabrik Israel Democracy Institute (IDI) ein. Und die Entwicklung sei abhängig davon, wie lange der Krieg noch dauere, in welcher Intensität und ob es zu einer weiteren Eskalation komme, erklärt der ehemalige Zentralbankchef.

Frühere Schocks hat die israelische Wirtschaft gut weggesteckt, auch solche aufgrund von Kämpfen gegen die Hamas. Doch der aktuelle Krieg ist weitaus belastender, unter anderem wegen Kosten für den Wiederaufbau, der Entschädigung für Familien von Todesopfern und besonders wegen der enormen Militärausgaben. Zugleich bricht der Tourismus ein, was Tausende Beschäftigte und vor allem kleine Unternehmen trifft.

Menschen bangen um ihre Existenz

"Das Schlimmste ist, dass wir nicht wissen, wann der Krieg zu Ende sein wird", sagt der Reiseleiter Daniel Jacob, dessen Familie von Ersparnissen lebt. "Wir müssen den Krieg vor Jahresende beenden. Wenn er noch einmal ein halbes Jahr weitergeht, weiß ich nicht, wie lange wir es noch schaffen werden."

Als Jacob im April von einem sechsmonatigen Einsatz als Reservesoldat zurückkam, war sein Geschäft am Boden. Er war gezwungen, sein Tourismusunternehmen zu schließen, das er über zwei Jahrzehnte hinweg aufgebaut hatte. Einziges Einkommen nun sind Stützzahlungen vom Staat.

In der Hafenstadt Haifa beklagt der Antiquitätenhändler Meir Sabak eine Flaute, wie es sie selbst zu Zeiten der Corona-Pandemie nicht gegeben habe. Auch der Hafen, ein wichtiger Knotenpunkt für den Im- und Export des Landes, wirkt an diesem Tag wie ausgestorben.

Viele Langstreckentransporte kämen nicht mehr in die israelischen Häfen, weil die jemenitischen Huthi-Rebellen die Schiffe gefährdeten, erklärt ein Mitarbeiter der Hafenverwaltung. In der ersten Jahreshälfte hätten die israelischen Häfen einen Einbruch des Schiffsverkehrs um 16 Prozent im Vergleich zu Vorjahreszeitraum hinnehmen müssen.

Krieg könnte über 100 Milliarden Euro kosten

Nach Einschätzung des israelischen Wirtschaftswissenschaftlers Jacow Scheinin, einem langjährigen Regierungsberater, könnten sich die Kosten des Krieges auf umgerechnet rund 108 Milliarden Euro belaufen - oder 20 Prozent des israelischen Bruttoinlandprodukts.

Von allen 38 Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verzeichnete Israels Wirtschaft von April bis Juni den stärksten Dämpfer. Und die israelische Zentralbank geht für 2024 nur noch von einer Wachstumsrate von 1,5 Prozent aus - aber nur, wenn der Krieg noch in diesem Jahr endet.

Rating-Agenturen haben Israel inzwischen herabgestuft. "Unserer Ansicht nach könnte der Konflikt in Gaza noch weit ins Jahr 2025 hinein andauern", erklärte etwa Fitch Anfang des Monats. Zugleich meldete das israelische Finanzministerium, dass das Defizit der vergangenen zwölf Monate auf mehr als acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen sei. Im Jahr 2023 lag das Haushaltsdefizit bei etwa vier Prozent.

Zehntausende Firmen haben aufgegeben

Viele kleine Unternehmen haben dem Druck der Konjunkturschwäche schon jetzt nicht standhalten können. Andere sind geschlossen, weil ihre Inhaber und Angestellten zum Reservistendienst einberufen wurden. Laut Zahlen des Wirtschaftsinformationsunternehmens CofaceBDI schlossen seit Beginn des Krieges im Oktober vergangenen Jahres landesweit rund 46.000 Firmen. Dreiviertel davon waren Kleinunternehmen.

Finanzminister Bezalel Smotrich betont unterdessen, Israels Wirtschaft sei stark. Er verspricht einen "verantwortungsvollen Haushalt", der den Bedürfnissen des Krieges gerecht werde, aber auch fiskalisch im Rahmen bleibe und "Wachstumsmotoren fördert".

Quelle: Silvia Vogt, AP


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