“Beste Freunde“ Gabriel und Schäuble

  28 April 2016    Gelesen: 594
“Beste Freunde“ Gabriel und Schäuble
Sie müssen sich arrangieren, zu wichtig sind Sigmar Gabriel und Wolfgang Schäuble in der Großen Koalition. Nun macht Gabriel ein überraschendes, aber wohl nicht ganz ernst gemeintes Geständnis.
Mittwoch, Bundespressekonferenz, auf dem Podium zwei der wichtigsten Mitglieder der Bundesregierung: Sigmar Gabriel und Wolfgang Schäuble. Ein Journalist hat eine Frage an den SPD-Chef und Vizekanzler. Ob er etwas dagegen habe, dass mit Bruno Kahl ein Vertrauter von Schäuble neuer BND-Präsident werden soll. Gabriel antwortet schlagfertig: "Sie wissen doch: Wir beide sind ziemlich beste Freunde." Lachen im Saal, kurz kehrt Heiterkeit ein zwischen trockenen Themen wie der Ablösung des BND-Präsidenten und der Kaufprämie für Elektroautos.

Gabriel und Schäuble beste Freunde, kann das sein? "In meiner Anwesenheit gehen sie anständig miteinander um", sagt einer, der die beiden häufiger zusammen erlebt. Der öffentliche Eindruck widerspricht dem. Ganz ernst gemeint kann Gabriels Bemerkung eigentlich nicht gewesen sein. Zu oft prallten die beiden Alphatiere aus der Großen Koalition in der Vergangenheit aufeinander, zu häufig waren sie unterschiedlicher Ansicht.

Zum Beispiel beim Thema Griechenland: Schäuble hatte im Sommer 2015 einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone ins Gespräch gebracht. Gabriel erklärte daraufhin zunächst, darüber informiert gewesen zu sein. Später ruderte er zurück und stellte sich gegen Schäuble. "Diesen Vorschlag als deutschen Vorschlag einzubringen, war aus meiner Sicht nicht vernünftig." Das hätte man "anders machen müssen", kritisierte Gabriel und warf Schäuble vor, die SPD "gegen sich aufgebracht" zu haben. Der ließ das nicht auf sich sitzen. "Jede Partei hat ihre Probleme. Und in einer Koalition nimmt man aufeinander Rücksicht", sagte er. "Aber man sollte eigene Probleme nicht durch unzutreffende Behauptungen über andere lösen wollen."

"Als SPD-Vorsitzender hat er mein vollstes Mitleid"

Nächste Runde, Dezember 2015: Nachdem Gabriel beim SPD-Parteitag bei seiner Wiederwahl mit einem schlechten Ergebnis abgewatscht wurde, sagte Schäuble in einem Interview, er arbeite sehr vertrauensvoll mit Gabriel zusammen. "Als SPD-Vorsitzender hat er mein vollstes Mitleid, weil er Vorsitzender einer innerlich gespaltenen Partei ist." Das persönliche Verhältnis bezeichnete Schäuble als sehr gut. Auf Gabriels Kritik in seiner Parteitagsrede stichelte er: "Vielleicht wollte er beim SPD-Parteitag dem Affen ein bisschen Zucker geben. So wollte er die Zerrissenheit der SPD überdecken, ob sie überhaupt regieren will. Das verstehe ich sogar in seiner Not." Mitleid, Not: Die Genossen reagierten wütend.

Bis zum nächsten Streit verging nicht viel Zeit. Im Februar hatte Gabriel kurz vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt eine Idee. Er forderte ein neues Solidarprojekt: mehr Kita-Plätze, mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau, eine Aufstockung kleiner Renten und eine Abkehr vom Sparkurs. Für Deutsche wohlbemerkt. In der Flüchtlingskrise wollte Gabriel die deutsche Bevölkerung nicht vernachlässigen und einem Satz entgegenwirken, den er von vielen Menschen zu hören bekommt: "Für die macht ihr alles, für uns macht ihr nichts."

Schäubles Reaktion darauf war scharf. Beim Finanzministertreffen der G20-Staaten in Schanghai wetterte er, der Ruf nach mehr Geld "kann nicht die Meinung eines Vizekanzlers sein, sondern vielleicht die eines SPD-Wahlkämpfers", so Schäuble. "Wenn wir Flüchtlingen – Menschen, die in bitterer Not sind – nur noch helfen dürfen, wenn wir anderen, die nicht in so bitterer Not sind, das Gleiche geben oder mehr, dann ist das erbarmungswürdig". Schäuble äußerte "Mitgefühl" mit Gabriel, "bei seiner Lage als Parteivorsitzender", aber kein Verständnis für seine Forderungen.

Gabriel: Schäuble "zynisch"

Die Sozialdemokraten drohten daraufhin kurzzeitig sogar, dem Haushalt nicht zuzustimmen. Doch im März einigten sich die Streithähne. Neben den Ausgaben für Flüchtlinge gab Schäuble zusätzliches Geld für den sozialen Zusammenhalt frei, 2017 soll es 2,2 Milliarden Euro mehr als ursprünglich vorgesehen für Eingliederungsprogramme in den Arbeitsmarkt geben. Außerdem mehr Mittel für sozialen Wohnungsbau, Kita-Ausbau und Städtebauprogramme.

Aber der Burgfrieden hielt nur kurz. Im April gerieten die beiden Minister wieder aneinander. Zum Thema Rente hatte Schäuble erklärt, dass die Lebensarbeitszeit an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden solle. SPD-Chef Gabriel will das Rentenniveau jedoch stabilisieren. Bei Twitter blaffte er Richtung Schäuble: "Schäubles Vorschlag zur Heraufsetzung des Rentenalters ist zynisch und eine versteckte Rentenkürzung. Das wird es mit der SPD nicht geben."

Der Vizekanzler und der Finanzminister: Beide sind starke Persönlichkeiten, die schnell die Geduld verlieren. Im Kabinett sind sie zu wichtig, um sich aus dem Weg zu gehen. Dabei knallt es regelmäßig zwischen den "ziemlich besten Freunden". In dem gleichnamigen Film finden die beiden Protagonisten, von denen einer im Rollstuhl sitzt, schließlich doch zusammen. Ob das auch bei Schäuble und Gabriel so sein wird? Gut eineinhalb Jahre Zeit bleibt den beiden wohl mindestens noch.

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