Goma unter Kontrolle der Rebellen, großer Krieg droht

  28 Januar 2025    Gelesen: 167
  Goma unter Kontrolle der Rebellen, großer Krieg droht

Mit Unterstützung Ruandas nehmen die Tutsi-Rebellen der M23 die Handelsmetropole Goma ein. Kongos Armee ergibt sich. Gemeinsam mit südafrikanischen Truppen und europäischen Militärausbildern suchen die Soldaten Schutz bei der UNO.

Es war stockfinster in der ostkongolesischen Millionenstadt Goma, als die Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) in der Nacht zu Montag die Herrschaft übernahmen. Seit fast einer Woche gibt es keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr im Ostkongo, da die Überlandleitungen durch Gefechte zerstört worden waren. Um 3 Uhr morgens lief dann das Ultimatum ab, das die M23 der kongolesischen Armee und den mit ihnen verbündeten Truppen sowie den UN-Blauhelmen gestellt hatten.

Kurz vor Ablauf dieser Frist brausten die Armeegeneräle mitten in der Nacht mit ihren Geländewagen zum Ufer des gewaltigen Kivu-Sees, stiegen dort in ein Boot und machten sich aus dem Staub in die Nachbarprovinz Süd Kivu. Tausende in Goma verbliebene Soldaten marschierten gleichzeitig zur UN-Basis am Seeufer und händigten den uruguayischen UN-Blauhelmen ihre Waffen aus. Ihre Namen und Waffennummern ließen sie in ein dickes blaues Buch eintragen.

Selbst die osteuropäischen Armee-Ausbilder, die offiziell Kongos Armee trainieren und von der M23 als Söldner bezeichnet werden, haben sich ergeben. Sie bedeckten ihre Fahrzeuge mit weißen Bettlaken als Zeichen und suchten ebenfalls in den gesicherten UN-Basen hinter Sandsäcken Schutz.

"Die Lage ist unter Kontrolle"

Im Morgengrauen marschierten dann am Montag die M23-Rebellen in Goma ein. In langen Kolonnen, ihr Marschgepäck geschultert, stapften sie am Internationalen Flughafen vorbei hinunter in Richtung Stadtzentrum. "Die Befreiung Gomas wurde erfolgreich ausgeführt - die Lage ist unter Kontrolle", verkündete M23-Sprecher Lawrence Kanyuka auf X: "Wir mahnen alle Einwohner Gomas, Ruhe zu bewahren."

Die wichtigste Stadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist nun also wieder in Rebellenhand. Bereits 2012 hatten dieselben Offiziere der M23 Goma erobert und zehn Tage lang besetzt. Damit zwangen sie Kongos Regierung damals an den Verhandlungstisch.

Friedensverhandlungen waren geplatzt

Diese Taktik mag auch jetzt wieder aufgehen. Im Dezember waren die Friedensverhandlungen zwischen Kongos Regierung und dem benachbarten Ruanda geplatzt. Ruandas Präsident Paul Kagame verweigerte die Unterschrift unter ein Abkommen, das den Konflikt beilegen sollte, weil Kongos Regierung sich ihrerseits weigerte, direkt mit den M23-Rebellen zu verhandeln.

Laut UN-Ermittlungen unterstützt Ruanda die Tutsi-Rebellen mit hochmodernen Waffen und hat mehr als 3000 Soldaten in den Kongo entsandt. Mit dieser Hilfe gelang es der M23, einen großen Landstrich entlang der Grenze zu erobern - und die wichtige Handelsmetropole Goma einzukesseln. Trotz des Drucks hielt Kongos Präsident Felix Tshisekedi an der Überzeugung fest, er könne einen militärischen Sieg davontragen, und weigerte sich, auf die Forderungen der M23 einzugehen. Nun wurde ihm das Gegenteil bewiesen.

Die Einnahme der Millionenstadt, in der sämtliche internationale Hilfswerke ihre Büros haben und die UN-Blauhelme ihr Hauptquartier, ist eine totale Blamage - auch für die UN, internationale Eingreiftruppen sowie die rumänischen Militärausbilder, die offiziell Kongos Armee fit machen und Goma mit hätten verteidigen sollen.

Südafrika versucht nun, die eigenen Soldaten rauszuholen

Die Regionalorganisation SADC, die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft, deren Mitglied Kongo ist, hatte rund 3000 Soldaten aus Südafrika, Tansania und Malawi in Goma stationiert, um die Stadt zu schützen. Als die M23 am Sonntag im Anmarsch auf Goma den Luftraum über der Stadt schloss, konnten die SADC-Truppen nicht mehr mit Nachschub versorgt werden. Bereits am Nachmittag ging ihnen die Munition aus. Neun Südafrikaner starben im Gefecht. Als "Desaster" bezeichnete Chris Hattingh, verteidigungspolitischer Sprecher der liberalen südafrikanischen Partei DA (Democratic Alliance), die Militäroperation in der DR Kongo. "Wir hätten nie dort hingehen sollen." Südafrikas Parlament kündigte eine Untersuchung an. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa telefonierte am Montag mit Ruandas Präsident Kagame, um einen Waffenstillstand auszuhandeln, damit die Südafrikaner abziehen können.

Nur langsam wagen sich die über eine Million Einwohner Gomas nach der Eroberung aus ihren Häusern. Die Unsicherheit ist groß. Immer wieder sind Schüsse zu hören. Kleinkriminelle und Mitglieder der zahlreichen "patriotischen" Milizen, die Seite an Seite mit Kongos Armee gekämpft hatten und jetzt demoralisiert herumlungern, fingen an zu plündern. Die Türen des Zentralgefängnisses in Goma wurden geöffnet, Abertausende verurteilte Insassen befreit, die nun ebenfalls die Straßen unsicher machen.

Auch am Dienstag sind in einigen Stadtvierteln Gomas noch Schusswechsel zu hören. Versprengte Armee-Einheiten hatten sich am Flughafen verschanzt, um ein Waffendepot zu schützen, damit es nicht in die Hände der Rebellen fällt. Letztlich wurden sie aber von der M23 gestellt, die Waffen erbeutet.

Konflikt könnte sich zu großem Krieg ausweiten

Von einem erloschenen Vulkankrater aus, der sich mitten in Goma erhebt, schossen einige Soldaten in Richtung der Grenze zu Ruanda, bevor auch sie von der M23 gestellt wurden. Ruandas Armee bestätigte, die ruandische Grenzstadt Gisenyi - direkt neben Goma - sei unter Beschuss geraten. Fünf Menschen seien getötet und 25 verletzt worden. Ruandas Luftabwehrsystem wehrte weitere Geschosse ab.

Das Risiko ist groß, dass sich der Konflikt offiziell zu einem Zwei-Staaten-Krieg ausweitet, in welchen dann auch die Nachbarländer Uganda und Burundi hineingezogen werden. Burundi hat bereits Truppen in den Kongo entsandt, um Kongos Armee zu helfen. Uganda steht traditionell auf der Seite Ruandas, unterstützt ebenfalls die M23.

International herrscht deswegen höchste Alarmbereitschaft. Am Sonntagabend tagte in New York der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den M23-Vormarsch auf Goma "auf das Schärfste" und forderte Ruanda unmissverständlich auf, sich aus Kongos Staatsgebiet zurückzuziehen.

Kongos Außenministerin beschuldigte Ruanda vor dem UN-Sicherheitsrat, Kongos Rohstoffe zu plündern. Da stürmten Ruandas Diplomaten aus Protest aus dem Saal. Ruanda hat immer wieder erklärt, dass sie es nicht auf Kongos Mineralien abgesehen haben, sondern auf die FDLR, die "Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas". In der Führungsriege dieser ruandischen Hutu-Miliz tummeln sich Völkermörder, die 1994 nach dem Genozid an über einer Million Tutsi in ihrer Heimat Ruanda über die Grenze geflohen sind und sich seitdem im Kongo verschanzt haben. Seit Beginn des Krieges gegen die M23 wurden sie offiziell in Kongos Armee integriert, mit Waffen ausgestattet.

Als Rache dafür töteten ruandische Scharfschützen vergangene Woche Kongos Militärgouverneur Peter Cirimwami, der in engem Kontakt mit der FDLR-Führung stand. Kein Zufall: Der erste Tweet, der auf der Onlineplattform X seinen Tod bekannt gab, kam Chef des ruandischen Militärgeheimdienstes. "Die Ruander denken, dass der Krieg noch nicht begonnen hat", so die Antwort von Kongos Armeesprecher Sylvain Ekenge: "Aber er wird beginnen."

Quelle: ntv.de


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